Es ist der fünfte Verhandlungstag in dem Prozess gegen einen 39-jährigen Mann aus Lettland, die Anklage lautet auf Totschlag. Um herauszufinden, welche Beziehung Opfer und mutmaßlicher Täter zueinander hatten – oder, wie sich der Abend der Tat abgespielt haben könnte – wird unter anderem der Bruder des Getöteten als Zeuge vernommen.

Damit sagt vor Gericht erstmals ein Angehöriger des Opfers aus. Er und sein Bruder seien zu einer Technoparty im schweizerischen Eglisau eingeladen gewesen, berichtet der Zeuge. Die Party sollte am 10. Juni stattfinden. Eigens dafür war sein Bruder schon zwei Tage früher mit dem Zug aus St. Gallen angereist.

Eine Zwischenübernachtung hatte er an der Badestelle in Jestetten vorgesehen, die rund zehn Kilometer Luftlinie von Eglisau entfernt liegt. Eine weitere Nacht wollte er gemeinsam mit seinem Bruder im Zelt verbringen. Dazu sollte es jedoch nicht mehr kommen. Denn an jenem Abend des 8. Juni wurde der 31-Jährige mit einem Holzscheit brutal erschlagen.

Wenige Stunden vor der Tat, am späten Nachmittag, hätten sie noch per Videoanruf telefoniert, berichtet der Bruder weiter. „Da war er schon in Jestetten am Badeplatz.“ Er habe gute Laune gehabt, sich gefreut, dort zu sein, und auch auf das geplante Wochenende, erinnert sich der 33-Jährige.

Handydaten deuten auf Todeszeitpunkt hin

Um 20 Uhr verabreden sie über WhatsApp den Treffpunkt für die geplante Übernachtung im Freien, um kurz nach 21 Uhr schickt der Getötete seinem Bruder ein Video, es zeigt die Badestelle. Es war der letzte Kontakt zwischen den beiden Männern.

Wenig später, um 21:43 Uhr, verliert das Handy des Wildcampers die Verbindung zum Netz. Das bestätigt ein Kriminalbeamter aus Waldshut-Tiengen, der sich insbesondere mit der Handy-Auswertung des Opfers befasst hatte. Der 45-Jährige vermutet, dass das Gerät zu diesem Zeitpunkt in den Rhein geworfen wurde – dort, wo es die Polizei später fand.

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Das letzte Mal aktiv genutzt wurde das Smartphone laut dem Zeugen zwei Minuten früher. Wahrscheinlich habe der Wildcamper Musik gehört, kurz bevor er getötet wurde, so der Zeuge. Die Kopfhörer waren beim Auffinden des Handys noch eingesteckt. „Dann hätten wir eine Lücke von zwei Minuten“, stellt der Richter fest. Aufgrund der sehr kurzen Zeitspanne zwischen der letzten aktiven Nutzung und dem Signalverlust des Handys geht der Beamte davon aus, dass das Gerät nach der Tat noch einmal entsperrt wurde.

Keine Erklärung für Auffindesituation

Die Handydaten sind nicht das einzige, was das Gericht an diesem Tag erneut mit offenen Fragen zurücklässt. Wegen der „seltsamen Auffindesituation“ des Opfers, wie der Richter sie nennt, müsse er dessen Bruder auch ein paar „komische“ Fragen stellen. Zur Erinnerung: Der Leichnam des 31-jährigen Wildcampers wurde am morgen nach der Tat am Ufer des Rheins gefunden. Auffällig war, dass er zwar Schuhe trug, die Jeans und die Unterhose jedoch bis zu den Knien heruntergezogen war.

„Haben Sie für die Auffindesituation eine Erklärung?“, will Martin Hauser von dem 33-Jährigen wissen. Dieser verneint. Ebenso wenig könne er sich vorstellen, dass sein Bruder an homosexuellen Kontakten interessiert war.

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Auf weitere Nachfrage versichert der Zeuge zudem, sein Bruder hätte niemals jemanden körperlich angegriffen. Auch nicht dann, wenn ihm der Platz an der Badestelle streitig gemacht würde. „Eher hätte er andere eingeladen, als sie wegzuschicken“, so der 33-Jährige. Sein Bruder sei „offensiv kommunikativ“ gewesen, er habe sich gern mit Fremden unterhalten.

Feinde habe der junge Mann nicht gehabt. Warum er sterben musste, ist bis heute unklar. Täter und Opfer sollen sich an jenem Abend zum ersten Mal begegnet sein.

Verrät die Lebensgefährtin den Angeklagten?

Der Mann, der die Wahrheit kennen könnte, schwieg bisher zu den schweren Vorwürfen. Ausgerechnet die Lebensgefährtin des Angeklagten lieferte der Polizei jedoch ein weiteres Detail, das für die Täterschaft des 39-Jährigen sprechen könnte. Bei ihrer Vernehmung mit lettischen Behörden habe die Frau von einem Telefonat mit dem Angeklagten berichtet, sagt der zuständige Kriminalbeamte aus.

Das Gespräch habe am Vormittag des 10. Juni, also zwei Tage nach der Tat, stattgefunden, so die Frau. Dabei habe der Angeklagte ihr erzählt, dass es einen Mord in seiner Nähe gegeben habe. „Zu dem Zeitpunkt war aber noch gar nicht öffentlich bekannt, dass es einen Mord gegeben hat“, so der Zeuge. Die erste Pressemeldung der Staatsanwaltschaft sei zwar am selben Tag, allerdings erst gegen 17 Uhr veröffentlicht worden.

Am Dienstag, 16. Januar, soll weiter über die Sache verhandelt werden. Die Urteilsverkündung ist auf den 23. Januar angesetzt.