Die wohlhabende Schweiz ist kein gutes Pflaster für Bettler: Die meisten Kantone schränken das Betteln stark ein – oder untersagen es. In Zürich, dem größten Kanton des Landes, ist Betteln grundsätzlich verboten. Seit einigen Monaten nun geht der Grenzkanton Basel-Stadt noch einen Schritt weiter: Die Behörden weisen bettelnde Ausländer ohne gültige Aufenthaltserlaubnis aus der Eidgenossenschaft aus.

Die „Wegweisungen“ treffen zumal bettelnde Menschen aus Osteuropa. Damit will der Kanton gegen das bandenmäßige und aggressive Betteln vorgehen, das viele Basler beängstigt.

Schon 2021 schlug die Wirtschafts- und Kunstmetropole am Rhein einen harten Kurs gegen Bettler ein – ein ausgedehntes Bettelverbot trat in Kraft. Das Verbot gilt innerhalb von fünf Metern um Ein- und Ausgänge etwa von Bahnhöfen, Geschäften und Haltestellen. Ebenso ist unter anderem auf Märkten, in Parks und Unterführungen das Bitten um Geld untersagt.

Deutlich weniger Bettler

„Die Anzahl bettelnder Personen hat sich seit der Einführung des ausgedehnten Bettelverbots sowie seit der Praxisänderung bei Personen ohne gültigen Aufenthaltstitel stark verringert“, sagt Rahel Walser vom Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons. Vor allem schrumpfte die osteuropäische Bettlerpopulation in Basel stark. Innerhalb weniger Monate ging sie laut Recherchen des Schweizer Senders SRF von 170 auf 15 bis 20 zurück.

Die Behörden in Basel berufen sich bei den Wegweisungen von Bettlern auf ein Urteil des Bundesgerichts, der obersten Schweizer Justizinstanz. „Mittellose Personen aus EU-Staaten oder Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation, die einzig zum Betteln in die Schweiz einreisen, erfüllen gemäß Urteil des Bundesgerichts vom 13. März 2023 die Einreisevoraussetzungen nicht“, erklärt Rahel Walser, Referentin beim Justiz- und Sicherheitsdepartement Basel-Stadt.

In Basel fordern Polizisten seitdem die Bettler formlos auf, so schnell wie möglich aus der Schweiz auszureisen. Diese Anweisung spielen sie auf Audiogeräten in der entsprechenden Landessprache ab. „Erst wenn diese der Aufforderung nicht nachkommen, werden sie per Verfügung vom Migrationsamt weggewiesen“, sagt Walser. Verlassen die Weggewiesenen das Land immer noch nicht, droht ihnen Haft. Anschließend warten eine zwanghafte Abschiebung und eine Einreisesperre auf sie.

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Ist die Auslegung richtig?

Rechtsanwalt Christian von Wartburg legt das Urteil des Bundesgerichts jedoch anders aus. „Bürger aus dem Schengen-Raum, zu dem die meisten Länder der EU gehören, dürfen frei in die Schweiz einreisen“, sagt das Mitglied der demokratischen Juristinnen und Juristen der Schweiz. „Nur weil sie betteln, können wir sie nicht wegweisen“, erklärt der Jurist.

Eine abschließende Klärung müsse vor Gericht erfolgen. Allerdings findet sich kein Beschwerdeführer unter den Bettlern. Sie sind entweder weggewiesen worden oder wollen sich keinen Ärger mit der Schweizer Justiz einhandeln.

„Weil sie das Stadtbild stören“

Die Schweizer Hauptstadt Bern greift schon seit Jahren hart gegen bettelnde Ausländer durch – Wegweisung inbegriffen. Dabei schießen die Behörden laut dem Streetworker Michel Steiner vom Verein „Schwarzer Peter“ mitunter weit über das Ziel hinaus: „Es ist beschönigend, zu behaupten, es gehe dabei ums Betteln. Es werden generell viele Menschen mit einem Verbot belegt, einfach weil sie das gewünschte Stadtbild stören“, sagt Steiner im SRF.

Kritiker wie Steiner befürchten, dass die rigide Politik des „City Cleaning“ in Basel-Stadt und Bern von weiteren Kantonen oder Kommunen kopiert werden könnte. Die Schweiz dürfte dann noch ungemütlicher für Menschen am unteren Rand der Gesellschaft werden. „Die Behörden sorgen mit sehr harten Mitteln dafür, dass Armut unsichtbar wird“, erklärt Rechtsanwalt von Wartburg. „Die Bettler tauchen dann an anderen Stellen auf.“

Der Sozialdemokrat von Wartburg und Vertreter anderer linker Parteien plädieren für eine „Art Hausordnung für das Betteln“. Bettelnde aus dem In- und Ausland sollten mit leichtem Druck zu sozial verträglichen Verhaltensweisen veranlasst werden. Von Wartburg weist daraufhin, dass die Bettelei durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt sei: „Jedem Menschen ist es erlaubt, auf seine prekäre Lage aufmerksam zu machen und andere Menschen um Hilfe zu bitten.“