„Oppenheimer“ und „Barbie“ – zwei Filme, die unterschiedlicher nicht sein könnten, aber doch irgendwie zusammengehören. Denn seit Donnerstag buhlen die Streifen, die zu meist erwarteten in diesem Jahr gehören, um die Gunst der Kinogänger. Unter dem Hashtag #Barbenheimer ist die Kombination längst ein Internetphänomen.

„Barbie“ in der Krise – SÜDKURIER-Kritiker Sascha Rettig über den Film

Eigentlich will sie einfach nur schön sein und dabei alle glücklich machen mit ihrer pinken Puppenwelt! Schillernd glamouröses plastic fantastic rundherum – mit unzähligen Outfits, schicken Cabrios und allem, was den Designern der Spielzeugfirma Mattel über die Jahrzehnte zu Barbie noch so eingefallen ist. Doch genau damit lieferte die wohl berühmteste Puppe der Welt immer wieder auch Anlass für Kritik, vor allem im Hinblick auf Schönheitsideale und Frauenbilder.

Der erste „Barbie“-Kinofilm hätte durchaus ein Dauerleinwandwerbeclip werden können, abgefüllt mit grellen Oberflächenreizen und unverfänglichen Gags. Glücklicherweise aber hatte Mattel etwas anderes im Sinn und den Mut, Greta Gerwig als Regisseurin an Bord zu holen. Eine unkritische Barbie-Huldigung war von der gelegentlich Regie führenden Schauspielerin kaum zu erwarten.

Ryan Gosling als Ken and Margot Robbie als Barbie in einer Szene der Films „Barbie“.
Ryan Gosling als Ken and Margot Robbie als Barbie in einer Szene der Films „Barbie“. | Bild: Warner Bros. Pictures/dpa

Der Trailer zu „Barbie“ schien die Hoffnung zu bestätigen und feuerte den Hype ordentlich an – mit ironischen Gags und vielversprechend besetzt mit Margot Robbie und Ryan Gosling als Barbie und Ken.

Auch im Film dauert es nicht lange, bis die perfekte Welt des Barbie-Lands Risse bekommt. Barbie hat plötzlich Gedanken zum Tod. Und ihre Füße, normalerweise durch Hackenschuhe an Zehenspitzengang gewöhnt, sind auf einmal flach. Was soll da als noch kommen? Cellulitis?

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Das darf nicht sein, aber genau das wird ihr als nächste Stufe des ultimativen Barbie-Schreckensszenarios prophezeit. Um das zu verhindern, muss sie in die echte Welt, die Menschenwelt, brausen und das Mädchen finden, das für ihre ungewohnten Gedanken verantwortlich ist.

Margot Robbie als Barbie steht im Zentrum einer Party in Barbie-Land in einer Szene der Films „Barbie“.
Margot Robbie als Barbie steht im Zentrum einer Party in Barbie-Land in einer Szene der Films „Barbie“. | Bild: Warner Bros. Pictures/dpa

Ken, in dem länger eine große Unzufriedenheit als ewige zweite Geige brodelt, hat sich auf den Rücksitz geschlichen. In Los Angeles beschäftigt er sich damit, was es bedeutet, wirklich männlich zu sein. Während Barbie mit ihrer existenziellen Krise ringt, will er Barbie-Land zum Ken-Reich mit vorherrschendem Patriarchat machen.

Mit Kritik am Barbie-Universum hält sich der Film nicht zurück. Barbie werfe die Frauenbewegung um Jahrzehnte zurück, muss sie sich von einer Teenagerin anhören! Auch darüber hinaus reflektieren Gerwig und ihr Co-Autor, ihr Lebenspartner Noah Baumbach, im Film viele Gedanken, die dieser ganze Kosmos anregt: über Rollenbilder, wirkliche Schönheit und weibliche Selbstbestimmung, über gesellschaftliche Erwartungen und männliche Vorherrschaft.

