Musste eine junger Mensch sterben, weil er mehr besessen und ein besseres Leben als sein Kumpel geführt hatte? Qualvoll, alleine, eingesperrt in einer Höhle am Bruggerberg. Dafür sitzt sein angeblicher Freund nun auf der Anklagebank.

In der auch dem SÜDKURIER vorliegenden Anklageschrift gibt die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach nun Details zu dieser grausamen Tat bekannt.

So pflegten sie ihre Freundschaft

Der Beschuldigte und das 24-jährige Opfer hatten sich demnach im Dezember 2018 kennengelernt und schnell Freundschaft geschlossen. Insbesondere auf Initiative des Angeklagten unternahmen sie laut Anklageschrift gemeinsame Ausflüge. Weil der Angeklagten finanziell schlechter gestellt war, lud das Opfer ihn oft ein.

Der Beschuldigte empfindet zunehmend Neid

Die Freundschaft bekam offensichtlich bald Risse. Der Beschuldigte habe zunehmend Neid und Eifersucht empfunden, heißt es in der Anklage. Und weiter: Aus seiner Perspektive hatte sein Freund alles, konnte sich viel mehr leisten und genoss ein viel besseres Leben.

War das schon dessen Todesurteil?

Ein bizarres Spiel

Die Geschichte wurde laut Anklage immer bizarrer. Um den gemeinsamen Treffen einen Kitzel zu verleihen, dachte sich der Beschuldigte zwischen Januar und April 2019 ein Spiel aus. „Letztlich auch, um das Opfer an seine Grenzen zu bringen und zu plagen“, schreibt die Staatsanwältin weiter.

So sollte der später zu Tode gekommene Freund diverse Herausforderungen meistern. Er sollte Mut, Geschicklichkeit oder Kraft beweisen.

Der Angeklagte sei zumindest davon ausgegangen, dass sein Freund keinen Spaß dabei haben würde. Er habe ausgenutzt, dass das Opfer sich aufgrund der Freundschaft und des Vertrauensverhältnisses grundsätzlich ohne Widerstand den Wünschen des Beschuldigten füge.

Darum kann er Druck machen

Der Angeklagte erkannte laut Anklage offensichtlich, dass er seinen vermeintlichen Freund herumkommandieren und beeinflussen konnte, und er drohte demnach, die Freundschaft zu beenden, wenn das Opfer die Herausforderungen nicht schafft.

Er konnte wohl Druck aufbauen, weil sein Freund, wie er selbst, über keinen großen Freundeskreis verfügte.

Der Tattag: Was am 7. April 2019 geschehen sein soll

Wie die Staatsanwältin schreibt, drohte der Beschuldigte am Tattag, am 7. April 2019, erneut mit dem Verlust der Freundschaft. Die beiden verabredeten sich nach den Schilderungen des Tathergangs am Tag zuvor, um eine noch offene Mutprobe zu bestehen.

Das Opfer meldete sich am Morgen der Tat um 7.08 Uhr beim Beschuldigten und teilte ihm die Zugverbindung mit.

Streit am Bruggerberg

Die beiden trafen sich etwa um 10.40 Uhr beim Bahnhof in Brugg. Zwischen 10.40 und 14 Uhr sollen sie, auf Geheiß des Beschuldigten, auf den Bruggerberg marschiert sein.

Sie hätten sich kurzzeitig getrennt.

Weil das Opfer eine Übung nicht schaffte, kam es zum Streit. Um 14.09 Uhr schrieb der Beschuldigte seinem Freund, dass er aus dem Spiel geflogen war – außer er wiederholt die Aufgabe.

Sie trafen kurz danach wieder aufeinander. Der Beschuldigte führte das Opfer über den Bruderhausweg und einen Pfad hinauf zur Sandsteinhöhle am Bruggerberg. Er schlug eine weitere Mutprobe vor: Jeder sollte alleine, ohne Uhr, zehn Minuten in der Höhle verharren.

Warum das Opfer zuerst hineinkriecht

Der Beschuldigte setzte seinen Freund abermals unter Druck, damit der als erster hineinkroch. Das Opfer deponierte sein Mobiltelefon, seine Armbanduhr und Jacke vor der Höhle.

Laut Anklageschrift zwängte er sich zwischen 14.15 und 14.28 Uhr durch eine 30 Zentimeter hohe und 50 Zentimeter breite Öffnung in die Höhle.

Der Beschuldigte wartete ein paar Minuten, erblickte über der Höhle loses Gestein, und er beschloss, das Opfer in der Sandsteinhöhle einzuschließen. So ist es in der Anklageschrift zu lesen. Der Freund in der Höhle sei in Panik geraten, habe gefleht, die Höhle wieder freizulegen.

Der Beschuldigte schüttete den Eingang aber über mehrere Stunden weiter zu – bis er sein Opfer nicht mehr hören konnte.

Während drinnen das Opfer mit dem Tod rang, entfachte der Beschuldigte auf dem aufgeschütteten Höhleneingang ein Feuer und grillte eine Cervelat, heißt es in der Anklage. Er kam am Folgetag und ein halbes Jahr später noch einmal zurück und schüttete noch mehr Material auf.

Erst ein Jahr später, am 5. April 2020, legte eine ortskundige Familie den Höhleneingang am Bruggerberg frei und fand die sterblichen Überreste des jungen Manns.

Der Beschuldigte wurde später festgenommen, und er legte ein Geständnis ab.

Das könnte Sie auch interessieren

So qualvoll stirbt der junge Mann

Die Staatsanwaltschaft schreibt in der Anklageschrift: „Das Opfer befand sich am 7. April 2019 ab etwa 14.30 Uhr alleine, lediglich mit T-Shirt, eventuell einem Schal, einer Stoffhose, Unterhose, Socken und Turnschuhen bekleidet in der etwa 8,7 bis 12,7 Grad kalten Höhle, in der es keinen zweiten Ausgang gibt.“ Der Mann soll im Zeitraum von mehreren Stunden bis zu über einem Tag an Unterkühlung gestorben sein.

Schon eine Woche zuvor wollte der Beschuldigte laut Angaben der Staatsanwaltschaft seinen Freund bei einem Ausflug ins Tessin umbringen. Er soll ihn vom Berggrat einen steilen Abhang hinunter gestürzt haben. Damals habe das Opfer noch Glück gehabt.

Das beantragt die Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaft beantragt wegen Mord und versuchtem Mord eine Freiheitsstrafe von 16 Jahren und vier Monaten und die Anordnung einer stationären Maßnahme.

Zudem muss sich der Beschuldigte noch wegen mehrfachem, teilweise versuchtem Diebstahl und mehrfachem Hausfriedensbruch verantworten.

Das Urteil wird am Donnerstag, 20. Oktober, erwartet.

Vom Leichenfund bis zur Gerichtsverhandlung: