Schneller, schlagkräftiger, unbürokratischer: Der neue Justiz- und Polizeivertrag zwischen Deutschland und der Schweiz soll den Arbeitsalltag der Sicherheitskräfte ganz erheblich vereinfachen. Künftig dürfen Polizeibeamte bei der Strafverfolgung deutlich mehr – beispielsweise wenn es um die Verfolgung von tatverdächtigen über die Grenze geht, um nur ein Beispiel zu nennen.
„Dieser Vertrag sorgt für eine Intensivierung der ohnehin schon sehr engen deutsch-schweizerischen Zusammenarbeit“, schildert der Präsident der Bundespolizeidirektion Stuttgart, Markus Ritter. Das einzige was noch aussteht, ist die Ratifizierung des Vertrags durch die Parlamente in Berlin und Bern. Diese gilt aber als Formsache.
Dass der neue Vertrag positiv aufgenommen wird, davon konnte sich jetzt die Parlamentarische Staatssekretärin im Innenministerium, Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD), bei einem gemeinsamen Treffen mit Vertretern der deutschen Bundespolizei und des Eidgenössischen Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) in Waldshut-Tiengen ein genaues Bild machen.
Aus deutsch-Schweizer Dienstgruppe wird reguläre Dienststelle
Bereits seit zehn Jahren gibt es zwei gemeinsame Dienstgruppen mit deutschen und Schweizer Polizeibeamten. Beide Seiten stellen hierfür je zehn Beamte zur Verfügung, die im Grenzgebiet des Dreiländerecks unter anderem gemeinsame Streifenfahrten oder Kontrollen im Zugverkehr durchführen konnten, wie der Leiter der Bundespolizeiinspektion Weil am Rhein, Kai Brandenburg, darstellt.
Aber erst der neue Vertrag ermögliche die Schaffung einer ordentlichen Dienststelle mit administrativem Bereich und den organisatorischen und personellen Ausbau, so Brandenburg weiter: „Damit werden deutsch-Schweizer Beamtenteams in der Region wesentlich präsenter sein.“
Derzeit seien die Dienstgruppen im Badischen Bahnhof in Basel angesiedelt. Ein Standort für eine gemeinsame Dienststelle werde noch gesucht. Dies werde aber erst nach der Vertrags-Ratifizierung intensiver in Angriff genommen.
Bürokratie wird deutlich entschlackt
Echte Erleichterungen bringt der neue Vertrag aber insbesondere in konkreten Einsatzlagen – und zwar nicht nur für die Polizei- und Zolleinheiten der jeweiligen Bundesebene, sondern auch für Landes- und Kantonspolizei.
Polizei-Aktionen sind bislang strikt reglementiert, auf das jeweilige staatliche Hoheitsgebiet beschränkt und nur in Ausnahmefällen und räumlich begrenzter Ausdehnung auf dem Nachbarstaatsgebiet möglich.
So durften Polizeikräfte beispielsweise flüchtige Verdächtige nur bei besonderen Lagen über die Grenze hinweg verfolgen, wobei einheimische Behörden stets mit eingebunden werden mussten. Aber schon eine Festnahme konnte für Schwierigkeiten sorgen.
Bei derartigen Fällen bis hin zu Festnahmen dürfen die Polizeikräfte künftig deutlich mehr, so Markus Ritter: „Gerade mit Blick auf die Entbürokratisierung ist das Vertragswerk ein großer Fortschritt und wird dazu beitragen, die Schnelligkeit polizeilicher Maßnahmen zu steigern.“
Mehr noch: Es gebe grundsätzlich mehr Einsatzmöglichkeiten. Künftig dürfen etwa Schweizer Polizisten auf deutschem Gebiet auch Polizeiaufgaben übernehmen, wenn sie zum Beispiel auf einer Streifenfahrt verdächtige Ereignisse beobachten. Bisher mussten hier die örtlichen Einheiten verständigt werden.
Konkret ersetze das zwischenstaatliche Einvernehmen bisher geltende Beschränkungen wie „besondere Bedürfnisse“, die für die Einbeziehung der Polizei des Nachbarlandes notwendig waren, führt Kai Brandenburg näher aus. Dies erleichtere die Zusammenarbeit auch in Bereichen wie der Ausbildung oder bei Austauschprogrammen.
Hintergründe der neuen vertraglichen Regelungen
In erster Linie reagieren die Regierungsbehörden mit der neuen Vertragsversion auf die veränderte Sicherheitslage und die Anforderungen an die Gefahrenabwehr in Zeiten von Konflikten wie dem Ukraine-Krieg, schilderte Rita Schwarzelühr-Sutter.
Insofern sei Zielsetzung gewesen, den Austausch und die generelle Zusammenarbeit im Justiz- und Polizeiwesen zu vereinfachen, und die Befugnisse und Richtlinien an die praktischen Erfordernisse der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung anzupassen.
Allgemein große Zufriedenheit
„Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist die Zukunft“, so Markus Ritter. Insofern sei dieser neue Vertrag, dessen Ratifizierung durch die Parlamente in Berlin und Bern in Kürze folgen soll, ein Schritt in die richtige Richtung – und die darin enthaltenen Regelungen griffen deutlich weiter als viele Abkommen innerhalb der EU. Nun gelte es eben, dieses Gerüst der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit Leben zu füllen.
Auch Rita Schwarzelühr-Sutter sieht in dem Vertragswerk eine wegweisende Regelungen, gerade mit Blick auf die Arbeitsschwerpunkte der grenzüberschreitenden Dienstgruppen, die sich vorwiegend mit Schmuggel und illegaler Einwanderung befassten.