Regisseurin Greta Gerwig erweckt die Barbiepuppe zum Leben – und übt dabei Kritik an Rollenbildern und Schönheitsidealen.
Regisseurin Greta Gerwig erweckt die Barbiepuppe zum Leben – und übt dabei Kritik an Rollenbildern und Schönheitsidealen. | Bild: Justin Tallis/AFP

Das ist smart und für solch eine Produktion ungewöhnlich. Nachdem die erste Hälfte dem Barbie-Kosmos noch ironische Puppengags und lustige Momente abtrotzen kann, ist die zweite verhältnismäßig verkopft. Der grelle, losgelöste Spaß mit der Idealbesetzung Robbie und Gosling wird so deutlich ausgebremst.

Die Quadratur des Kreises aus unbefangener Unterhaltung mit feministischem Überbau gelingt Gerwig so zwar nicht ganz – aber immerhin fast.

Geschichtsstunde mit „Oppenheimer“? Das sagt SÜDKURIER-Kritiker Patrick Heidmann

Schon mit seinem zweiten Film „Memento“ etablierte sich Christopher Nolan vor 23 Jahren als Regisseur, der sich darauf versteht, Geschichten komplex, spannend und vor allem selbstbewusst zu erzählen. Mittlerweile wird jeder seiner Filme im Vorfeld als Ereignis gefeiert, selbst wenn – wie im Fall von „Oppenheimer“ – der Plot klingt wie eine dröge Geschichtsstunde.

Die Sache mit der Geschichtsstunde erweist sich als Trugschluss, trotzdem ist der Titel Programm: Nolan erzählt das Leben von J. Robert Oppenheimer, jenem Physiker, der als Erfinder der Atombombe bezeichnet wird.

Cillian Murphy als J. Robert Oppenheimer in einer Szene des Films „Oppenheimer“.
Cillian Murphy als J. Robert Oppenheimer in einer Szene des Films „Oppenheimer“. | Bild: Melinda Sue Gordon/Universal Pictures/dpa

Oppenheimer (Cillian Murphy), als Sohn deutsch-jüdischer Einwanderer in New York geboren, verschlägt es während des Studiums erst nach Cambridge, dann nach Göttingen, wo sein Weg den von Nobelpreisträger Niels Bohr (Kenneth Branagh) und Werner Heisenberg (Matthias Schweighöfer) kreuzt. Gemeinsam wollen sie sich nicht von den angestammten Grenzen physikalischer Forschung beschränken lassen.

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Zurück in der Heimat macht Oppenheimer sich in Berkeley nicht nur Freunde damit, dass er Interesse an der kommunistischen Idee aufbringt. Während des Zweiten Weltkriegs, als Präsident Franklin D. Roosevelt eine nukleare Bombe fordert, macht ihn Lieutenant General Groves (Matt Damon) zum Leiter des dafür zuständigen Manhattan-Projekts.

Robert Downey Jr. (vorn) als Lewis Strauss in einer Szene des Films „Oppenheimer“.
Robert Downey Jr. (vorn) als Lewis Strauss in einer Szene des Films „Oppenheimer“. | Bild: Melinda Sue Gordon/Universal Pictures/dpa

Gemeinsam bauen sie in der Wüste von New Mexico das Los Alamos National Laboratory auf, mit eigener Stadt für all jene Wissenschaftler, die dafür sorgen, dass am 16. Juli 1945 im Trinity-Test die erste Atombombe der Welt gezündet wird.

Den Weg dorthin zeichnet Nolan keineswegs chronologisch – er sei außer Stande, eine Geschichte linear zu erzählen, gab Damon über seinen Regisseur zu Protokoll. Hin und her springt die Handlung auf dem Zeitstrahl des Films. Das kann verwirrend sein, zumal Nolan die Oppenheimer umgebenden Figuren nicht auf eine Handvoll beschränken mag.

Regisseur Christopher Nolan ist mit „Oppenheimer“ ein Meisterwerk gelungen.
Regisseur Christopher Nolan ist mit „Oppenheimer“ ein Meisterwerk gelungen. | Bild: Julien de Rosa/AFP

Doch je länger der 180-minütige Film dauert, desto mehr zieht er die Zuschauer in seinen Bann. Ohne dass man viel von Physik verstehen müsste, macht Nolan Oppenheimers Hingabe an die Wissenschaft spürbar. Der Countdown zum Atombomben-Test gehört trotz des bekannten Ausgangs zum Spannendsten, was in diesem Jahr auf der Leinwand zu sehen war.