Die Zeiten werden ungemütlich in der Kulturszene. Dabei hatte mancher gedacht, das Schlimmste sei mit Ende der Corona-Pandemie bereits ausgestanden. Schluss mit dem ständigen Wechsel von kompletten Betriebsschließungen und zaghaften Wiedereröffnungen unter strengen Auflagen! Jetzt würde es kommen wie in den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts, als nach der Spanischen Grippe das Kulturleben nur so explodierte!
In der Realität wiederholt sich Geschichte allerdings nur selten, und im vorliegenden Fall kam das böse Erwachen sogar mit Ansage. Dass nämlich ein erheblicher Teil der durch Corona verursachten Belastungen unserer kommunalen Haushalte sich auf die Etats von Theatern, Orchestern und Museen auswirken würde, hatten Experten schon früh prophezeit.
In Berlin kommt der Sparhammer jetzt mit voller Wucht zum Einsatz: 10 Prozent will der Senat einfach streichen, pauschal über alle Einrichtungen hinweg. Und zwar nur für das kommende Jahr. 2026 soll es gleich noch einmal so viel werden. Kein Wunder, dass die Kulturschaffenden nun auf die Straße gehen.
Mehr als 90 Institutionen, viele von ihnen hatten bislang eher wenig gemeinsame Berührungspunkte, proben den Aufstand. Bei dem anvisierten Sparvolumen von bis zu 150 Millionen Euro, warnen sie, drohe der Bundeshauptstadt ein kaum zu reparierender Imageschaden. Hauptargument: Das reiche Kulturleben Berlins sei schließlich auch ein Wirtschaftsfaktor, jeder zweite Tourist komme doch vor allem wegen der Opern- und Konzerthäuser.
Politisches Strippenziehen ist gefragt
Ob diese Begründung zieht, muss sich erst weisen, ganz gewiss aber ist bereits heute, dass die Leitung eines solchen Kulturtempels immer anspruchsvoller wird. Intendanten können sich schon lange nicht mehr auf die Rolle des feingeistigen Ermöglichers beschränken, sie müssen sich vielmehr auch als Manager, Kommunikatoren und politische Strippenzieher beweisen.
Gerade deshalb blickte man im vergangenen Jahr mit Spannung auch auf die Kulturlandschaft in Konstanz. Zwar hatte der Gemeinderat hier den rabiatesten Sparplänen bereits eine Absage erteilt. Allerdings waren mit der Südwestdeutschen Philharmonie und Stadttheater gleich die beiden wichtigsten Kulturinstitutionen auf einmal führungslos: Das Orchester bereits seit dem Abgang der glücklosen Intendantin Insa Pijanka, dem Theater drohte die Leerstelle ab Ende der Spielzeit 2024/25, wenn der Vertrag mit Karin Becker ausläuft.
Immerhin in letzterer Angelegenheit gab es eine ebenso überraschende wie glückliche Wende. Im Februar erklärte die Bühnenchefin nämlich ihren Rückzug vom Rückzug, mindestens bis zum Jahr 2028 also muss sich die Stadt um diese Personalie keine Gedanken machen.
Anders sah es lange Zeit bei der Südwestdeutschen Philharmonie aus. Erst versandete das Findungsverfahren ergebnislos, dann war in einer Neuauflage zwar der Traumkandidat bereits in Sicht – doch kurz bevor der Gemeinderat seinen Segen erteilen sollte, kam völlig überraschend die Absage. Inzwischen ist bekannt: Ein anderes Angebot war offenbar attraktiver, der Orchestermanager arbeitet nun beim Schweizer Zwei-Städte-Betrieb Theater Orchester Biel Solothurn. Was also tun in einer so verfahrenen Situation?
In Konstanz entschied man sich für eine Interimslösung: Hans-Georg Hofmann hat fast ein Vierteljahrhundert lang die Klassikszene der Stadt Basel geprägt, erst als Manager des dortigen Kammerorchesters, dann als künstlerischer Direktor des Symphonieorchesters. Am Bodensee soll er nun ein Jahr lang wieder richten, was zuletzt aus dem Lot geraten ist.
Doch ob es wirklich bei nur einem Jahr bleibt, scheint zunehmend fraglich. Er sei ein Freund von Kontinuitäten, lässt er bereits wissen. Und auf die Frage, ob er denn ausschließe, doch länger zu bleiben, antwortet er: „Nein, das würde ich grundsätzlich nicht ausschließen.“ Gut möglich also, dass die dauerhafte Lösung des Führungsproblems bereits gefunden ist.

Ohnehin betrifft diese Lösung dann nicht mehr die Südwestdeutsche Philharmonie, sondern ein Orchester, das den Namen Bodensee Philharmonie trägt. Mit seiner Umbenennung trägt der Betrieb nämlich der Notwendigkeit Rechnung, sich auch verstärkt im Umland zu engagieren.
Er betrachte es als seinen Auftrag, nicht nur in Konstanz spielen, sondern auch da, wo es kein heimisches Orchester gibt, erklärt Chefdirigent Gabriel Venzago: Es gebe am Bodensee viele schöne Orte, an die er das Orchester zur kulturellen Grundversorgung hinbringen möchte. Schönheit mag ein Argument dafür sein. Das stichhaltigere aber dürfte in den finanziellen Rahmenbedingungen liegen: Wer auf ein Szenario wie in Berlin vorbereitet sein will, tut gut daran, sich breit aufzustellen.