Maja Hoffmann ist die Tochter von Daria Hoffmann-Razumovsky und dem Pharmamagnaten Luc Hoffmann sowie Enkelin des Industriellen Emanuel Hoffmann. Und sie ist Teil des Aktionärspools der Roche Holding AG. Die 64-Jährige ist superreich und einflussreich. Was die Baslerin auch ist: Kunstsammlerin und Mäzenin.

Als das Kunstmuseum Basel seinen Neubau plante, unterstützte sie das Projekt mit 50 Millionen Franken. Keine Peanuts. Als das Kunsthaus Zürich den Erweiterungsbau anging, war sie auch dabei. Welche Summe sie der Zürcher Kunstgesellschaft anwies, ist nicht bekannt. Sie wird nicht gegeizt haben.

Solches Mäzenatentum braucht ein Land. Hoffmann ist aber nur eine von mehr als hundert Donatoren, die ihr Engagement für den Erweiterungsbau des englischen Stararchitekten David Chipperfield öffentlich machten. Andere Gönner wollten namentlich nicht genannt werden. Am Ende kamen 88 Millionen Franken zusammen, die die Kunstgesellschaft – für den Betrieb des Hauses zuständig und mit 21.000 Mitgliedern eine der größten Kunstvereine Europas –, in den Topf für den Neubau stecken konnte.

Auf der Baustelle – mit Blick auf das alte Kunsthaus.
Auf der Baustelle – mit Blick auf das alte Kunsthaus. | Bild: Juliet Haller Amt fur Stadtebau Zuri

Die Gesamtkosten für den mächtigen Quader gegenüber dem alten Kunsthaus am Heimplatz belaufen sich auf 206 Millionen Franken. Davon übernehmen die Stadt 88 Millionen und der Kanton 30 Millionen Franken. Die breit abgestützte Finanzierung für den jetzt fertiggestellten Erweiterungsbau, der zum ersten Mal 2001 öffentlich andiskutiert wurde, zeigt: Das Kunsthaus ist ein Haus für die Öffentlichkeit.

214 Bewerbungen

Christoph Becker, der Direktor des Kunsthauses, hält David Chipperfield für den besten Museumsarchitekten unserer Zeit. Aber auch der Stararchitekt musste sich dem Wettbewerb stellen. Aus den 214 Bewerbungen wählte eine Jury zwanzig anonymisierte Teams für die Teilnahme am eigentlichen Verfahren aus und entschied sich schließlich für Chipperfield Architects.

Ein erster Eindruck von den Ausstellungsräumen.
Ein erster Eindruck von den Ausstellungsräumen. | Bild: Juliet Haller, Amt für Städtebau

In der Öffentlichkeit kam die puristisch-elegante Form des Entwurfs zunächst nicht gut an. Und in der Tat ist der Erweiterungsbau unspektakulär, kein „Signature Building“ wie das Guggenheim in Bilbao, die Erweiterung der Tate Modern in London oder, um markante Architektur aus Deutschland zu nennen, die Hamburger Elbphilharmonie.

Aber der Chipperfield-Bau passt in die Stadt, die nicht mit aufregenden Einzelbauten, sondern mit einer Perlenkette interessanter Gebäuden punkten kann. Die Architektur des Erweiterungsbaus sei „sehr Zürichisch“, entgegnet Stadtrat André Odermatt den Kritikern, „diskret und doch kraftvoll“. Vor allem: Der Neubau mit einer Nutzfläche von 13.000 Quadratmetern – was einer massiven Vergrößerung des Kunsthauses um 80 Prozent entspricht –, dient der Kunst, er steht nicht selbst im Vordergrund.

Im neuen Treppenhaus.
Im neuen Treppenhaus. | Bild: Juliet Haller Amt fur Stadtebau Zuri

Was den Erweiterungsbau auszeichnet, aber unsichtbar bleibt: Es handelt sich um ein ökologisch vorbildliches Museum. Die kompakte Form, das günstige Verhältnis zwischen Gebäudehülle und -volumen sparte viel Baumaterial. 98 Prozent des Betons besteht aus Recyclebeton mit CO2-reduziertem Zement.

