Nach fünf Wochen im Krisenmodus geht immer mehr Kulturschaffenden die Luft aus. Das gilt vor allem für freischaffende Künstler, deren vor wenigen Wochen noch prall gefüllte Terminkalender sich in kürzester Zeit drastisch geleert haben. Deutschlandweit mehren sich deshalb die Protest- und Hilferufe notleidender Künstler. Ein Bundesland gilt dabei vielen als positive Ausnahme: Baden-Württemberg.
Soforthilfe nur für Betriebskosten
Das Problem ist ein staatliches Hilfspaket, das an den Bedürfnissen einer freien Kulturszene vorbei zielt. Wer etwa die Soforthilfe in Höhe von 9000 Euro empfängt, darf diese nur für Betriebskosten einsetzen, nicht aber für den eigenen Lebensunterhalt. Bei freien Schauspielern, Regisseuren oder auch Musikern sind jedoch Betriebs- und Lebenskosten weitgehend identisch: Statt eines Firmenfahrzeugs steht vor der Haustür bloß das alte Fahrrad, und was andere ihr Büro nennen, ist ihnen der heimische Küchentisch.
So kommt es, dass Millionen Beschäftigte mit der Kurzarbeiterregelung eine vergleichsweise solide soziale Absicherung erhalten – freien Künstlern aber oft nur der Gang zum Jobcenter bleibt. Und sogar dort stellen sich ihnen mehr Probleme als den meisten anderen Hilfsbedürftigen.
Das gilt zum Beispiel für den Antrag auf Grundsicherung. Für dieses Verfahren wird zwar aktuell die Vermögensprüfung ausgesetzt: Antragsteller müssen aber erklären, dass sie kein „erhebliches Vermögen“ von mehr als 60 000 Euro besitzen. Weil Schauspieler kaum Aussichten auf eine nennenswerte Rente haben, haben viele von ihnen private Rücklagen gebildet. Müssen sie jetzt nach dem unverschuldeten Verdienstausfall also auch ihre Altersvorsorge aufzehren?
Dass die Lage in Baden-Württemberg deutlich besser aussieht als im Rest der Republik, liegt an der Zahl 1180. „Bei der Berechnung des Liquiditätsengpasses kann als Kosten bei Soloselbstständigen, Freiberuflern und für im Unternehmen tätige Inhaber von Einzelunternehmen und Personengesellschaften auch maximal ein Betrag in Höhe von 1180 Euro pro Monat für fiktiven Unternehmerlohn angesetzt werden“, lautet der entsprechende Passus im Förderprogramm „Soforthilfe Corona„ der Landesregierung. Faktisch bedeutet das: Im Südwesten können wirklich notleidende freie Künstler für die Zeit der Krise mit einem – wenn natürlich auch geringen – Grundeinkommen rechnen. So manchem dürfte das den Gang zur Arbeitsagentur ersparen.
Dem Deutschen Kulturrat sind diese extremen Unterschiede zwischen einzelnen Bundesländern ein Dorn im Auge. Von einem „zutiefst ungerechten Flickenteppich“ spricht Geschäftsführer Olaf Zimmermann: Es sei schon sehr gewöhnungsbedürftig, dass der Wohnsitz eines Künstlers darüber entscheide, ob er ein gutes, ein weniger gutes oder überhaupt kein Notprogramm erhalte.
Immerhin ein zweites Bundesland will nun von Baden-Württemberg lernen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder kündigte gestern an: Seine Regierung wolle den Künstlern monatlich mit 1000 Euro unter die Arme greifen. Eine Lösung für ganz Deutschland war gestern noch nicht in Sicht.