Liebe Barbie,

erst einmal herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Leinwand-Erfolg. 316 Millionen Euro spielte ihr Film laut Branchenschätzung am ersten Wochenende ein. Und hängte damit sogar den Kinostart von Christopher Nolans „Oppenheimer“ ab.

Bemerkenswert: Der Film über den „Vater der Atombombe“ wird vom Streifen über eine Puppe in den Schatten gestellt. Warum? Das können Sie sich vermutlich selbst nicht erklären. Schließlich stecken Sie – zumindest im Film – in einer Sinnkrise.

Barbie trifft auf traurige Menschen

In Ihrer perfekten pinken Welt denken Sie plötzlich über den Tod nach und – schlimmer noch – bekommen Cellulite. Den Auslöser dafür suchen Sie in der Menschenwelt. Ja, hier gibt es viel Traurigkeit. Und mindestens genauso viel Cellulite. Aber vor allem gibt es das Patriarchat, gegen das die Menschenfrauen seit Jahrhunderten ankämpfen.

Sie, liebe Barbie, stolpern völlig unbewaffnet in diese Welt und erkennen schnell: Nur auf die Optik reduziert zu werden, ist nicht immer von Vorteil. So beginnt die Suche nach Ihrer wahren Bestimmung.

Ganz ehrlich: Fast hätte ich Ihnen abgekauft, dass wir Sie seit 1959 missverstehen. Dass Sie junge Mädchen mit Ihrer Makellosigkeit nicht unter Druck setzen, sondern inspirieren wollen.

Drei Barbie-Puppen 2007 in der Ausstellung „Busy Girl – Barbie macht Karriere“ im Stadtmuseum in Köln. Die ...
Drei Barbie-Puppen 2007 in der Ausstellung „Busy Girl – Barbie macht Karriere“ im Stadtmuseum in Köln. Die Puppen-Ikone gibt es in knapp 200 Modellen. | Bild: Fredrik Von Erichsen/dpa

Dass Sie mit Ihren mittlerweile 174 Puppen-Freundinnen echte Individualität leben. Eben dass Sie mehr sind als die hübsche, vollbusige Blondine. Doch auch, nachdem ich Sie auf der Leinwand gesehen habe, bin ich nicht überzeugt.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich habe großen Respekt vor Ihnen. Sie sind eine Ikone. Junge Mädchen und Frauen auf der ganzen Welt lieben es, sich in Ihre farbenfrohe Welt zu träumen.

Pink in Perfektion – das ist Barbie

Oder Ihren Stil nachzuahmen und neu zu interpretieren – was man derzeit auch in den Kinosälen beobachten kann. Sie sind schlicht und einfach Kult. Das muss man erst mal von sich sagen können. Für J. Robert Oppenheimer kleidet sich sicher niemand entsprechend.

Nichtsdestotrotz leben Sie einen Traum. Pink in Perfektion – das ist Barbie. Daran ändern auch die Birkenstock-Sandalen nichts, in die Sie im Film schlüpfen. Und auch Ihr fehlendes Make-up macht Sie nicht zur Feministin.

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Von mir aus hätten Sie die Stöckelschuhe ruhig anbehalten können. Starke Frauen tun das, was sie für richtig halten. Wenn sie Lust haben, auch in High-Heels. Aber vielleicht bin ich da auch zu streng mit Ihnen. Wer seit gut 65 Jahren hohe Schuhe trägt, wechselt sicher gerne zu Pantoletten.

Dass Sie sich selbst und Ihren eigenen Kosmos so herrlich auf die Schippe nehmen können, hat mich wirklich überrascht. Was Ken angeht, finde ich allerdings, schießen Sie übers Ziel hinaus.

Als er Barbieland erobern will, beginnt der Kampf: Patriarchat gegen Matriarchat. Da hätte es sicher noch eine bessere Lösung gegeben. Dennoch: Seien Sie stolz auf Ihren Erfolg, ich hoffe, Sie finden aus Ihrer Krise heraus.