André Melchert, in der vergangenen Woche wurde bekannt, dass die HSG Konstanz zur kommenden Saison den Haupt- und den Platinsponsor verlieren wird. Wie viel Geld fehlt Ihnen künftig?
André Melchert: Das liegt im sechsstelligen Bereich. Es betrifft aber nicht nur das Budget unseres Zweitliga-Teams, sondern den Gesamtverein. Mit diesem Geld finanzieren wir neben der ersten Mannschaft viele andere Dinge, wie die Jugend, den Breitensport, Kinderbetreuung, Inklusion, und, und, und.
Das Ende der teils langjährigen Partnerschaften schien plötzlich zu kommen.
André Melchert: Ja, das war auch für uns überraschend, wir haben nicht damit gerechnet. Die Sponsorengespräche finden aber generell immer recht spät statt, weil die Sponsoren – wie wir als Verein auch – von der wirtschaftlichen Lage abhängig sind. Und wenn es ihnen schlechter geht, müssen sie schauen, wo sie sparen können. Wir haben vollstes Verständnis dafür. Das haben sich die Sponsoren bestimmt auch nicht leicht gemacht.
Ihre Mannschaft steht am Tabellenende der 2. Bundesliga und wird in der kommenden Saison höchstwahrscheinlich wieder in der 3. Liga spielen. Wie groß sind die finanziellen Unterschiede zwischen diesen Spielklassen?
André Melchert: Das kann man so pauschal nicht vergleichen. In der zweiten Liga hast du mehr Einnahmen, aber auch höhere Kosten. Einen wesentlichen Unterschied gibt es daher im Sponsoring nicht.
Die Vertragsgespräche mit den Spielern haben Sie für die nächste Spielzeit schon geführt. Kann man sagen: Der Kader steht, aber das nötige Geld fehlt?
André Melchert: Wir haben eh schon einen guten Betrag am Kader eingespart, können aber nicht erst im März oder April mit den Spielern sprechen, sonst sagen sie anderswo zu. Dieser Prozess läuft immer so, daher kann man nicht sagen, dass wir schon Geld ausgegeben haben, das wir gar nicht haben.
Sie haben sich für einen neuen Sponsoring-Weg entschieden und verlosen für je 1000 Euro pro Los Werbeplätze auf den LED-Banden und dem Trikot. Wie sind Sie darauf gekommen?
André Melchert: Das haben andere Vereine in Deutschland oder Österreich schon ähnlich gemacht. Wir haben das nur ein bisschen modifiziert, dass es besser für uns passt. Wir sind einfach keine Industriestadt. So schön es ist, in Konstanz zu wohnen, so schlecht ist es hier für Sportvereine, Sponsoren zu finden, die größere Summen abbilden können. Wir sind froh und dankbar für jeden Sponsor, aber ein kleiner bis mittelständischer Unternehmer kann nicht die Summen eines Hauptsponsors stemmen. Deswegen hoffen wir auf die breite Solidarität unserer Partner, dass wir so einen Großteil eines Hauptsponsorings abfangen können. Ich hoffe darüber hinaus aber immer noch, dass wir irgendwo einen großen Sponsor herbekommen. Wir haben ja zwei Plätze für Hauptsponsoren auf dem Trikot, die uns künftig fehlen.
Am Wochenende wurde beim 32:32 im Heimspiel gegen den HSC Coburg das Konzept in der Schänzlehalle vorgestellt. Wie war die Resonanz?
André Melchert: Diejenigen, mit denen wir gesprochen haben, finden die Aktion gut und wollen uns unterstützen. Jetzt müssen wir schauen, in welchem Umfang. Auch wenn wir nur 15 Sponsoren dazugewinnen, sind das Einnahmen, die wir dringend benötigen.
Ist Semi-Professioneller Handball in Konstanz auch ohne die beiden Großsponsoren noch möglich?
André Melchert: Wir müssen die Strukturen umbauen und die Kader anders konzipieren, aber in der 3. Liga werden wir in der kommenden Saison wieder oben mitspielen. Um erneut in die zweite Liga zu kommen, müssten wir schon unser aktuelles Budget behalten, beziehungsweise noch 20 oder 30 Prozent draufpacken.
Machen Sie sich Sorgen um die Zukunft?
André Melchert: Ich habe Angst um den kompletten Verein. Das, was wir verlieren, betrifft ja nicht nur die erste Mannschaft. Es sollte allen klar sein, dass ein extrem großes Konstrukt in der Stadt Konstanz zusammenbrechen könnte. Man muss nur schauen, was wir neben dem Leistungssport noch machen: von der Ferienbetreuung über den Handballgarten bis zu Inklusionsprojekten.
Wie ist Ihre aktuelle Stimmungslage?
André Melchert: Ich bin kämpferisch. Man überlegt dauerhaft, wo man noch Geld einnehmen, was man sparen kann, welche Möglichkeiten wir haben. Wir konnten uns schon in anderen ähnlichen Situationen auf die Solidarität der Sponsoren und der Zuschauer verlassen – siehe Corona – und wir haben diese Situationen gemeinsam gemeistert. Das Thema ist jetzt: Wie kriegen wir das gestemmt, um wieder in finanziell ruhige Fahrwasser zu kommen? Wir führen gute Gespräche mit neuen und aktuellen Sponsoren, das macht mich zuversichtlich, dass es vernünftig und mit hoher Qualität weitergeht. Denn: Wenn wir etwas machen, dann wollen wir es gut und richtig machen. Und wenn man sportlich zwei Schritte zurück gehen muss, dann ist das halt so.
Sie würden also die sportlichen Ambitionen der ersten Mannschaft hinten anstellen, ehe Sie an der Ferienbetreuung oder der Inklusion sparen?
André Melchert: Man kann in unserer aktuellen Situation nicht über ein einzelnes Thema nachdenken, wie die erste Mannschaft. Wir müssen täglich über alles reden, an welchen Stellschrauben wir drehen können. Meine Hoffnung ist, dass wir das aber gar nicht erst tun müssen. Die Qualität, die wir liefern, ist schon jetzt hoch und das wird von vielen Leuten angesehen. Ich habe die Hoffnung, dass wir das aktuelle finanzielle Loch mit der Solidarität unserer Sponsoren abfangen und uns vernünftig aufstellen können. Wir müssen noch enger zusammenrücken und jeder einzelne muss einen oder zwei Schritte mehr gehen, aber dazu sind wir bereit. Wenn man sieht, wie viel der Gesamtverein und die Jungs der ersten Mannschaft investieren, dann haben es alle mehr als verdient, dass wir das finanzielle Problem gelöst bekommen.