Höher, schneller, weiter. Zermatt, der mondäne Skiort in den Schweizer Alpen mit 6000 Einwohnern und 30.000 Gästebetten, setzt seiner Welt der Superlative noch einen neuen auf – die höchste durchgehende Alpenüberquerung per Seilbahn.
Jetzt schweben Gondeln mit Tausenden Swarovski-Kristallen am Matterhorn vorbei Richtung Italien. Das höchstgelegene Bergrestaurant Europas auf 3883 Metern Höhe steht längst. Die teuerste Tageskarte in der Schweiz können Skifahrer hier mit 104 Schweizer Franken (106 Euro) auch kaufen.
Wer für 240 Franken auf den Ledersitzen, die eine italienische Design-Schmiede entworfen hat, Platz nimmt, sucht das elitäre Gipfelerlebnis. Nach drei Minuten Fahrt klart der milchige Gondelboden der Seilbahn auf, und die Fahrgäste schauen an ihren Sandalen vorbei in die Tiefe der Gletscherspalten.
Mit Naturnähe und Alpinismus hat das nichts zu tun. Es sind gut Betuchte und jene, die die Sensation suchen, die sich die Fahrt leisten werden. Zermatt setzt auf zahlungskräftige Touristen aus der Schweiz, Italien, Deutschland und vor allem aus Fernost.
Britischer Investor kann Skigebiet nicht retten
Die Attraktion ließ man sich 65 Millionen Schweizer Franken kosten. Während der Nobelort finanziell und mit der Lage auf 1600 Metern Höhe in anderen Sphären schwebt, kämpfen kleinere, eher von Familien besuchte Stationen ums Überleben. Das hat mit dem Klimawandel zu tun, aber nicht nur.
In den 1970er- und 1980er-Jahren bauten auch kleinere Orte eigene Stationen – so wie Ernergalen, knapp 60 Kilometer von Zermatt entfernt. Viele liefen über Jahre leidlich. 2011 werden die Anlagen in dem Ort abgebrochen, auch die Schenkung an einen britischen Investor brachte die Wende nicht.
Gstaads erfolgloser Versuch
An den Hängen niedrig gelegener Pisten ziehen sich immer öfter gespenstische weiße Streifen über Wiesenhänge hinab, während es im Tal aussieht wie im Sommer. Kaum ein Skigebiet kommt heute noch ohne Schneekanonen aus. Unter großen Planen versucht man, Gletscherteile zu schützen. In Gstaad flog man im Winter per Hubschrauber den Schnee ein, um eine Piste öffnen zu können – der Versuch misslang, die Piste blieb zu. Ein erfolgloses Aufbäumen gegen die Natur.
Zermatt im Wallis und Brienz im Kanton Graubünden scheinen auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun zu haben. Hier Luxusort, da Bauerndorf. Nach dem massiven Felssturz ziehen die Bewohner von Brienz dieser Tage in ihre Häuser zurück. Seit Jahrtausenden ist der Berg hier wohl schon in Bewegung. Doch kommt der Klimawandel hinzu, dann wird der Kitt der Felsen brüchig, wenn der Permafrost schmilzt.
So brachen in Tirol kürzlich 100.000 Kubikmeter Fels vom Südgipfel des Fluchthorn-Massivs ab. Ähnliches passierte vergangenes Jahr in Südtirol. Die Unglücke mehren sich. Und auch die Gletscher ziehen sich immer mehr zurück. Experten sagen ein weltweites Gletschersterben voraus.
Haben wir Lust auf Kunstschnee?
Noch gelingt es vielen Skigebieten, sich mit Schneekanonen zu retten. Doch nur finanzkräftige Gemeinden können es sich auf Dauer leisten, den Skizirkus mit Hunderten dieser Geräte aufrechtzuerhalten. Sie brauchen Unmengen an Wasser. Und die Temperaturen dürfen nicht über minus drei Grad Celsius liegen. Die Zeitfenster werden immer kleiner – auch in Zermatt.
Ob Skifans auf Dauer Lust haben, auf schmalen Kunstschnee-Bändern ins Tal zu wedeln, wird sich zeigen. Die Größe der Berge kann man, wie Reinhold Messner sagt, erst ermessen, wenn man sich ihnen zu Fuß nähert.
Künftig wird es auf nachhaltige Ideen ankommen: So musste sich Mallnitz in Kärnten neu erfinden. Seit die Skibegeisterten in andere Orte weiterzogen, setzt man auf sanften Tourismus. Der Intercity hält am Bahnhof und man wandert auf Winterwegen.
Die Hälfte des Skigebiets ist mit Naturschnee bedeckt, der die Freerider lockt, die keine Lust auf Kunstschnee haben. Derweil starren die Touristen in Zermatt auf den Gletscher unter ihrer Gondel wie auf einen Dickhäuter im Zoo, der in der Wildnis längst bedroht ist.