Es sind zuweilen kuriose Zufälle, die entscheiden, an welcher Kreuzung das Leben wohin abbiegt. Im Fall von Jan Küpper sind es zwei verletzte Torhüter im letzten Saisonspiel eines Jugendteams, die ihm den Weg bereiten in den professionellen Fußball.
Im Rückblick erscheint es unglaublich, dass es gerade einmal etwas mehr als zehn Jahre her ist, als Küpper als Feldspieler im Nachwuchs des SC Gottmadingen-Bietingen kickt. „Immer okay, nie sehr gut“, sagt er selbst. „Ich fand damals Manuel Neuer klasse und bin einfach ins Tor gegangen, als die beiden ausgefallen sind“, erinnert er sich. Das kurzfristige Einspringen des Zwölfjährigen erweist sich als Startschuss für eine ungeahnte Karriere, die im Dezember 2021 auf ihrem Höhepunkt angekommen ist – und gleichzeitig auch schon wieder endet.
Der beste unter 19 000 Studenten
Aus dem kleinen Aushilfstorwart ist ein gestandener Mann geworden, der sich in den USA einen Namen gemacht hat. In der abgelaufenen College-Saison feiert Jan Küpper im Dress der Milligan University im Bundesstaat Tennessee Erfolge in Serie und wird als „Academic All-America of the Year“ ausgezeichnet. Diese Ehre wird dem Studenten zuteil, der seine sportlichen Leistungen am besten mit den akademischen verbindet.
„Am Anfang habe ich gar nicht realisiert, was das heißt“, sagt der 23-Jährige und schüttelt im Videogespräch ungläubig den Kopf, „jetzt bin ich aber wahnsinnig stolz. Es gibt 19 000 Fußballer an den Colleges, und da zu den Besten zu gehören, ist schon unglaublich, aber jetzt bin ich der eine…“
Der Weg bis zu diesem Ziel ist recht kurz, aber dafür umso steiler. Bei seiner spontanen Premiere im Tor stellt Küpper sich gleich so gut an, dass der gebürtige Rheinländer zum Stammkeeper beim SC Gottmadingen-Bietingen und anschließend drei Jahre lang in der Jugend des FC Schaffhausen ausgebildet wird. „Da habe ich viel gelernt von dem Super-Trainer Peter Vögele“, erinnert Küpper sich.
Mit 17, kurz vor dem Abitur am Wirtschaftsgymnasium von Schloss Gaienhofen, wird ihm der Aufwand in der Schweiz zu groß, sodass Küpper zur SG Dettingen-Dingelsdorf in die Landesliga wechselt, wo der Teenager sich bei den Männern beweisen will.
Wie es danach weitergehen soll, weiß Jan Küpper damals ganz genau. „Da ich mir bereits zweimal den Meniskus gerissen hatte, war klar, dass ich in Europa nicht vom Fußball würde leben können“, sagt er. Ein Freund schwärmt ihm von den USA vor.
Ein Land, in dem der Fußball nur eine Randsportart ist, mit der sich aber über ein Stipendium eine hervorragende Ausbildung finanzieren lässt. So steht Küpper in der Saison 2016/17 mit beiden Beinen auf den Sportplätzen zwischen Schonach und Markdorf, im Kopf hat er den amerikanischen Traum vom Fußballstudium.
Zwölf Angebote aus dem Ausland
Vater Axel begleitet das Jahr mit der Kamera, am Ende der Runde schneiden die Küppers ein Highlight-Video zusammen, das die Uni-Verantwortlichen überzeugt. Zwölf Angebote flattern ins Haus. „Ich konnte es gar nicht glauben. Davon träumt doch jeder Fußballer“, sagt Jan Küpper im Rückblick.
Er entscheidet sich für die Gardner-Webb University in North Carolina, wo der amerikanische Traum zum Alptraum wird. Während der Vorbereitung zieht Küpper sich den dritten Meniskusriss zu, die Saison verpasst er, und bei den Trainern bekommt er keine Chance mehr.
„Das war eine schwierige Zeit. Ich war erst 18 und in einem fremden Land verletzt und auf mich allein gestellt“, sagt Küpper. Der Torhüter gibt jedoch nicht auf und kämpft sich zurück. „Da habe ich viel mitgenommen fürs Leben, bin ich erwachsen geworden“, erklärt Küpper. Er sucht einen Neuanfang und findet ihn an der Milligan University in Tennessee.
In einem sehr jungen Kader entwickelt sich Küpper als Kapitän zum großen Rückhalt. In seinem zweiten Jahr in Milligan spielt die Mannschaft die beste Runde der Schulgeschichte und verpasst das USA-weite Finalturnier nur hauchdünn. „Wir haben uns menschlich so gut verstanden, dass wir eine echte Einheit waren“, sagt Küpper, „alle haben füreinander gekämpft.“
Student mit professioneller Einstellung
Der Deutsche wohnt auf dem Campus und hat das typisch amerikanische Studentenleben. Während viele Kommilitonen rauschende Partys feiern, steht für den Fußballer mit den blonden Haaren der Sport im Mittelpunkt. Seine kurze Profizeit verbringt Küpper gewissenhaft. „Ich konnte vier Jahre lang auf einem hohen Level das machen, was ich liebe, und mir unter Profibedingungen eine akademische Zukunft aufbauen.“
Das sportliche Niveau im US-Studentenfußball beschreibt Küpper so: „In jeder Liga sind die Mannschaften im unteren Drittel mehr oder weniger Platzfüller, die obere Tabellenhälfte hat aber mindestens Oberligaformat.“ Der Aufwand ist groß, Geld verdienen die Athleten nicht.
Doch auch das sieht Küpper realistisch. „Die Uni kostet bis zu 40 000 Dollar im Jahr. So konnte ich mir das Studium finanzieren“, sagt der 23-Jährige, der einen Bachelor-Abschluss in Businessadministration hat und gerade den Master macht.
Seine Zukunft sieht Jan Küpper in den kommenden Jahren in den USA – mit den einstigen Mitspielern der SG Dettingen-Dingelsdorf hält er über soziale Medien Kontakt. Weil in Nordamerika keine Amateurligen wie in Deutschland existieren, ist seine aktive Sportlerzeit nun vorbei.
Nun hat die berufliche Karriere Priorität
„Ich will weiter im Fußball tätig sein, vielleicht als Torwarttrainer“, sagt Küpper, doch aktuell hat die berufliche Karriere Priorität. „Ich bin in Gesprächen mit einer Schweizer Bank in Nashville oder New York“, sagt er.
Gerade erst war Jan Küpper für ein paar Tage zum Geburtstag seines Vaters zu Besuch bei der Familie, die inzwischen in Karlsruhe lebt. Die Weihnachtstage verbringen alle gemeinsam in den USA.
„Normalerweise wären wir in Deutschland, aber meine Freundin kämpft seit einiger Zeit mit Long Covid und darf nicht reisen. Also haben meine Eltern kurzerhand einen Flug gebucht und sehen zum ersten Mal mein zweites Zuhause“, sagt Jan Küpper und strahlt.
Es ist sein ganz persönliches Happyend eines außergewöhnlich erfolgreichen Jahres.