Vor vier Jahren hat ein deutsches Paar nach eigener Aussage in der Schweiz sein behindertes dreijähriges Kind getötet. Die Familie lebte in Hägglingen, gut 25 Kilometer südlich von Waldshut-Tiengen. Die Staatsanwaltschaft hat die 32-jährige Mutter und den 34-jährigen Vater wegen Mordes angeklagt. Am Montag begann in Bremgarten im Kanton Aargau der Prozess. Auch die Großmutter des getöteten Mädchens ist angeklagt.
Drogen im Fläschchen
Am 6. Mai 2020 mischten die Eltern ihrer Tochter offenbar Drogen in den Schoppen. „Sie trank ein paar Schlucke und spuckte dann“, sagt die Mutter vor Gericht, wie Reporter der ‚Aargauer Zeitung‘ von der Verhandlung berichten. Das Mädchen sei dann benommen gewesen, hätte nicht mehr auf die Eltern reagiert, so die Mutter weiter. Geweint oder gelitten habe es nicht. Als ihr Atem immer schwächer wurde, habe der Vater ihr die Atemwege mit einem Tuch zugehalten, bis seine Partnerin sagte, das Herz schlage nicht mehr, sagte der Vater des getöteten Mädchens im Prozess aus.
Nachdem ihr Kind nicht mehr atmete, hätten sie geweint, sie in ihr Bettchen gelegt und zugedeckt, schilderte die Mutter. Sie habe ihrem Kind einen Brief geschrieben, um sich zu verabschieden und ihn danach verbrannt.
Was hat die Eltern zu diesem Schritt getrieben?
Die Dreijährige war mit einer zerebralen Erkrankung auf die Welt gekommen und brauchte intensive Pflege. Nach Aussage der Mutter hatte sie ständig Schmerzen. Sie und ihr Freund hätten deshalb beschlossen, das Kind zu „erlösen“.
Sie hätten versucht, ihr mit Therapien und Ärzten zu helfen, sagt die Mutter vor Gericht. „Aber es ging ihr einfach nicht gut. Sie hatte kein Leben, das ein Leben hätte werden können. Da wussten wir, dass wir ihr so helfen möchten und ihr das Leid ersparen.“
Einschränkungen im Alltag
Die Staatsanwaltschaft sieht das anders. Die Eltern hätten die Einschränkungen, die der Alltag mit ihrer Tochter mit sich brachte, als „mühsam und belastend“ empfunden, zitiert die „Aargauer Zeitung“ aus den Anklageschriften. Das Mädchen sei ihnen „lästig geworden“.
Sie hätten die eigenen Interessen an einem ungestörten Leben höher gewichtet als das Leben ihres Kindes. Zudem hätten sie aktiv verhindert, dass es ihrer Tochter besser gehe. Demnach sagten sie das Einsetzen einer Magensonde ab. Auch externe Hilfe sollen sie mehrfach abgelehnt haben.
Ärzte hätten mit Fortschritten gerechnet
Auf Fragen der Gerichtspräsidentin nach dem Gesundheitszustand des Mädchens, sagte die Mutter, sie habe eine Beckenfehlstellung gehabt, hätte operiert und geschraubt werden sollen. Außerdem habe sie nicht schlucken können und immer wieder Krämpfe und Probleme mit dem Zahnfleisch gehabt. Demnach hätte keine Verbesserung des Gesundheitszustands erreicht werden können.
Dagegen sagt die Gerichtspräsidentin, die Ärzte hätten ausgesagt, es habe mit Fortschritten gerechnet werden können. „Das wurde mir so nie gesagt“, entgegnete die Mutter.
„Ich habe meine Tochter nicht ermordet, ich habe ihr damit geholfen. Für mich ist es deshalb in Ordnung, heute hier zu sein“, so die Mutter vor Gericht. Sie leide immer noch unter dem Verlust ihrer Tochter. Doch sie würde ihre Tochter heute wieder töten und dabei gleich vorgehen. Das Urteil soll am Freitag fallen. Dem Paar drohen bis zu 18 Jahre Haft und 15 Jahre Landesverweis.
Großmutter angeklagt
Neben der Mutter und ihrem Freund ist auch die Großmutter wegen Beihilfe angeklagt. Laut „Aargauer Zeitung“ fordert die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und 15 Jahren Landesverweis. Die Eltern informierten demnach die Großmutter darüber, dass sie das Mädchen töten wollen. Diese habe jedoch offenbar nicht versucht, sie umzustimmen. Sie wies den Vater laut Anklage darauf hin, „dass bezüglich der Tötung keine Fehler passieren dürfen“. Vor Gericht sagte die Großmutter, sie vermisse ihre Enkelin jeden Tag. Sie denke auch oft darüber nach, ob sie anders hätte reagieren können. Zur geforderten Freiheitsstrafe sagt sie: „Ich weiß nicht, wofür.“