„Hello Schweiz, don‘t worry – wir sind zurück mit euren Lieblingsprodukten.“ Mit diesen Worten kündigte Andy Macht im Corona-Sommer 2020 auf Darknet-Marktplätzen seine Rückkehr an. Der 49-jährige Deutsche ist der Kopf eines Schwarzwälder Drogenrings, sein wortspielerischer Name ein Pseudonym im Darknet.
Der Werdegang des Südbadeners entspricht so gar nicht dem Klischee eines Drogenbosses: Er wurde in einem der wohlhabendsten Vororte von Paris geboren, wuchs in Afrika auf und kam erst als Jugendlicher nach Deutschland. Später schloss er ein Studium der Angewandten Mathematik in den USA ab und arbeitete als Finanzanalyst. Wann genau er auf die schiefe Bahn geriet, ist unklar.
Einschlägig vorbestraft
Das Amtsgericht Freiburg im Breisgau, wo der Angeklagte zuletzt auch wohnte, verurteilte ihn 2017 wegen „Drogenhandels in nicht geringer Menge“ zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bei einer Bewährungszeit von zwei Jahren. Seit drei Jahren befindet er sich im vorzeitigen Strafvollzug im größten Gefängnis der Schweiz, der Justizvollzugsanstalt (JVA) Pöschwies im Kanton Zürich.
„Ich bin wegen einer Dummheit straffällig geworden“, sagt der 49-Jährige nun Schweizer Richtern ohne Näheres zu erläutern. Vor dem Gericht in Zürich muss er sich derzeit zusammen mit einem 36- und einem 27-jährigen Landsmann – beide wie er aus dem Schwarzwald – erneut wegen Drogenhandels sowie Geldwäscherei verantworten. Im Fall einer Verurteilung drohen eine Gefängnisstrafe von 14,5 Jahre und zehn Jahre Landesverweisung aus der Schweiz.
„Koksisland“ und „Cryptonia“ im Darknet
Er soll 13 Kilogramm reines Kokain, 34 Kilo Marihuana und Haschisch, 560 Gramm halluzinogene Pilze sowie rund 6300 Ecstasy-Tabletten in Freiburg und Basel beschafft haben. Über Kuriere ließ er die Drogen über die deutsch-schweizerische Grenze transportieren. Auf Darknet-Marktplätzen wie „Koksisland“ oder „Cryptonia“ sowie über Messengerdienste wie Wickr verkaufte er sie gegen Kryptogeld.
Mindestens 500 Abnehmer gibt es in der Schweiz. Sie gaben rund 2000 Bestellungen auf. Die Ermittler sind davon überzeugt, dass der 49-Jährige damit von 2018 bis zu seiner Verhaftung 2022 mehr als 1,8 Millionen Franken eingenommen hat.
Dabei hatte Andy Macht scheinbar an alles gedacht: Er und sein 36-jähriger Komplize verschleierten mit speziellen Programmen ihre Identität und kommunizierten mit verschlüsselten Messengern. Dennoch flogen sie auf.
Ein Cyberfahnder der Kantonspolizei Zürich kaufte im Herbst 2020 beim Bandenkopf zum Schein 11 Gramm Kokain und Marihuana. Zum Nachweis für den Reinheitsgehalt der Drogen sandte der 49-Jährige dem vermeintlichen Kunden ein Foto mit einem offiziellen DIZ-Testergebnis.
In den Metadaten der Bilddatei stießen die Ermittler auf den echten Namen von Andy Macht. Daraufhin wurden er und seine Komplizen knapp zwei Jahre lang abgehört und observiert, bevor sie im Mai 2022 verhaftet wurden.
Im Darknet mit Reinheit dank Labortests geworben
Bevor der Hauptbeschuldigte größere Mengen Drogen ankaufte, schickte er gemäß Anklage seinem 36-jährigen Komplizen regelmäßig kleinere Proben Kokain und Ecstasy per Post. Diese brachte der Helfer zum Drogeninformationszentrum (DIZ) der Stadt Zürich, um sie kostenlos und anonym auf ihre Reinheit testen zu lassen.
Gemäß Staatsanwaltschaft konnten 70 DIZ-Proben den beiden Beschuldigten zugeordnet werden. Andy Macht warb auf den Darknet-Marktplätzen damit, nur Drogen mit 90-prozentiger Reinheit zu verkaufen und diese in Labors testen zu lassen.
Laut einer Sprecherin der Stadt Zürich kursieren im Darknet Pseudo-Qualitätszertifikate, mit denen Substanzen fälschlicherweise mit einer Art Label „In Drug Checkings getestet“ verkauft werden. „Das bedeutet aber noch lange nicht, dass der Inhalt wirklich stimmt“, schreibt die Sprecherin.
Komplize direkt am Arbeitsplatz verhaftet
Neben den DIZ-Proben hatte der 36-jährige Komplize aus dem Schwarzwald eine weitere Aufgabe: Er lagerte die gelieferten Drogen in seiner Wohnung. Dort portionierte und verpackte er sie in kleine Beutel – sogenannte Minigrips. Dann sendete er sie per Post an die zahlreichen Käufer.
Er hatte seinem Komplizen die Hälfte des Gewinns versprochen. Dennoch zog sich dieser schrittweise aus dem Drogengeschäft zurück, bevor er 2022 fast zeitgleich wie der Bandenkopf festgenommen wurde. „Man kommt zum Arbeitsplatz und wird direkt verhaftet, das war unschön“, schildert der 36-Jährige vor Gericht. Die Staatsanwältin beantragte für ihn eine Gefängnisstrafe von fünf Jahren und eine Landesverweisung von sieben Jahren.
Beide Männer zeigten sich großteils geständig, nur die angeklagten Drogen- und Geldmengen zogen sie und ihre Verteidiger in Zweifel. Laut dem Anwalt des Hauptbeschuldigten soll ab 2021 eine „Gang“ seinem Mandanten mit Gewaltdrohungen einen Großteil des Drogengeldes abgepresst haben. Zudem habe er Scheinkäufe auf den Darknet-Marktplätzen durchgeführt, um die Bewertungen in die Höhe zu treiben.
Drogen mit Geschenkpapier getarnt
Der dritte Beschuldigte aus dem Südschwarzwald und dessen damalige Lebensgefährtin wurden als Kuriere für rund 30 grenzüberschreitende Fahrten angeheuert. Der 27-Jährige erklärte vor Gericht, nicht gewusst zu haben, dass sich in den mit Geschenkpapier verpackten Schachteln Drogen befanden. Laut Anklage soll er für die Schmuggelfahrten den Dienstwagen und die Uniform eines Sicherheitsunternehmens, für das er damals arbeitete, genutzt haben.
Dem Studenten drohen bei einer Verurteilung eine Gefängnisstrafe von 4,5 Jahren und eine Landesverweisung von fünf Jahren. Gegen seine Ex-Freundin läuft ein separates Verfahren. Die Urteile gegen die drei Deutschen werden Mitte Juni erwartet.