Die schöne Imperia dürfte das bekannteste Werk von Peter Lenk sein. Die Frau mit dem kühlen Blick steht an der Einfahrt zum Konstanzer Hafen. Wer die Stadt am See besucht, kommt an der geschwungenen Figur kaum vorbei. Sie wird nicht nur viel fotografiert, sondern ebenso häufig berätselt: Was macht sie? Und was hat es mit den nach oben gekehrten Handflächen auf sich, auf denen zwei gekrönte Männlein hocken?
Wesen und Wirken der Imperia wird bisher nur in deutscher Sprache thematisiert, das Buch hat Lenk selbst geschrieben. Dieser Zustand soll sich ändern: Dominique Paillarse hat den einschlägigen Bildband (“Imperia Konstanz. Eine tolldreiste Geschichte“, Stadler Verlag) erstmals ins Französische übersetzt. Er will das Kunstwerk seinen Landsleuten schmackhaft machen.
Das Werk von Peter Lenk ist in Frankreich so gut wie unbekannt, berichtet der Franzose Paillarse im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Er selbst stieß vor wenigen Jahren auf den Satiriker Lenk, als er Urlaub in Bodman machte – und dabei auf den Skulpturengarten von Lenk zusteuerte.
Der Germanist und Kulturmensch Paillarse war von der fantastischen Bilderwelt angetan, die sich da entfaltet. Dabei entdeckte er die französischen Wurzeln der Imperia. So reifte sein Entschluss, das Buch über Imperia ins Französische zu übersetzen.

Für diese Aufgabe scheint Dominique Paillarse wie geschaffen. Der heute 77-Jährige ist von Haus aus Germanist. Seit seinen studentischen Tagen befasst er sich mit der Literatur der Deutschen und mit ihrer Kultur. Er lebt im Elsass, um von dort schnell am Oberrhein oder im Schwarzwald sein zu können – auch, um die Fasnacht in Wolfach oder Elzach zu erleben.
Sein Berufsleben verbrachte er als Mitarbeiter des Außenministeriums, dessen Politik immer eine dynamisch-missionarische Seite hat: Die Kulturinstitute unter dem Dach des Pariser Ministeriums werben für die Kultur und alles Gallische – von Marcel Proust bis zu den streitlustigen Kelten Asterix und Obelix. Diese beiden hätten an Imperia wohl auch ihre Freude gehabt.
Paillarse leitet diverse Einrichtungen als Kulturdiplomat und regionaler Direktor. Er sagt: „Meine spannendste Zeit erlebte ich in Berlin, der ‚Hauptstadt der DDR‘, wie es damals hieß.“ Unter der noblen Adresse Unter den Linden betrieb Frankreich ein eigenes Institut, das er leitete. „Wir waren das einzige Land, das in der DDR ein eigenes Institut öffnen durfte“.
Er erlebte sieben spannende Jahre und den Fall der Mauer. Dass die Stasi auch über ihn, einen französischen Diplomaten, eine Akte führte, erfuhr er erst später. Sie wurde später von der Gauck-Behörde zugesandt. Er öffnete das Aktenbündel erst, nachdem er sich einen Whiskey eingeschenkt hatte. Zu seiner großen Überraschung und Enttäuschung stellte er fest, dass seine eigenen Leute ihn ausgehorcht hatten.
Die Übersetzung des Buchs forderte ihn. Da ist einmal der Stil von Peter Lenk, reich an Anspielungen und witzigen Wendungen. Und dann kommt noch der alemannische Dialekt dazu. Im Buch werden immer wieder närrische Verse zitiert, die auf die Imperia gedrechselt wurden.
Helmut Faßnacht (gestorben 2005), ein Virtuose der Bühnenfasnacht, dichtete einmal: „Das schöne Weib Imperia / steht in voller Größe da / versteckt unter einer Hülle / doch ahnt man schon die ganze Fülle.“ Paillarse berichtet, dass es gar nicht einfach war, diese Verse so zu übersetzen, dass sie sich noch immer reimen und atmosphärisch passen.

Es war ein französischer Dichter, der Imperia in einer seiner „Tolldreisten Geschichten“ verewigt hat. Eine Frau dieses Namens lebte tatsächlich. Sie war Italienerin, kam als Kurtisane zu Wohlstand und starb 1512 in Rom. Der Schriftsteller Honoré de Balzac nahm die historische Person als Vorlage für eine der gepfefferten „Tolldreisten Geschichten“.
Er verlegt die Dame in die Zeit des Konstanzer Konzils (1414 bis 1418). Und er schildert süffisant, wie die hohen Herren während der langen Sitzungspausen die schöne Imperia aufsuchen und dort Entspannung finden.
Balzac ist der eigentliche Schöpfer des Ruhms von Imperia. Er machte die äußerst talentierte Prostituierte zur Wahl-Konstanzerin. Im Konstanzer Hafen dreht sie sich um sich selbst – die Königin der käuflichen Liebe, die mit den Mächtigen macht, was sie will.
Dominique Paillarse will, dass seine Landsleute an diesem optischen Vergnügen teilhaben. „Imperia ist eine Provokation, sie ist sinnlich und schön. Man kann das Werk nur bewundern“, sagt er. Die Übersetzung liegt vor (Tourist Information Konstanz, 15 Euro). Bonmot am Rande: Den deutschen Text erweiterte er um erklärende Stichworte. Im Anhang werden Schlagworte wie „Fünfte Jahreszeit“, „Carneval“ sowie „Narri Narro“ erklärt. So etwas haben die gallischen Nachbarn eben nicht.