Melissa, Sie kommen aus dem Lesachtal in Kärnten. Was macht Ihre Heimat so besonders?

Die unberührte Natur. Wer die heile Welt sucht, der findet sie im Lesachtal. Das Tal liegt ziemlich versteckt und ist sehr wildromantisch. Ich komme viel rum, aber für mich ist und bleibt das Lesachtal der schönste Ort der Welt.

Ihr bisher größter Hit, für den Sie in Österreich auch einen Amadeus-Award gewonnen haben, heißt „Traktorführerschein“. Haben Sie einen gemacht?

Nein. Aber mein Vater bewirtschaftet auf 2000 Metern Höhe eine Hütte. Dort sind wir immer mit dem Traktor hochgefahren von unserem Dorf aus, das auf 1100 Metern liegt. So mit sieben, acht Jahren konnte ich schon lenken. Bis heute freue ich mich immer, wenn ich einen Traktor sehe.

Ist so ein Trecker ein gutes Flirt-Gefährt?

Total. Bei uns punkten die Burschen und auch die Mädels, wenn sie mit dem Traktor daherkommen. Deshalb sage ich im Song „Alpenbarbie“ ja auch „Traktor statt Ferrari“. In meinem Dorf leben 33 Menschen, das ganze Tal hat vielleicht 1800 Einwohner – bei uns ist das Traktorfahren Kult und einfach cool. Mich jedenfalls beeindruckt ein Traktor mehr als ein Ferrari.

Allerdings besingen Sie in „Schicki Micki“ auch die Freuden des glamourösen Lebens.

Das ist ja kein Widerspruch. Ich bin eine Mischung aus den Alpen und der Barbie. Ich kann in High Heels, aber auch in Gummistiefeln meine Frau stehen. Ich verurteile niemanden und finde, dass man sein Leben so leben sollte, wie man möchte.

Diese Verbindung aus Traditionsliebe und Bekenntnis zum modernen Leben, ist das so etwas wie der Kern der Melissa Naschenweng?

Ja, definitiv. Ich vergesse nicht, wo ich herkomme, und ich gehe zugleich mit der Zeit. Man darf nicht stehenbleiben. Das Bild der Frau hat sich ja sowieso sehr verändert. Die Barbie ist heute eine freiheitsliebende, selbstbewusste Frau, die alles erreichen kann, was sie möchte. Deshalb denke ich, in jeder Frau steckt auch eine Barbie. Auf Tournee bin ich für 25 Menschen verantwortlich, da muss ich die Chefin sein und meine Frau stehen. Anders geht es gar nicht. Generell versuche ich, das Frauenbild in den Köpfen der Menschen zu erweitern.

Und dass Sie eine pinke Lederhose tragen …

… gehört für mich dazu. Genau wie meine pinke Harmonika. Ich habe beides immer dabei, ich singe in österreichischem Dialekt, aber trotzdem bin ich eine moderne Frau. Die Lederhose, die es auch in Schwarz und glitzernd gibt, ist mein Markenzeichen. Die pinke trage ich sogar schon seit acht oder neun Jahren.

Die pinke Lederhose trägt sie schon seit ein paar Jahren, sagt Melissa Naschenweng – das Bild von 2017 beweist es.
Die pinke Lederhose trägt sie schon seit ein paar Jahren, sagt Melissa Naschenweng – das Bild von 2017 beweist es. | Bild: Bodo Schackow/dpa

Sie haben beim Volksmusik-Grand-Prix 2010 den zweiten Platz belegt und ein Jahr später Ihr erstes Album veröffentlicht. Was würden Sie der 20-jährigen Melissa sagen wollen?

Ich glaube nicht, dass ich irgendetwas anders machen würde. Diese leichte Naivität hat für mich dazugehört. Ich bin blind in die Musikbranche reingeflogen, hatte kein Konzept, sondern habe einfach nur gemacht und mich ausprobiert. Niemand hat mir gesagt: Du musst das und das spielen. Ich habe mich einfach von meinem Herzen leiten lassen und mehr und mehr Fans dazugewonnen.

Und zugleich war es natürlich eine Ochsentour. Mein Papa hat mich zu den Auftritten gefahren. Ich war mir total sicher, dass es mit der Musik für mich funktionieren wird. Ich habe das einfach total geliebt. Ich war zehn Jahre lang richtig hartnäckig. Inzwischen habe ich sechsmal den Amadeus gewonnen, habe auf dem neuen Album an neun Songs mitgeschrieben und weiß, wer ich bin: ein Mädel vom Bauernhof, das wahnsinnig gerne Musik macht und mit allen feiern will. Und nun, nach neun Jahren, hat mein Papa seinen Gasthof endlich wieder öffnen können.

