Eine Brücke, die von Berlin bis nach San Francisco reicht, hatte sich der Mann von der guten Fee gewünscht. Weil ihr die Erfüllung dieser Bitte zu schwer erschien, lehnte sie ab, gewährte ihm aber einen zweiten Versuch. „Also gut“, gab der Mann nach, „dann wünsche ich mir, dass ich endlich die feministische Linguistik verstehe.“ Die Fee seufzte nur kurz: „Soll die Brücke ein- oder zweispurig sein?“ Vor der Frage, warum zum Glück weiblicher Selbstbestimmung Binnen-I und Gendersternchen dazugehören müssen, kapitulieren allerdings nicht nur Feen.

Sprachpflege wird bei uns seit einiger Zeit mit der Axt betrieben: Bei der Spaltarbeit hilft jetzt auch der Duden mit.
Sprachpflege wird bei uns seit einiger Zeit mit der Axt betrieben: Bei der Spaltarbeit hilft jetzt auch der Duden mit. | Bild: Ivan – stock.adobe.com / sk-montage: kerstan

Die Emanzipation liegt schon lange nicht mehr in den Windeln. Frauen finden ihr Recht auf Gleichberechtigung im Grundgesetz garantiert, sie führen ihre eigenen Firmen, üben die höchsten Regierungsämter aus oder fliegen ins All. Dass sich immer noch viele Menschen dem Gendern verweigern, erscheint den Engagiertesten unter den Geschlechtergerechten jedoch hochgradig besorgniserregend.

Wo ein Wille ist, gibt es auch Empörung

Wo ein Wille ist, ist eben immer auch Empörungspotenzial. Jahre der Aufgeregtheit und heftigen Auseinandersetzungen haben Gender-Gegner und Befürworter an den Rand der Erschöpfung gebracht.

Von derart Ermatteten ist weniger Widerstand zu erwarten, dachte sich vielleicht der Duden-Verlag und nutzt die Chance nun, um sein Online-Wörterbuch umzuschreiben. Für rund 12.000 Personen- und Berufsbezeichnungen wird es künftig zwei Einträge geben, einen für die männliche und einen für die weibliche Form, zum Beispiel einen für Arzt und einen für Ärztin. Keineswegs kritikwürdig, wenn damit nicht gleichzeitig das generische Maskulinum ausgemustert würde.

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Faktisch verschwinden damit alle Worte, die eine geschlechtsneutrale Bedeutung haben und sich auf Frauen und Männer gleichermaßen beziehen. Laut Online-Duden ist ein Mieter dann nicht mehr länger „jemand, der etwas gemietet hat“, sondern eine ausschließlich „männliche Person, die etwas gemietet hat.“

Das generische Maskulinum hatte den Vorteil, dass es alle biologischen und sozialen Geschlechter ebenso einbezieht wie sämtliche sexuelle Orientierungen. Durch die Neudefinitionen des Dudens werden alle nicht binären Menschen ausgegrenzt, weil auf sie weder die männliche noch die weibliche Definition zutrifft. Das Bemühen um Gerechtigkeit führt so zu neuer Diskriminierung.

Günstige Umstände

Missbraucht der Duden seine Deutungshoheit über die Rechtschreibung, um feministische Weltanschauungen zu propagieren, Sprache einseitig zu beeinflussen und Leser in die Irre zu führen, wie einige Linguisten befürchten? Dass vorerst nur das Online-Wörterbuch gegendert wird, nicht aber die gedruckte Ausgabe, kann als Zeichen gewertet werden, dass geschlechtergerechte Sprache in der Hauptsache nicht mehr eine reine Frage der Haltung, sondern der Umstände ist, und die erscheinen gerade günstig.

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Sollten sie sich wieder ändern, lässt sich das digitale Lexikon leicht korrigieren. Bis dahin werden sich all jene Genderspezialisten, an deren Tonfall man häufig eine Rotstiftaffinität und den Hang zur Besserwisserei heraushören kann, auf das Standardwerk der deutschen Rechtschreibung berufen können, um andere zu belehren.

