Herr Schmidt, Sie sind seit 2007 Trainer des 1. FC Heidenheim, damals noch in der Oberliga. Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Saison und wissen Sie noch, was am 4. Mai 2008 war?
Natürlich erinnere ich mich gut, aber doch nicht so gut, dass ich weiß, was an diesem Tag war. Aber ich vermute, dass wir da gegen Villingen gespielt haben. (lacht) Ich weiß noch, dass es eine wichtige Saison für uns war. Ich habe am 17. September 2007 das Traineramt übernommen. Und wir haben es geschafft, uns für die damals neu strukturierte Regionalliga zu qualifizieren. Insbesondere den Anfang vergisst man nicht – und das Ende auch nicht.
Ihre Vermutung ist richtig. Das war das letzte Pflichtspiel, in dem Villingen und Heidenheim aufeinandertrafen.
War das das Auswärtsspiel?
Genau.
Es ging 1:1 aus und Martin Klarer war Torschütze und bekam später eine Rote Karte. Das weiß ich noch.
Richtig. Klarer war per Elfmeter erfolgreich. Wissen Sie zufällig, wer das Villinger Ausgleichs-Tor erzielt hat?
Da muss ich passen. Da brauche ich den Telefonjoker.
Das war Mario Klotz, der seit diesem Jahr Trainer beim FC 08 Villingen ist.
Ach, was! Nein, das wusste ich tatsächlich nicht. Aber ich muss zugeben: Es ist erstens eine lange Zeit und zweitens bin ich nicht so gut in Geschichte. Ein paar Dinge weiß ich, aber ich bin ein Mensch, der in der Gegenwart lebt und beschäftige mich mit der Aktualität.
Jetzt treffen Sie am Samstag, in der ersten Runde des DFB-Pokals, nach über 16 Jahren wieder auf Villingen. Im Gegensatz zu damals ist es jetzt ein deutlicher Klassenunterschied – Bundesliga gegen Regionalliga. Wie bereitet man sich als Bundesligaclub auf ein solches Spiel vor?
Ganz normal, wie vor jedem Pflichtspiel auch, da gibt es keine Unterschiede. Wir haben danach einen Start mit vielen Spielen, in denen es auch um die Qualifikation für die Uefa Conference League geht. Aber das interessiert mich erstmal nicht. Das Spiel in Villingen ist jetzt Faktor Nummer eins. Das wissen meine Spieler auch. Ich erwarte von allen, das Spiel so anzugehen, als wäre es ein Bundesligaspiel.
Villingen hat schon drei Pflichtspiele hinter sich. Haben Sie die Partien verfolgt?
Nicht live, aber wir haben uns die Spiele im Video angeschaut und sind da informiert. Wir wissen genau, was bei den Spielen passiert ist und wie Villingen gespielt hat. Das gehört zur professionellen Vorbereitung dazu. Ich glaube, uns zeichnet aus, dass wir dem Gegner immer mit dem nötigen Respekt gegenübertreten.

Welche Stärken und Schwächen sehen Sie bei den Nullachtern?
Der Start war mit einem frühen Gegentor in der Barockstadt natürlich nicht so toll, aber trotzdem haben sie sich zurückgekämpft, das finde ich bemerkenswert. Was in allen Spielen auffällt, ist der spielerische Ansatz. Wenn man allein Andrea Hoxha im Tor nimmt, der im Spielaufbau stark eingebunden ist, der ein guter Fußballer ist und weiß, wo er die Bälle hinspielen muss. Sie haben auch ein gutes zentrales Mittelfeld. Und Marcel Sökler ist ein Stürmer, den man auch mal mit dem Rücken zum Tor anspielen kann und wenn es sein muss, mit einem langen Ball. Es ist eine Mannschaft, die versucht, Fußball zu spielen, aber auch Umschaltsituationen nutzen kann. Man hört zwar immer, Regionalligateams seien Amateure. Aber die trainieren auch öfter als dreimal die Woche. Ich kenne es von der anderen Seite. Ich war schon Trainer in Heidenheim, als wir im DFB-Pokal noch als Regionalligist gegen Wolfsburg gespielt haben. Da stand es 0:0 zur Halbzeit. Und dann ging es ganz schnell durch einen Doppelschlag, letztlich hat sich die Klasse der Wolfsburger damals durchgesetzt.
Für den unterklassigen Verein ist es ein absolutes Highlight, gegen einen Bundesligisten spielen zu dürfen. Sie standen oft genug auf der anderen Seite. Wie erinnern Sie sich an diese speziellen Duelle?
Wie Sie gesagt haben: Das ist ein Highlight. Als wir es 2011 als Drittligist geschafft haben, Bremen in der ersten Runde aus dem Pokal zu werfen, hat unsere Voith-Arena gebebt. Man hat immer eine Chance. Das heißt jetzt nicht, dass ich da bin, um den Villingern Mut zu machen, aber wir wissen es aus eigener Erfahrung. Qualität setzt sich nur durch, wenn die Einstellung stimmt. Und da wollen wir keine Fehler machen.