In Österreich sind Sie ein Topstar, jetzt arbeiten Sie daran, sich in Deutschland zu etablieren.

Das ist definitiv eine Herausforderung, die ich gerne annehme. Ich möchte, dass auch die Deutschen die Melissa Naschenweng verstehen und lieben lernen. Wir werden in diesem Jahr richtig Gas geben. Die Leute sollen wissen, dass meine Konzerte für alle sind – vom kleinen Kind bis ins hohe Alter flippen alle aus.

Melissa Naschenwengs Album „Alpenbarbie“ ist gerade erschienen.
Melissa Naschenwengs Album „Alpenbarbie“ ist gerade erschienen. | Bild: Sony Music

Lesen Sie, was im Internet so über Sie geschrieben wird?

Na ja, ich sage immer, das Internet ist Segen und Fluch zugleich. Mittlerweile habe ich ein dickes Fell. Ich sorge ja für viele Schlagzeilen, den einen passt das nicht, den anderen jenes nicht, aber ich denke, man muss doch nicht immer perfekt sein. In welcher Gesellschaft leben wir denn? Fast kein Fehler wird mehr verziehen. Ich bin eine Gegnerin davon, dass man immer alles wissen und alles können muss. Fehler sind menschlich, und wir alle sind auf der Welt, um zu lernen.

„Wenn I den Teufel brauch“ haben Sie gemeinsam mit Maite Kelly geschrieben. Sind Sie Freundinnen?

Das würde ich auf jeden Fall sagen. Wenn ich in dieser Branche eine Freundin gefunden habe, dann ist das Maite. Ich verstehe mich ja mit vielen gut, man trifft sich ja in der Regel ein paar Mal im Jahr bei den großen TV-Shows, ich habe auch schon mit Helene Fischer und einigen anderen gesungen. Aber mit Maite halte ich auch abseits der Bühne Kontakt. Die Frau pusht und motiviert mich sehr. Sie ist so etwas wie meine große Schwester aus Deutschland.

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Wer ist denn der besungene Teufel?

Davon gibt es viele. (lacht) In vielen Menschen steckt ein kleines Teufelchen. Das ist nicht immer was Schlechtes, und gerade die Bad Boys sind ja nicht selten die leidenschaftlichsten Männer.

Woher wissen Sie das?

Das sind Erfahrungswerte. (lacht) Und man kann aus so einem Treffen mit einem Teufelchen durchaus auch gestärkt hervorgehen. Solche Erlebnisse gehören zum Erwachsenwerden einfach dazu.

Handelt auch das Stück „Auf Zeit geliebt“ von diesen kleinen Liebesteufeln?

Auch in mir steckt manchmal ein Teufelchen, das sollte man nicht verschweigen. Wenn man mit 14, 15 das erste Mal verliebt ist, glaubt man ja, das sei für immer, man will dann ja auch von den Eltern nichts hören. Dann kommt der Nächste, wieder nur auf Zeit, aber irgendwann ist man in dem Alter, wo man denkt: „Hoffentlich hält das jetzt für immer!“

„Ich singe in österreichischem Dialekt, aber trotzdem bin ich eine moderne Frau“, sagt Melissa Naschenweng.
„Ich singe in österreichischem Dialekt, aber trotzdem bin ich eine moderne Frau“, sagt Melissa Naschenweng. | Bild: Anelia Janeva/Sony Music

Sie sind 34 und in einer Beziehung. Haben Sie das „Für immer“-Alter jetzt erreicht?

Das hoffe ich. Ich würde jedenfalls gerne bei ein und demselben bleiben und mich nicht immer wieder neu verlieben in Zukunft. Meine Oma war 62 Jahre lang mit meinem Opa verheiratet. Die haben mir vorgelebt, dass es sich lohnt, an die große Liebe zu glauben. Auch bei meinen Großeltern war nicht immer alles einfach, aber sie haben zusammengehalten und sich bis zum Ende geliebt.

Sind auch Ihre Eltern noch zusammen?

Nein, ich bin ein Trennungskind. Meine Eltern haben sich getrennt, als ich drei war. Aber das habe ich gar nicht so gespürt. Mit meiner Mama bin ich zehn Minuten weiter gezogen. Meinen Papa und meine Großeltern konnte ich immer sehen, wenn ich wollte. Mein Vater ist auch Musiker. Von ihm habe ich die Liebe zur Harmonika.

Seit wann spielen Sie die steirische Harmonika schon?

Schon ewig. Ich konnte eher die Harmonika spielen als lesen und schreiben. Bevor ich in die Schule gekommen bin, habe ich das ganz schnell gelernt, weil ich mit meinem Papa spielen wollte.