Der Klügere schlägt gleich selbst im Duden nach. Die Bildungsfernen hingegen werden sich durch Wörterbücher eher nicht abrichten lassen und vermutlich auf feministisches Vokabular verzichten, denn das Gendersternchen bringt Mindestlohnempfänger*innen weder bessere Bezahlung noch gesellschaftliche Anerkennung. Und wenn von notleidenden SozialhifeempfängerInnen gesprochen wird, mildert das deren Elend auch kein bisschen.

Die Spaltung wird verschärft

Stattdessen führt die sprachliche Neuregelung vermutlich zu einer Verschärfung der gesellschaftlichen Spaltung. Die Meinungsgrenze verläuft ja nicht entlang des Geschlechts oder der Generation, sie trennt vornehmlich soziale Schichten. Quasi von Natur aus gendersensibel sind vor allem akademisch gebildete Frauen in hohen Positionen, die vergleichsweise wenig Diskriminierungen ausgesetzt sind.

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Paradebeispiele sind mit Botox behandelte TV-Moderatorinnen, die so abschreckend penetrant gendern, als läge ihr höchstes Ziel in einer endgültigen Vertreibung der Proletarier und Proletarierinnen ins intellektuell anspruchsarme Privatfernsehen. Gleichzeitig demonstrieren sie, dass Frauen im Fernsehen nicht faltig werden dürfen und entblößen den Widerspruch zwischen sprachlich überbetonter Gleichberechtigung und dem altersbedingt nahenden Karriereende, dem ausschließlich Frauen zum Opfer fallen.

Die Einschaltquoten ihrer Sendungen sind vermutlich keine Indikatoren für das Volksempfinden im Land. Von 100 Menschen, die sich dazu äußern, ob es Gast oder Gästin heißen sollte, haben 90 noch nicht länger darüber nachgedacht, was Gendern eigentlich genau bedeutet, weil es für ihren Alltag völlig bedeutungslos ist.

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Wenn eine Mehrheit heute bei der Bezeichnung Astronaut ausschließlich an Männer denkt, hilft nur, mehr Mädchen für Physik und Weltraumforschung zu begeistern. Gendern wird nichts daran ändern, dass bislang nur wenige Jungen Dressurreiterin, Hebamme oder Arzthelferin werden möchten oder dass Boulevardmedien nicht über schnuckelige Spielerinnenmänner als Pendants zu Spielerfrauen berichten.

Aufrüstung und Ausgrenzung

Die sprachliche Aufrüstung zur Ausgrenzung vermeintlicher Gegner hat in der Debatte inzwischen eine so große Triebkraft erhalten, dass sie die Sachargumente und Theorien überragt. Frühere Männergenerationen sind vor feministischen Themen in die Kneipe oder den Bastelkeller geflüchtet. Heute setzen sich Männer für Frauenquoten ein, erziehen ihre Töchter zur Unabhängigkeit und kämpfen gegen Femizide. Ihnen Patriarchismus vorzuwerfen, wenn sie nicht vom Gendern überzeugt sind, ist so unsinnig wie die Beschimpfung von Frauen als reaktionär oder unsolidarisch, weil sie sich nicht über ihr Geschlecht definieren und sich auch weiterhin als Chemiker, Schriftsteller oder Straßenbahnfahrer bezeichnen möchten.

Whoopi Goldberg: „Ich bin ein Schauspieler, ich kann alles spielen.“
Whoopi Goldberg: „Ich bin ein Schauspieler, ich kann alles spielen.“ | Bild: Robin Utrecht

Sie halten es wie Whoopi Goldberg, die findet: „Eine Schauspielerin kann nur eine Frau spielen. Ich bin ein Schauspieler, ich kann alles spielen.“ In diesem Sinne dürften Frauen einfach Menschen bleiben und für Menschenrechte kämpfen, mit möglichst intelligenten Mitteln und ohne andere ans Gängelband der Grammatik zu nehmen.