Der Neubau wird nur mit erneuerbarem Strom betrieben. Das einfallende Tageslicht leistet dank großzügiger Fassadenfenster zusätzlich einen Beitrag zur Einsparung von Strom. Aufgrund der Bauweise und der Wärmedämmung sorgt das Gebäude als solches für ein ausgleichendes Klima im Innenraum. Geheizt und gekühlt werden muss daher wenig, die Klimaanlagen laufen nur dann, wenn es erforderlich ist.

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Chipperfields Erweiterungsbau mit seiner eindrucksvollen Eingangshalle, der das Kunsthaus zum größten Museum der Schweiz macht, ist nach dem Selbstverständnis der Verantwortlichen mehr als nur ein Gebäude. Am Heimplatz und nahe der Hochschule entsteht damit ein attraktiver öffentlicher Raum, der eine Eingangspforte für eine Bildungs- und Kulturmeile bilden soll. Diese Botschaft ist schon verschiedentlich angekommen. Ein halbes Dutzend Galerien haben in den vergangenen zwei Jahren entlang der Rämistraße, ideal gelegen zwischen Kunsthaus und See, neu Quartier bezogen.

Eröffnung erst Ende 2021

Bis zur Eröffnung des Erweiterungsbaus müssen sich die Kunstfreunde noch gedulden. In der zweiten Jahreshälfte 2021 geht die golden schimmernde Eingangstüre für die Öffentlichkeit auf. Der Neubau wird vier inhaltliche Kernelemente aufnehmen: Kunst ab den 1960er-Jahren, die Sammlung Emil Georg Bührle, Wechselausstellungen sowie die Eingangshalle als neuartiger offener Ort der Kunsterfahrung.

„Der Erweiterungsbau war von Anbeginn auf einen markanten qualitativen Sprung der Sammlung ausgerichtet“, begründet Becker diese Planung. Und meint vor allem Bührles Sammlungskonvolut mit Meisterwerken des Impressionismus, das bis 2015 in einer Villa an Zürichs Stadtrand gelagert wurde. Es ist neben Paris europaweit die bedeutendste Kollektion des Impressionismus und Postimpressionismus. Aber auch die Sammlung Werner Merzbacher und die Privatsammlung von Hubert Looser werden in dem Neubau eine neue Heimat finden.

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Für die Kunstwerke im alten, 1910 von Karl Moser errichteten und mehrfach umgebauten und erweiterten Kunsthaus hat das weitreichende Folgen. Die mittelalterlichen Skulpturen und Tafelbilder, die Gemälde des Niederländischen und italienischen Barock oder die Malerei des 19. und 20. Jahrhunderts sollen nicht mehr chronologisch entlang kunsthistorischer Epochen organisiert, sondern in inhaltlich zusammenhängenden Gruppen präsentiert werden.

Zu den internationalen Schwerpunkten des Kunsthauses gehören außerdem die größte Munch-Sammlung außerhalb Norwegens sowie die wohl bedeutendste Werksammlung Alberto Giacomettis. Mehr als die Hälfte dieser Schätze kamen als Geschenke in das Kunsthaus.

In einem Interview hatte Christoph Becker, seit 2000 Direktor am Kunsthaus, bekannt, dass der Erweiterungsbau schon in seinem ersten Arbeitsvertrag notiert war. Beckers Dienstzeit endet 2022. Er hat seine Pflicht erfüllt. Eine Findungskommission ist bereits bestimmt. In der Geschichte des Kunsthauses gab es bisher fünf Direktoren. Nur Männer.

Literaturhinweis: „Das neue Kunsthaus Zürich. Museum für Kunst und Publikum“. Scheidegger & Spiess, Zürich. 51 S., 15 Euro.