Weihnachten, so heißt es gerne, das ist das Fest des Lichts. Kerzen zunächst auf dem Adventskranz, später auf dem Christbaum, sind die warmen Lichtboten, die uns auf das Fest von Christi Geburt einstimmen.

Aber was sind Lichtboten wert, wenn es nicht dunkel ist? Was sind sie wert, wenn sie gar nichts beleuchten können, weil ohnehin alles hell ist? Das Fest des Lichts wird doch erst dadurch zum Fest des Lichts, dass es sich vom Dunklen abhebt. Aber wo bitteschön ist es heute in unseren Städten und Dörfern noch so dunkel, dass das Auge des Passanten sich an einer Kerze im Fenster erfreut?

Fließendes LED-Lametta, grellweiße Blitzlichter am Weihnachtsbaum

Der schlichte mit einer einfachen Lichterkette geschmückte Weihnachtsbaum vor dem Rathaus tut‘s nicht mehr: Jetzt bekommt er zur Lichterkette noch grellweiße Blitzlichter oder fließendes LED-Lametta draufgepackt.

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Das ist aber auch kein Wunder, denn wie sollen die Passanten neben den hellen weihnachtlichen Extra-Inszenierungen des übrigen Straßenzugs noch ein Auge für die Rathaustanne haben? Einem Christbaum schenkt der Passant kaum Beachtung, wenn der Baum einfach nur Teil eines einzigen weihnachtlichen Lichtkontinuums ist. Man zwingt den Baum geradezu blinkend und glitzernd zu schreien: „Schau mal, mich gibt‘s auch!“

Nur in der Dunkelheit wirkt ein kleines Licht

Einem Stern sollten sie folgen, die drei Weisen aus dem Morgenland, um das Christuskind in der Krippe zu finden. Sie hatten im Dunkeln einen freien Blick zum Sternenhimmel. Die Hirten folgten dem Aufruf der Engel und fanden dann das Jesuskind in der Krippe. Dort mag ein kleines Feuerchen vor der Krippe gebrannt haben, mehr nicht. Ein kleines Licht zeigt große Wirkung nur in der Dunkelheit.

Hinterm Fenster ein Adventskranz, zwei brennende Kerzen – mehr braucht es nicht für das Fest des Lichts.
Hinterm Fenster ein Adventskranz, zwei brennende Kerzen – mehr braucht es nicht für das Fest des Lichts. | Bild: dpa

Ob heutige Weise genauso erfolgreich ihr Ziel fänden? Ob heutigen Hirten die Krippe aufgefallen wäre? Das ist gar nicht so sicher.

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Die Weisen wären mit dem Auto unterwegs und hätten den Stall zu Bethlehem garantiert nicht gefunden. Denn im grellen Scheinwerferlicht des Autos einem Stern am Himmel zu folgen, das ist unmöglich.

Und die Hirten? Als Jogger mit blendender Stirnlampe hätten sie das zarte Licht im Stall zu Bethlehem ebenso übersehen, wie als Radfahrer mit superhellem LED-Lichtkegel. Gerade die Radfahrer! Sie hätten Maria und Josef in erster Linie geblendet, wie sie heute mit ihrem meist zu hoch eingestellten Licht auch andere blenden und so deren Blick auf die eine oder andere brennende Adventskerze an einem Wohnzimmer- oder Küchenfenster verunmöglichen.

So fehlt dem Fest des Lichts einfach die Dunkelheit. Wesentlich stimmungsvoller käme weihnachtlich diskret leuchtender Schmuck über einer Einkaufsstraße zur Geltung, wenn die übrige Straßenbeleuchtung ganz aus oder wenigstens gedimmt wäre. Das wäre wahrhaftig ein Fest des Lichts.