Wie so oft sind es die Zufälle im Leben, die sich im Nachhinein als Fügungen des Schicksals herausstellen. Ein Brief eines Malers namens Ernst Steiner erreichte Barbara Stark im Herbst 2019. Er wollte auf das Schaffen einer in Wien verstorbenen Freundin aufmerksam machen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte noch niemand jemals etwas von der in Konstanz geborenen Cornelia Simon-Bach gehört oder gesehen.
Als sich die Leiterin der Wessenberg-Galerie 2021 dann schließlich auf den Weg machen konnte, um besagte Werke in Wien in Augenschein zu nehmen, war aus ihrer Sicht eine Ausstellung in den Räumen der Wessenberg-Galerie beschlossene Sache. Nun, nur rund ein Jahr später, sind noch bis Januar 2023 rund 60 frühe Werke der Künstlerin zu sehen, circa 200 weitere Arbeiten lagern derzeit noch in Wien.
Die Betonung liegt auf noch, denn es wird innerhalb der Familie diskutiert, dieses Lager aufzulösen, wie Franziska Deinhammer, wissenschaftliche Mitarbeiterin, andeutet. „Ich selbst bin ebenso wie Frau Stark absolut begeistert von der Vielfalt und Intensität dieser hier ausgestellten Arbeiten“, so Deinhammer, die engagiert von der kuriosen Entstehungsgeschichte dieser Ausstellung berichtet. Doch ist nicht nur das Dahinter der Ausstellung, auch das Darin äußerst bemerkenswert.
Farbenfroh und fantastisch
Tatsächlich kann man sich der Intensität von Cornelia Simon-Bachs Arbeiten nicht entziehen, selbst wenn man es wollte, und betrachtet gebannt die farbenfrohen und fantastisch anmutenden Ölbilder, die meist auf Holzplatten gemalt wurden. Die bei flüchtiger Betrachtung als präzise gemalte banale bunte Bilder durchgehen, lassen bei näherem Hinsehen tief in die Seele einer Frau blicken, die sich zeitlebens in ihrer Malerei mit dieser ihrer Rolle auseinandersetzte.
Fast durchgängig fehlen Jahreszahlen und Titel, eine Tatsache, die bei dieser Ausstellung überraschenderweise aber keineswegs stört. Die Bilder sprechen für sich, erzählen Geschichten und geben intime Geheimnisse eines außergewöhnlichen Lebens einer besonderen Frau preis. Eine zeitliche Einordnung erscheint überflüssig und wird durch die stimmige thematische Präsentation in den einzelnen Räumen der Galerie ersetzt.

Wichtig ist vielleicht, sich im ersten Raum Zeit für die Biografie der Autodidaktin Cornelia Simon-Bach zu nehmen, auch der Schaukasten im ersten Raum ist einen Blick wert. Hier verweilt auch eine Besucherin, die dort auf eine Kindermalerei von Cornelia Simon-Bach aufmerksam wurde. „Schneeballschlacht“, lautet der Titel und offenbart mit dem Entstehungsjahr 1952 Bachs künstlerisches Talent im Alter von nur elf Jahren.
Madeleine Ulrich besucht regelmäßig Ausstellungen in der Wessenberg-Galerie und agiert heute als eine Art Auskundschafterin. „Ich möchte mit meiner Freundin hergehen und mich vorab informieren, oder sagen wir, schauen, ob sich ein Besuch lohnt“, erklärt sie: „Und ja, ich muss sagen, es lohnt sich! Aus allen Bildern springt einen das Thema Frau an, auf eine ungewöhnlich offene und sehr berührende Art.“
Die Autodidaktin Cornelia Simon-Bach, die nachweislich lediglich einen Kurs an der Bodenseekunstschule in Konstanz besuchte, malte besonders oft sich selbst. Glückliche Gesichter sucht man in den Selbstbildnissen vergebens, stattdessen schaut man in maskenhafte Antlitze ohne Emotion. Ganz offensichtlich haderte sie zeitlebens mit dem Geschlechterthema, wobei besonders die Männer in ihren Arbeiten so gar nicht gut wegkommen.
Versteckt und verkapselt
Während die Frauen versteckt, eingebunden und verkapselt zu sehen sind und in sich gekehrt wirken, kommen die Männer maskenhaft und stereotyp daher. Meist kleiner dargestellt als die Frauen, scheinen sie dennoch von einer größeren Macht umgeben. „Cornelia Simon-Bach hat in vielen Bildern die Befreiung der Frau thematisiert“, sagt Deinheimer. Erinnert man sich nun an Bachs Biografie, findet man Parallelen, die diese innere Auseinandersetzung durchaus widerspiegelt.
Dabei sind es auch religiöse Themen, die in ihren Werken auftauchen. Symbole, Kreuze, Ornamente ziehen sich durch die Bilder. Auch hier scheint das Thema Suche nach einem Ausweg über allem zu schweben. Dabei erlebt man Bachs Arbeiten intensiv, was wohl an ihrer meisterhaften Arbeitsweise liegen mag. Akribisch bis ins kleinste Detail lassen sich ihre Bilder lange betrachten und enthüllen immer neue Details.
Aber auch vordergründig liefern Bachs Bilder genug Gesprächspotenzial, wie ein junges Besucherpaar verrät. In einem weiteren Ausstellungsraum mit Landschaftsbildern diskutieren beide, welches wem am besten gefällt. Die Natur zeigt sich hier dabei keineswegs lieblich, sondern rau und fast boshaft, ganz ähnlich einem menschlichen Wesen. Tatsächlich war die Künstlerin selbst gern draußen in der Natur und lebte sogar einige Jahre mit ihrem Mann über die Sommermonate als Hirte auf einer Almhütte.
Nusin Naki, Studentin in Konstanz, fühlt sich von dem Blau auf den Bildern sehr angezogen. „Ich wohne seit zwei Jahren hier am See“, sagt sie: „Mich erinnern diese Bilder an den Bodensee. Genauso besonders und geheimnisvoll habe ich ihn mehrfach erlebt.“ Gemeinsam mit Begleiter Dogan Acar und Franziska Deinhammer wird spontan über die Diskrepanz auf diesen Landschaftsarbeiten diskutiert. Da erblickt man harmlose, kleine Wölkchen am Himmel über einem sinkenden Schiff, das süffisant von der Küste aus beobachtet wird; von einem Stein mit einem Gesicht, das wirklich unheimlich wirkt.
Und dann immer wieder Ornamente, Kreuzgänge, Wege, die in alle Himmelsrichtungen führen und doch nie den richtigen Ausweg zu weisen scheinen. Vielleicht wechselte sie deshalb Mitte der 80-er Jahre hin zur abstrakten Malerei, auf der Suche nach ihrem eigenen Weg, nach neuen eigenen Themen. Im letzten Raum hängen dreidimensionale Gesichtsmasken an der Wand. Es wirkt fast, als hätte sie zum Ende hin ihre verschiedenen Masken endlich ablegen können, um ihren Themen ins Auge blicken zu können. Wenig charmant, ja fast zwingend fordert sie in ihren Bildern die Betrachter ihrer Werke auf, das Gleiche zu tun.
Bis 8. Januar. Wessenberg-Galerie Konstanz. Di – Fr 10-18 Uhr, Sa/So 10-17 Uhr. Informationen auch hier.