Derzeit wird gemalt auf der Seebühne in Bregenz. Mit feinen Pinselstrichen entstehen filigrane japanische Landschaftszeichnungen auf dem weißen Untergrund, der sich ebenfalls so leicht und luftig über den See zu wölben scheint wie ein Blatt Papier im Wind.

„Wir möchten die Leichtigkeit eines dünnen Papierblatts vermitteln“, hat Wolfgang Urstadt, der Technikdirektor der Bregenzer Festspiele, das Ziel für das neue Bühnenbild beschrieben, das der Kanadier Michael Levine entworfen hat.
Die Oper spielt in Japan
Tatsächlich ist das Bühnenbild aus Stahl, Styropor und Holz etwa 300 Tonnen schwer. Die Anleihe bei der japanischen Kultur hat einen speziellen Grund. Denn Giacomo Puccinis Oper „Madame Butterfly“, die ab 20. Juli als Spiel auf dem See gezeigt wird, spielt in Japan.
Es ist die aufwühlende Geschichte der Geisha Cio-Cio-San, genannt Butterfly, die von dem amerikanischen Marinesoldaten Pinkerton emotional und sexuell ausgebeutet und dann verlassen wird. Er kehrt nur noch einmal zurück, um den gemeinsamen kleinen Sohn abzuholen.

Andreas Homoki, Intendant am Zürcher Opernhaus, setzt die herzzerreißende Handlung in Szene. Mit wie viel Bühnenzauber, Licht, Effekten oder auch digitalen Projektionen er in seiner Inszenierung spielen wird, bleibt bis zur Premiere ein Geheimnis. Danach sind noch 25 Aufführungen bis zum 21. August angesetzt. Es spielen die Wiener Symphoniker, am Pult wechseln sich Enrique Mazzola und Yi-Chen Lin ab.
Das Spiel auf dem See ist zwar der spektakulärste Teil der Bregenzer Festspiele, aber längst nicht der einzige. Auch in diesem Jahr bieten die knapp fünf Wochen wieder eine Fülle an Programm mit Theater, Oper und Konzerten. Einen Tag nach „Madame Butterfly“ hat im Festspielhaus die Oper „Sibirien“ von Puccinis Zeitgenossen Umberto Giordano Premiere. Auch hier geht es um ein tragisches Frauenschicksal, um das der ehemaligen Kurtisane Stephania.

Interessantes Detail: „Siberia“ (so der italienische Originaltitel) wurde 1903 an der Mailänder Scala anstelle Giacomo Puccinis verschobener „Madama Butterfly“ uraufgeführt. In Bregenz ist die Inszenierung von Vasily Barkhatov nach der Premiere nochmal am 24. Juli vormittags sowie am 1. August abends zu sehen. Die musikalische Leitung hat Valentin Uryupin.
Modern und experimentell
Ihre moderne und experimentelle Seite zeigen die Bregenzer Festspiele in zwei Musiktheater-Produktionen auf der Werkstattbühne: Da ist erstens Johannes Kalitzkes „Kapitän Nemos Bibliothek“ nach dem gleichnamigen Roman von Per Olov Enquist.
Der erzählt von zwei Jungen, die im Alter von sechs Jahren erfahren, dass sie bei der Geburt vertauscht wurden und die nun bei der jeweils anderen Mutter leben müssen – eine traumatische Erfahrung, der sich der Ich-Erzähler durch das Abtauchen in eine Fantasiewelt entzieht.
Regisseur Christoph Werner (Intendant des Puppentheaters Halle) und Ausstatterin Angela Baumgart fangen durch den Einsatz von Puppen das subtile Spiel zwischen Wirklichkeit und Fantasie ein. Es spielt das Ensemble Modern. Aufführungen sind am 27. und 29. Juli.
Melancholie im Mittelpunkt
Auch an der zweiten Musiktheaterproduktion ist das Ensemble Modern beteiligt. „Melancholia“ nennt sich die multimediale Komposition von Brigitta Muntendorf, einer der vielleicht spannendsten künstlerischen Stimmen der jüngeren Generation.
Ausgehend von Albrecht Dürers Bild „Melancolia I“ erkundet sie die gegensätzlichen Bedeutungen von Wertungen von Melancholie aus und nutzt dafür Stereotypen aus Renaissance, Romantik, Pop und Kitsch. Visuelle Welten treffen auf 3D-Audiolandschaften oder synthetisch geklonte Stimmen. Aufführungen sind am 18. und 20. August.
Der „Sturm“ von Shakespeare
Auch das Sprechtheater hat seinen Platz bei den Festspielen. So gibt es am 23., 25. und 26. Juli im Theater am Kornmarkt und als Koproduktion mit dem Theater Berlin Aufführungen von William Shakespeares „Der Sturm“, und zwar in einer Übersetzung von Jakob Nolte. Die Inszenierung liegt bei Jan Bosse.
Das Opernstudio der Festspiele ist in diesem Sommer mit gleich zwei Inszenierungen dabei – was Corona geschuldet ist. Mit „Die Italienerin in Algier“ lädt jene Rossini-Oper ins Theater am Kornmarkt, die aufgrund der Pandemie in der vergangenen Saison kurzfristig abgesagt wurde. Regie führt Brigitte Fassbaender. Die Premiere geht bereits vor Festspielstart am 8. Juli über die Bühne (weitere Aufführungen am 10. und 12. Juli).
Währenddessen startet Regisseur Jörg Lichtenstein gemeinsam mit jungen Sängerinnen und Sängern die Probenarbeit zu Joseph Haydns Armida als zweites Opernstudiowerk des kommenden Jahres. Premiere ist am 15. August, weitere Aufführungen am 17. und 19. August. Beide Male dirigiert Jonathan Brandani das Symphonieorchester Vorarlberg.
Ein immer wieder gern gesehener und gehörter Gast in Bregenz ist die österreichische Musicbanda Franui. In ihrem neuen Programm „Fräulein Else“ widmen sie sich dem gleichnamigen Stummfilmklassiker aus dem Jahr 1929.
Gemeinsam mit dem Kabarettduo maschek liefern sie eine Live-Synchronisation und Neuvertonung der bewegten Bilder und erwecken Paul Czinners Bearbeitung von Arthur Schnitzlers Novelle zu neuem Leben – traurig-schaurig, bittersüß und im Schmerz auch komisch. Termin ist der 3. August um bereits 17 Uhr.
Die japanische Koto ist zu hören
Nicht zuletzt sind auch die Orchesterkonzerte mit den Wiener Symphonikern und dem Symphonieorchester Vorarlberg ein fester Bestandteil der Bregenzer Festspiele. Passend zum Spiel auf dem See kann man in diesem Jahr die faszinierende Klangwelt des japanischen Instruments Koto, eine Zither, erleben.
Malika Kishino schrieb für das Instrument ein Solokonzert, das am 25. Juli aufgeführt wird. Der Blick auf das Bühnenbild von Madame Butterfly liefert die passende Kulisse. Daneben stehen in den vier Orchesterkonzerten unter anderem Werke von Ludwig van Beethoven und Richard Wagner, Dmitri Schostakowitsch, Peter Tschaikowsky und Igor Strawinsky auf dem Programm.
Bregenzer Festspiele, 20. Juli bis 21. August. Tickets und Infos unter: http://www.bregenzerfestspiele.com