Jahr für Jahr scheitern Bundesligisten an diesen vermeintlich einfachen Aufgaben. Spüren Sie bei Ihren Spielern Druck oder vielleicht sogar Angst, sich zu blamieren?
Druck haben Menschen, die ganz andere Jobs ausüben und Angst hat man vielleicht bei dem, was gerade teilweise auf der Welt passiert – aber nicht im Fußball. Ich sage immer: Wenn man gut vorbereitet ist, hat man auch das nötige Selbstvertrauen. Respekt ja, aber Druck und Angst haben im Fußball nichts zu suchen. Da geht es eher um Widerstandsfähigkeit. Mit solchen Themen beschäftigen wir uns und wenn das andere in unseren Köpfen wäre, dann würde der 1. FC Heidenheim heute nicht in der Bundesliga spielen.
Vor eineinhalb Wochen wurde Leverkusens Trainer Xabi Alonso zum Trainer des Jahres gekürt. Sie landeten auf Platz drei. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Das bedeutet, dass wir als Mannschaft einen guten Job gemacht haben. Ein Trainer ist nie allein dafür verantwortlich – weder für den Erfolg noch für den Misserfolg. Und wer uns kennt, der weiß, dass Zusammenhalt und Teamarbeit bei uns im Vordergrund stehen. Am Ende hat es dann auch mit dem achten Platz in unserer Premieren-Saison in der Bundesliga zu tun. Aber im Fußball ist eine solche Wahl von einer einzelnen Person viel zu weit hergeholt, weil wir uns in einem Mannschaftssport befinden. Es ist wichtig, welche Rolle man in einem Team hat, wie man Menschen begeistern kann und wie man eine Wertigkeit für jeden Einzelnen bestimmen kann. So lebe ich meinen Job und bilde mir da nichts ein. Außer die Anerkennung für die Arbeit, die im ganzen Verein geleistet wird.
Vor 16 Jahren standen Sie mit Heidenheim noch dort, wo der FC 08 Villingen jetzt steht. Was würde der Frank Schmidt von 2008 antworten, wenn man ihm sagen würde, welche Entwicklung Heidenheim durchmachen wird?
Da hätte man schon mal kurz nachgefragt, ob alles in Ordnung ist und ob es demjenigen gut geht. (lacht) So etwas kann man nicht planen. Auf deren anderen Seite haben wir uns nie beschränkt, waren gleichzeitig aber auch demütig. Wenn mir damals jemand gesagt hätte: Bundesliga, achter Platz, hätte man das nicht ernst nehmen können. Heute sage ich, dass wir uns das durch jahrelange, konstante Arbeit verdient haben. Das hat auch mit Zusammenhalt zu tun. Viele Personen sind schon seit Jahren da. Mein Chef, unser Vorstandsvorsitzender Holger Sanwald, hat 1995 in der Landesliga als ehrenamtlicher Abteilungsleiter angefangen. Letztens hat er mir erzählt, dass seine erste Amtshandlung damals war, zum Staffeltag zu gehen. Da hat die zweite Mannschaft noch Kreisliga B gespielt. Und jetzt war er in Nyon bei der Auslosung für die Play-Offs zur Conference League. Das ist verrückt. Aber da eine Blaupause drüberzulegen da kann ich versprechen, das geht nicht und ist so nicht zu kopieren.
Jetzt kommt das erste Pflichtspiel, die ersten internationalen Spiele. Was erhoffen Sie sich von der kommenden Saison, gerade auch mit einer möglichen Dreifachbelastung?
Das sage ich oft und das sage ich auch jedem, der es noch nicht weiß: Für mich zählt nur das erste Pflichtspiel. Und das ist das Spiel in Villingen. Da erwarte ich eine so gute Leistung, dass wir weiterkommen. Das ist die Priorität. Darüber hinaus müssen wir uns für die Conference League erst mal qualifizieren, das wird kein Selbstläufer. Sollten wir uns qualifizieren, springen wir nicht auf den Zug auf, dass alles schwer ist und beschweren uns über englische Wochen. Davon träumst du als Kind, davon träumst du als Fußballer. Dafür macht man das Ganze, das sind die Emotionen, die mich antreiben. Aber Priorität ist für mich ganz klar die Bundesliga. Wenn du mal in der Bundesliga bist und dort jede Woche Unglaubliches erleben darfst, dann willst du das verteidigen, dann willst du da weitermachen. Wir können nicht davon ausgehen, dass der 1. FC Heidenheim jetzt einen Stammplatz in der Bundesliga hat. Es wird jedes Jahr ein harter Kampf, gerade wenn man sieht, welche Leistungsträger bei uns gegangen sind, die wir ersetzen müssen.
Wann werden Sie nach Villingen reisen?
Wie vor jedem Bundesligaspiel auch, werden wir einen Tag vorher anreisen. Man ist ja von Heidenheim nicht in einer halben Stunde in Villingen. Das Abschlusstraining werden wir noch am Freitag in Heidenheim machen. Der Vorteil ist, dass das Spiel um 15:30 Uhr ist, die magische Bundesliga-Zeit. Ganz nach unserem Geschmack und wie wir es seit letzter Saison gewohnt sind.