Eishockey: Matthias Hoppe hat schon einiges erlebt in seiner mehr als 20-jährigen Karriere als Eishockey-Profi. Am Samstagabend aber rieb sich selbst die Schwenninger Torhüterlegende verwundert die Augen. „Das ist ja Wahnsinn“, sprudelte es nach dem ersten Drittel aus Hoppe vor Begeisterung nur so heraus. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Wild Wings den EHC Red Bull München sicher beherrscht und scheinbar klar mit 4:1 geführt. Am Ende aber musste der 62-Jährige mit ansehen, wie die Schwenninger mit 4:6 geschlagen vom Eis schlichen. Drei Gegentreffer in den letzten 149 Sekunden besiegelten die bittere Heimniederlage der Neckarstädter.
Selbst ein ausgewiesener Eishockey-Experte wie Hoppe war nach der Schlusssirene ratlos: „Ich kann es immer noch nicht verstehen, wie dieses Spiel abgelaufen ist. Die Wild Wings zeigen ein sensationelles erstes Drittel und hören dann einfach auf zu spielen. Nach 20 Minuten Vollgas hatten die Schwenninger ab dem zweiten Drittel kaum noch Torchancen, keine Umschalt-Situationen und verloren viele Bullys.“
Augenscheinlich hatten die Münchner Profis nach dem desolaten Auftritt im ersten Abschnitt in der Kabine eine deftige Standpauke von Trainer Don Jackson erhalten. Jedenfalls zeigten sie nun ein anderes Gesicht und bestimmten das Geschehen fortan klar. Hoppe: „Die Wild Wings bekamen von den Münchnern klar aufgezeigt, dass ein Eishockey-Spiel mindestens 60 Minuten dauert. Fehlenden Kampf konnte man der Mannschaft nicht vorwerfen. Aber wenn man immer wieder zu schnell den Puck verliert, kostet das Kraft. Und mangelnde Kraft führt zu Konzentrationsfehlern. Ohne ihren überragenden Torhüter Joacim Eriksson hätten die Schwenninger noch höher verloren.“
Dabei hatte zunächst alles nach einem Heimsieg ausgesehen. Auch Alexander Weiß, der die Wild Wings mit einem Powerplay-Tor in Minute 5 in Führung gebracht hatte, zeigte sich während der ersten Drittelpause zuversichtlich: „Wir sind sehr gut rausgekommen, waren vom Start weg voll im Spiel. Wir sind auch gut mit München mitgelaufen, haben sie unter Druck gesetzt. Unser Powerplay funktioniert im Moment einfach. Wir haben vor dem Spiel die Defensivprobleme von München angesprochen. Man hat das ja in den letzten Spielen gesehen, dass es immer sehr hohe Ergebnisse bei ihnen gab.“
Für das halbe Dutzend Tore der Bayern zeichnete vor allem ein Mann verantwortlich: Trevor Parkes, der mit vier Treffer das Spiel quasi im Alleingang drehte. Der kanadische Stürmer kommentierte die Partie so: „Wir wussten, dass die Wild Wings zuhause stark aus der Kabine kommen. Sie sind generell ein schwer zu spielendes Team. Trotzdem war das erste Drittel nicht akzeptabel, und das haben wir auch in der Kabine sehr klar angesprochen. Unsere Reaktion war sehr gut. Klar, für mich persönlich war es ein spezieller Abend. Aber ich bin glücklich über unsere drei Punkte und unseren Sieg. Meine eigene Leistung ist nicht so wichtig. Entscheidend ist, dass wir jetzt wieder auf dem richtigen Weg sind.
Schwenningens Kapitän Travis Turnbull ordnete die Niederlage in die Kategorie Lernprozess ein. „Wir hatten auch nach dem ersten Drittel noch unsere Chancen. Im Moment weiß ich nicht so recht, was ich sagen soll. Das ist sehr, sehr ärgerlich. Ich denke nicht, dass wir am Ende zu defensiv gespielt haben. Ich habe aber auch keine Erklärung, warum nach vorne nicht mehr viel ging. Wir wissen, dass wir jede Mannschaft in der Liga schlagen können. Daran müssen wir glauben und aus diesem Spiel lernen.“
Ähnliche Töne schlug auch Wild Wings-Angreifer Tyson Spink an: „Das ist hart für uns alle und schwer zu verdauen. Es war aber auch eine wichtige Erfahrung, daraus werden wir lernen. Wir hatten den Gegner zu Beginn eigentlich im Griff und ein sehr gutes erstes Drittel gespielt. Man muss München aber auch Respekt zollen. Sie haben im zweiten und dritten Drittel sehr gut gespielt und deshalb gewonnen.“ Und Münchens Chefcoach Don Jackson lieferte den passenden Schlusssatz unter die kuriose Begegnung: „Das war unglaublich.“