Ein strikter Vertreter von Recht und Ordnung stand wegen einfacher Körperverletzung in Baden vor Gericht. Auf die Palme gebracht hatte ihn vor einem Jahr ein Mann, der die Corona-Verordnung missachtete. Und vor Gericht gab er einer Schar von Kantischüler gar einen Ratschlag auf den Weg.
1700 Franken Buße, 8700 Franken auf Bewährung
Ein Samstagvormittag im April 2021 im Tankstellenshop an der Autobahnraststätte Würenlos: Mit einer gebrochenen Nase ist Bayram (Name geändert) k. o. Ein halbes Jahr später wird Fritz wegen einfacher Körperverletzung per Strafbefehl von der Badener Staatsanwaltschaft zu einer bedingten Geldstrafe von 8700 Franken sowie einer Buße von 1700 Franken verknackt.
Dagegen erhebt der 56-Jährige Einspruch
Das lässt einer wie Fritz nicht auf sich sitzen, sondern erhebt Einspruch. So muss er denn vor dem Bezirksgericht Baden antraben. Der Verhandlung vor Einzelrichterin Angela Eckert wohnen 20 Schüler der Kantonsschulen Baden und Wettingen bei. Besonders viel aufzuschreiben gibt es für sie zwar nicht, aber nach rund 40 Minuten stehen auf ihren Notizblöcken immerhin einige beachtenswerte Zitate von Fritz.
Alles im Namen von Recht und Ordnung
Bezüglich der richterlichen Fragen zur Person ist der 56-jährige Handwerker mit höherer Zusatzausbildung nicht sehr redselig. Doch als es um Bayrams gebrochene Nase geht, kommt Fritz ganz schön in Fahrt. Denn Recht und Ordnung – das wird umgehend klar – liegen dem Mann mit dem markanten Schnauz und imposanten Bauch sehr am Herzen.
Er spielt an der Zapfsäule den Ordnungshüter
Er habe, so Fritz, getankt gehabt, der andere zwei Säulen vor ihm ebenfalls. Dann sei der andere ganz nah an ihm vorbei gegangen. „Er hat voll die herrschenden behördlichen Corona-Verordnungen missachtet“, berichtet Fritz mit donnernder Stimme und einen A4-Ausdruck des Erlasses demonstrativ in die Höhe haltend. Und weiter: „Ich habe den Mann mit meiner Schulter weggestoßen, worauf der sich mir so richtig aggressiv zuwandte. Ich habe vom Beruf her Erfahrung mit diesen Typen. Die sind bewaffnet, tragen meistens Stichwaffen mit sich.“
Eine Kopfnuss aus heiterem Himmel
Fritz hatte Bayram sozusagen aus heiterem Himmel eine Kopfnuss verpasst. „Ich musste mich wehren. Das war reiner Selbstschutz.“ Wegen des daraus resultierenden Nasenbeinbruchs war Bayram – ärztlich attestiert – zwei Wochen zu 100 Prozent arbeitsunfähig. Auf die Frage von Gerichtspräsidentin Eckert, was Fritz hierzu meine, kontert der 56-Jährige gehässig: „Fußballer spielen auch mit gebrochener Nase – aber solche wie der nicht.“
Der Rat an die jungen Zuhörer im Saal
Immer mehr gerät Fritz in Rage: „Ich bin kein Schläger. Im Gegensatz zu ihm habe ich mich an die damals geltenden Vorschriften gehalten. Hätte er das auch getan, wäre nichts passiert.“ Und an die Schüler gewandt beklagt er sich, dass immer mehr Leute nicht mehr einstehen für das, was gilt. Ich habe Zivilcourage gezeigt und ihr müsst euch auch gegen Unrecht wehren.
Am Ende bleibt ihm nur die Genugtuung
Als die Gerichtspräsidentin dem Anwalt von Fritz das Wort fürs Plädoyer erteilt, übergibt dieser ihr wortlos ein Schreiben, in dem sein Mandant den Rückzug seines Einspruchs erklärt. Damit muss Fritz nebst Buße, Strafbefehlsgebühr und Kosten in Gesamthöhe von 2623 Franken auch noch die Verhandlungskosten berappen.
Dafür hat der Vater von drei längst erwachsenen Kindern immerhin die Genugtuung, 20 Schülern einen nachhaltigen Ratschlag mit auf den Weg aus dem Gerichtssaal gegeben zu haben.
Die Autorin ist Mitarbeiterin der „Aargauer“ Zeitung“. Dort ist dieser Beitrag auch zuerst erschienen.