Es ist die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm: Die schweren Geräte sind inzwischen weggeräumt. In Spitzenzeiten arbeiteten hier fünfzig Personen und bahnten sich den Weg frei. Über 1100 Betonpfähle wurden nach dem Baustart im Januar 2020 in die Erde versenkt, 95.000 Kubikmeter Aushub abtransportiert, mehr als 35 Kilometer Kabel verlegt. Wo während drei Jahren Baumaschinen sich durch den Berg gefressen haben, präsentiert sich jetzt eine fast klinisch reine Umgebung.
Das Herzstück der Umfahrung
Die 530 Meter lange Röhre ist hell erleuchtet. Sie ist das Herzstück der Ostumfahrung, die das Zentrum von Bad Zurzach in wenigen Wochen nachhaltig vom Verkehr entlasten soll. 8000 Fahrzeuge werden dann täglich, so die Schätzungen, unterirdisch am Ortskern des Fleckens bei einem Höchsttempo von 60 Stundenkilometern vorbeigeschleust.
Diese Arbeiten stehen noch an
Auch an diesem Morgen herrscht Betriebsamkeit. Zu hören sind aber keine Motorengeräusche, sondern Stimmengewirr. Handwerker, die sich mit Kabeln beschäftigen, Angestellte des Kantons und der Gemeinde, die sich beim Eingang zum Nordportal zur Abnahme Wasserversorgung versammelt haben. „Wir sind im Zeitplan. Bis zur Inbetriebnahme am 5. Juni stehen noch kleinere Arbeiten und sogenannte Integraltests an“, sagt Gesamtprojektleiter Guido Sutter.
Im Mai werden die Belüftung, das Brandsystem, die Rauchmelder, die Videoanlage einer abschließenden Prüfung unterzogen. Damit der Tunnel betriebsbereit ist, müssen außerdem die Bodenmarkierungen noch aufgetragen werden – und ganz zum Schluss werden Decke und Wände festgerecht gereinigt.
Ein Projektleiter mit viel Erfahrung
Guido Sutter ist Projektleiter des Zurzacher Jahrhundertbaus. Er arbeitet seit 2006 für den Kanton in der Sektion Brücken und Tunnel. Davor betreute er bei den SBB Großprojekte, unter anderem die Linie Winterthur–Schaffhausen, die damals für den Halbstundentakt ausgebaut wurde.
Der Große Rat macht den Weg frei
Seit der Große Rat 2013 den Kredit für die Ostumfahrung im Bezirkshauptort gesprochen hat, trägt Sutter die Verantwortung. Auch für ihn, mit über 30 Jahren Berufserfahrung, war die Umsetzung eine außerordentliche Herausforderung. Etwa 70 Prozent seines Arbeitspensums sind in dieser Zeit für die Realisierung des 85 Millionen teuren Baus eingeflossen. „Es ist mit das größte und aufwendigste Projekt, das ich bisher betreut habe“, sagt der 58-Jährige.
Die Geologie, Corona und die Teuerung
Es seien einige Hürden gewesen, die sich in den Weg gestellt haben, blickt Guido Sutter zurück. „Die geologische Komplexität war nur ein Punkt, der uns vor große Aufgaben gestellt hat.“ Er war mit ein Grund, dass zwei Mal ein Nachtragskredit beantragt werden musste. Aber auch die galoppierende Teuerung, die Coronapandemie und die daraus entstehenden Lieferengpässe waren bei Baubeginn nicht absehbar beziehungsweise planbar. Beispielsweise bei Randsteinen aus Portugal, die nicht termingerecht eintrafen.
Zu Fuß durch die imposante Röhre
Sutter macht sich vom Knoten Glocke zu Fuß auf in den Tunnel Richtung Zurziberg. Er taucht in die imposante Röhre ein, die eine Grundbreite von elf Metern hat und eine Höhe von 5,2 Metern aufweist. Der Belag besteht aus Gussasphalt, einer Mischung aus Gesteinskörnungen und hartem Straßenbaubitumen, die besonders abriebfest ist. Man habe sich für diese Unterlage wegen der Neigung in den Kurven von bis zu sieben Prozent entschieden, sagt Guido Sutter.
In einer Rechtskurve den Berg hinauf
Dass eine gute Haftung von Vorteil ist, wird auch einem Laien schnell klar: Die Straße schlängelt sich in einer lang gezogenen Rechtskurve den Berg hoch. Die maximale Steigung beträgt zehn Prozent. „Diese Linienführung war vorgegeben durch die Geologie und die Gebäude in Tunnelnähe“, erklärt Guido Sutter.
Notausgänge und Fluchttreppen
Er stoppt und öffnet in der Tunnelmitte eine Türe. Es ist einer von fünf Notausgängen. Drei auf der rechten, zwei auf der linken Seite. Sollte es zu einem Unfall oder einem Brand im Tunnel kommen, führen die Fluchttreppen hier ins Freie. „Wird ein Alarm ausgelöst, stellt die Kantonale Zentrale in Aarau nötigenfalls an den beiden Portalen die Lichtsignale auf Rot und stoppt den Verkehr“, sagt Guido Sutter.
Die Anwohner sitzen mit im Boot
Wir erreichen den Tunnelausgang am Fuß des Zurzibergs. Rechts trennen Lärmschutzwände die Straße von den Wohnhäusern. Dass die Anwohner mit dem Bau und den künftigen Bauten nicht nur Freude hatten, sei nachvollziehbar, sagt Sutter. „Es habe aber während der ganzen Zeit einen Austausch gegeben, der von Verständnis und Respekt geprägt war.“ Das sei nicht selbstverständlich, lobt er die Bevölkerung und die Gemeinde. Er spricht aus Erfahrung.
Und schon winkt das nächste Projekt
Mit der Eröffnung der Ostumfahrung ist Sutters Wirken in Bad Zurzach nicht beendet. Er beschäftigt sich bereits mit dem nächsten Projekt, das diesen Herbst im Bezirkshauptort startet. Dann wird die Nordumfahrung entlang des Rheins mit dem dem 1,2 Kilometer langen Tunnel saniert. Die Arbeiten werden bis August 2025 dauern. Die Ost-West-Achse wurde zwischen 1985 und 1989 erstellt, mit dem gleichen Ziel wie heute, den Flecken vom Verkehr zu beruhigen.
Der Autor ist Redakteur der „Aargauer Zeitung“. Dort ist dieser Beitrag auch zuerst erschienen.