Mountainbike: – Beim Auftakt des Weltcups vor vier Wochen im brasilianischen Petropolis fehlte Finja Lipp noch. Wie viele andere deutsche Starter im Weltcup trat sie den langen Weg in den brasilianischen Urwald nicht an. Zu groß war der Aufwand, und man wollte sich auf die europäischen Rennen konzentrieren.
Nun ist es aber soweit. Beim Aufeinandertreffen der weltbesten Mountainbiker in Albstadt wird die 19-Jährige erstmals an der Startlinie eines Weltcups stehen. Dass es der Heimweltcup ist mit seinem bekannt grandiosen Publikum, macht es vielleicht noch etwas spezieller. Dabei wird sie sich nahezu mit der gesamten Weltelite der U23-Nachwuchskategorie messen, bei der die Jahrgänge 2000 bis 2003 gegeneinander antreten.
Für Finja Lipp ist es das erste Jahr in der U23-Kategorie, nachdem sie in den vergangenen beiden Jahren noch zu den Juniorinnen gehörte, für die es keine Weltcups gibt. Besonders nervös wird sie deswegen aber nicht sein. Schon oft war sie bei der UCI-Junior-Serie am Start, die regelmäßig an den Weltcup-Standorten Station macht. Außerdem geht es für sie im ersten U23-Jahr vor allem darum, Erfahrungen zu sammeln und das Weltcup-Flair zu genießen. Die Renndistanz ist länger, das Konkurrenzumfeld deutlich größer. Derzeit muss sie sich am Start als 302. der Weltrangliste auch relativ weit anstellen, was natürlich ein Handicap ist.
13. Platz in Österreich
Dass sie damit aber sehr gut zurecht kommt, hat sie bei den bisherigen Renneinsätzen schon gezeigt. Zuletzt am vergangenen Wochenende in Haiming/Österreich. Beim top-besetzten HC-Rennen (höchste UCI-Kategorie nach dem Weltcup) belegte sie in der Elite-Klasse Rang 13. Gewonnen wurde das Rennen von der 20-jährigen Lokalmatadorin Mona Mitterwallner, auf die Finja Lipp im Ziel einen Rückstand von 12:01 Minuten hatte und damit fünftbeste U23-Starterin war. „Mit den bisherigen fünf Rennen in diesem Jahr bin ich sehr zufrieden. Es lief besser als erwartet“, versprüht Finja Lipp viel Zuversicht vor der neuen Saison. Diese ist auch berechtigt, denn gerade über die gesamte Renndistanz gelang es ihr immer, sich gut nach vorn zu orientieren. Zuletzt in Haiming fuhr sie sogar gegen Ende die neuntbeste Rundenzeit.
Damit hat sie auch gezeigt, dass sie sich als „Küken“ der Altersklasse schon hervorragend gegen deutlich erfahrenere Sportlerinnen in den größeren Starterfeldern durchsetzen kann. Vor allem in der wichtigen Startphase wird es deutlich enger. Als gute Starterin und mit entsprechender Geduld kann sie ihre Stärken über die Distanz ausspielen. „Es ist noch etwas ungewohnt, in einem großen Starterfeld von weiter hinten zu starten. Ich versuche geduldig zu sein und jede Lücke zu nutzen. Da die Rennen länger dauern, habe ich auch mehr Zeit, Plätze gut zu machen“ bestätigt Finja Lipp diese Einschätzung und ist sich bewusst, dass das erste Jahr in der höheren Altersklasse auch ein Lehrjahr sein wird.
Das sieht man auch in ihrem neuen Team-Umfeld so, wo man ihr die Zeit geben will, sich zu entwickeln. Bisher in den Farben eines Radshop-Teams unterwegs – für das weiter ihr Bruder Miron startet – ist sie neu in den Reihen des Profiteams „Ghost Factory Racing“. Für Finja Lipp ist der Schritt in dieses perfekt organisierte Teamumfeld ein Quantensprung. Mit Nadine Rieder aus dem Allgäu hat sie eine sehr erfahrene Deutsche an ihrer Seite und mit Vize-Weltmeisterin Anne Terpstra auch eine Weltklasse-Athletin, von der sie viel lernen will.
Guter Draht zu Nadine Rieder
Die Integration in das Team habe bisher perfekt funktioniert, sei es bei den ersten Trainingslagern der Saison oder bei den ersten Wettkämpfen. „Meine Team-Kolleginnen machen es mir aber auch echt einfach. Ich liebe es, wenn sie mich bestärken und in den Rennen anfeuern.“ Gerade zu der zweiten Deutschen im Team, Nadine Rieder, die schon sehr lange im „Geschäft“ ist, habe sie einen guten Draht. Die Organisation des Teams sei hochprofessionell. Die Athletinnen erhalten maximale Unterstützung, was extrem wichtig sei, um die bestmögliche Leistung abrufen zu können.
Beim Training hat sich für Finja Lipp dagegen nicht so viel geändert. Die Struktur blieb im wesentlich identisch, einzig die Umfänge wurden angepasst, um für die längeren Wettkampf-Distanzen die notwendige Substanz zu haben.
Für diesen Samstag hofft Finja Lipp, dass sie ein gutes Rennen zeigen kann, gut durchkommt und sich im Laufe der Saison in der U23-Kategorie etablieren kann. Schon eine Woche später geht es zum nächsten Weltcup-Highlight nach Nove Mesto/Tschechien. Nirgendwo sonst – außer eben in Albstadt – ist die Begeisterung der Zuschauer so groß wie in der bekannten Biathlon-Arena in Mähren.
Ebenfalls in Albstadt und Nove Mesto am Start ist Finjas Bruder Miron Lipp, der schon zwei Jahre länger in der U23-Kategorie seine Erfahrungen sammelte. Er wurde von der Nationalmannschaft für die Weltcups nominiert. Dies ist notwendig, wenn der Biker nicht einem Profiteam angehört. Nachdem er in den vergangenen Wochen einige gesundheitliche Probleme hatte, will er vor allem wieder ohne körperliche Beschwerden ein solides Rennen fahren.
Mit Blick auf die weitere Saison ist Miron Lipp zuversichtlich, dass er an sein Spitzenergebnis von Marseille Ende vergangene Saison anknüpfen kann. Nach Albstadt und Nove Mesto hofft er, für weitere Weltcups und hochklassige Rennen nominiert zu werden.