Tina Fröhlich

Eishockey: Wieder Letzter. Zum vierten Mal in den vergangenen sieben Jahren in der Deutschen Eishockey Liga sind die Wild Wings am Tabellenende gelandet. Immer deutlicher zeigen sich die Baustellen, und diese sind nicht nur sportlicher Art. Drei Großbaustellen der Schwenninger hat der SÜDKURIER ausgemacht. Sollten diese nicht weitestgehend beseitigt werden, dürfte es in der kommenden Saison, in der es wieder Auf- und Abstieg geben wird, eng werden.

1. Baustelle

Kader-Zusammenstellung: 45 Punkte holten die Schwäne in der abgelaufenen Hauptrunde, das sind 0,86 Zähler pro Spiel. Ganze elf Siege nach regulärer Spielzeit stehen zu Buche bei 32 Niederlagen. Die Schwenninger weisen die schlechteste Bullyquote auf. Topscorer Pat Cannone findet sich in der DEL-Rangliste mit 35 Punkten auf Platz 39 wieder bei einer Plus-Minus-Bilanz von minus 19. Nur ein Schwenninger Akteur steht bei dieser Statistik positiv da: Maximilian Hadraschek mit plus 4.

Es gibt weitere markante Zahlen. Die nominell sechs besten Ausländer haben bei den Wild Wings 152 Scorerpunkte insgesamt erzielt. Bei den drittplatzierten Straubing Tigers, die in etwa ein ähnliches Saisonbudget aufweisen, verbuchten die „Importspieler“ 205 Punkte. Bei den deutschen Spielern ist der Unterschied noch frappierender: Alle Deutschen im Schwenninger Team kamen nur auf 55 Punkte, bei Straubing waren es 156.

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Soweit die nackten Zahlen, die darauf hindeuten, dass die Schwenninger ein Qualitätsproblem hatten. Etwas schwerer dürfte aber das Mentalitätsproblem wiegen. Die Leistungen erwecken den Eindruck, dass sich viele Spieler schnell von schlechten Ergebnissen herunterziehen lassen. Tatsächlich wurden einige Profis deutlich schlechter, als sie es zuvor in anderen Mannschaften waren. Das Verlierer-Gen hat sich in den vergangenen Jahren in Schwenningen etwas eingeschlichen. Es mangelte aber auch am nötigen Biss. „Wer keinen Charakter verpflichtet, darf sich nachher auch nicht wundern, wenn er keinen Charakter in der Mannschaft hat“, übte ein Ex-Profi und Eishockey-Experte scharfe Kritik.

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Den Wild Wings fehlten in vielen Partien die nötigen Führungsfiguren. Hier müssen sich die Verantwortlichen hinterfragen, wie wichtig ihnen bei der Kader-Zusammenstellung der Charakter der einzelnen Spieler war. Eine richtige Hierarchie im Team war kaum zu erkennen. Am Ende „richteten“ es quasi die jungen Profis.

Gerade auf diese Youngster wollte man vor einigen Jahren schon einmal setzen. Schwenningen entschied sich jedoch, den sogenannten „deutschen Weg“ zu verlassen. Stattdessen wurde das Geld in DEL- oder NHL-erprobte Ausländer investiert. Spieler, die zum Teil auch im Spätherbst ihrer Karriere sind.

Der scheidende Sportmanager Jürgen Rumrich hatte bei der Kaderzusammenstellung kein glückliches Händchen. Auch der Scouting-Bereich ...
Der scheidende Sportmanager Jürgen Rumrich hatte bei der Kaderzusammenstellung kein glückliches Händchen. Auch der Scouting-Bereich spielte bei den Wild Wings bislang eine untergeordnete Rolle und hat noch viel Luft nach oben. Bild: R. Müller | Bild: Roger Müller

Dieser Umstand führt direkt zum Scoutingbereich. Sportmanager Jürgen Rumrich beklagte seit Jahren, dass er für diese Kernaufgabe schlicht zu wenig Zeit habe, kümmerte er sich doch auch um Autos, Wohnungen, Auswärtsfahrten, etc.. Sicher hat der scheidende sportliche Leiter auch nicht gerade das beste Netzwerk und nutzte auch bereits bestehende Verbindungen nicht. Der ehemalige Kapitän Mark MacKay, seit Jahren als Agent bei einer großen kanadischen Spielervermittlung tätig, berichtete unlängst, dass Rumrich ihn in all den Jahren nicht ein Mal angerufen habe. Beide hatten lange Jahre gemeinsam in der deutschen Nationalmannschaft gespielt. Doch auch die mangelnde Zeit war ein nennenswerter Faktor. Was zur nächsten Baustelle führt.

2. Baustelle

Das Team hinter dem Team: Nach wie vor ist das „Backoffice“ der Wild Wings GmbH ziemlich dünn besetzt. Davon betroffen ist auch der sportliche Bereich in punkto Fitnesstrainer und Physiotherapie. Fitnesstrainer Hendrik Kolbert hat weitere umfangreiche Aufgabengebiete abzudecken. An sich sollte ein Klub auf diesem Niveau aber einen hauptamtlichen Mitarbeiter für das Athletiktraining haben. Damit bestünde die Möglichkeit, individueller auf die einzelnen Spieler einzugehen und sich auch gezielter um die Ernährung zu kümmern.

Zudem scheint das Fitnesstraining nicht ganz den modernen Anforderungen zu genügen. Mehrere Spieler wirkten zu langsam und zu unbeweglich. „Man sollte unbedingt einen externen Coach hinzuziehen, der mit der ganzen Mannschaft ein Screening macht und damit die Schwächen des Einzelnen offen legt“, erklärt Diplomtrainer Jürgen Müller, ein in der Region bekannter Tenniscoach, der mit Tennis-Profi Dominik Koepfer arbeitet und auch mit dem früheren Eishockey-Profi Dennis Seidenberg gearbeitet hat. „Zudem geht der Trend auch im Eishockey ganz klar weg von viel Muskeln. Man weiß mittlerweile, dass das oft sogar eher hinderlich ist. Mit einem gezielten Fitnesstraining kann man auch bei Profis noch 10 bis 20 Prozent mehr Leistung herausholen“, fügt Müller an.

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Auch für die physiotherapeutische Abteilung ist mit eineinhalb Mitarbeitern unterbesetzt ist. Gar nicht zurückgegriffen wird von den Wild Wings auf einen Mentaltrainer, der in den anderen großen Eishockeyligen inzwischen zur „Grundausstattung“ zählt. Trainer Niklas Sundblad bat bei einem Auswärtsspiel in Krefeld zuletzt seinen Freund Chris Hamilton um Hilfe. Der Personal Performance Coach sprach mit dem Team und könnte für die Zukunft eine Rolle spielen. „Auch das ist eine Lücke, die man heute als Profisportklub unbedingt schließen sollte. Man muss den Mentalcoach nicht immer vor Ort haben. Heute kann man das anders lösen“, erklärt Jürgen Müller, der selbst auch ein jahrzehntelanger Fan der Wild Wings ist.

3. Baustelle:

Außendarstellung: #WirSindSchwenningen – so lautet seit einigen Jahren das Motto des Erstligisten. Indes, mit Leben gefüllt wurde der Slogan in den letzten Monaten weniger denn je. Das Verhältnis zu den zugegebenermaßen nicht immer einfachen Fans ist schwierig bis nicht mehr vorhanden. Ein oder zwei Fantalks pro Jahr schaffen da vermutlich auch keine Abhilfe. Der Großteil der sehr treuen Anhängerschaft fühlt sich schlicht nicht mehr mitgenommen. Die Fans verstehen nicht mehr, wofür ihr Klub steht. Sie vermissen die Identifikationsfiguren.

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Das Ansehen der Wild Wings hat auch in der DEL gelitten. Die Außendarstellung wird durch Aktionen, wie jüngst nach dem bekanntgegebenen Wechsel von Dustin Strahlmeier, als Geschäftsführer Christoph Sandner äußerst emotional reagierte und Wolfsburgs Manager Charlie Fliegauf mit einem Schimpfwort bedachte, nicht gerade besser. Das vielbeschworene familiäre Umfeld existiert nach Aussagen mehrerer Ex-Wild Wings auch nicht mehr.

Das Fünkchen Hoffnung

Die Jungen: In den vergangenen Saisonwochen setzte Trainer Sundblad auf die „Jungen Wilden“ und die brachten Energie, Biss, Fleiß, Tempo und teilweise sogar spielerische Klasse ins Team. Mit Maximilian Hadraschek, Daniel Pfaffengut, Cedric Schiemenz, Boaz Bassen und David Cerny hat man längerfristige Verträge geschlossen. Sie könnten und sollten eine Basis für die Zukunft sein.