Perihan S. (48) trägt hohe schwarze Stiefeletten zu ihrem getigerten Mantel, sie hat rosa Lippenstift und roten Nagellack aufgetragen. Diese Frau wirkt am zweiten Prozesstag vor dem Oberlandesgericht in Düsseldorf tiefenentspannt. Als würde sie gar nicht wahrhaben, weshalb sie vor Gericht steht. Dem SÜDKURIER darf sie nichts sagen, sie habe Anweisungen von ihrer Anwältin Andrea Groß-Böltin bekommen. Diese fröhliche und höfliche Frau ist dieselbe, die zum Gerichtsauftakt ihr Gesicht hinter einer riesigen dunklen Sonnenbrille und einer Kappe versteckte.

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Es ist eine Frau, der vorgeworfen wird, Waffenzubehör nach Syrien geschmuggelt und den IS unterstützt zu haben. Sie habe ihren beiden Söhnen Ismail S., jenen Mann, den Sarah O. nach islamischem Recht heiratete, und Emre S. massive finanzielle Unterstützung zukommen lassen. Fast 25.000 Euro flossen.

183 Magazine für Kalaschnikows

Perihan S. soll sich Magazine und Visiereinrichtungen für Schusswaffen, vor allem für Kalaschnikows liefern haben lassen. 2014 gelang es ihr der Anklage nach, 50 Magazine nach Jarabulus in Nordsyrien zu schaffen, einen Monat später wurde sie mit 183 Magazinen für Kalaschnikows und 31 Pistolenmagazinen am Flughafen Köln-Bonn vom Zoll aufgegriffen.

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Trotzdem gelang es ihr im selben Monat erneut, etwa 97 Magazine aus Deutschland herauszuschmuggeln, diese wurden aber am Flughafen der türkischen Grenzstadt Gaziantep beschlagnahmt. Mehrere der Lieferungen wurden von ihrem Mann Ahmet S. bezahlt. Auch er versuchte der Anklage zufolge, Waffenzubehör zu transportieren. Es ging um Zielfernrohre, ein Visier und Montageschienen für Kalaschnikows. Das Material wurde noch am Flughafen Köln-Bonn sichergestellt.

Schwiegereltern auf freiem Fuß

Das Ehepaar lebt getrennt. Beiden wird die Unterstützung des IS und die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat vorgeworfen. Dennoch sind beide auf freiem Fuß – weil keine Fluchtgefahr bestehe, wie Anwalt Serkan Alkan erklärt. Er verteidigt Ahmed S. Als der grauhaarige 51-Jährige in der Prozesspause aus dem Gerichtsgebäude geht, wirkt er ein wenig verloren.

Anwalt Alkan sagt über seinen Mandanten, er sei „ganz weit weg von Islamismus“: „Er litt früher an Spielsucht“ – das passe nicht zu einem strenggläubigen oder gar fanatischen Muslim. „Er ist einer der Gastarbeiter, die hier sind und ihren Glauben mitgebracht haben – so schätze ich ihn ein“, sagt er.

Die Kinder, nicht den IS unterstützen

Die Eltern stammen aus der Türkei – und da sei es eben so, dass man die Kinder unterstütze, erklärt Alkan, der selbst Sohn türkischer Gastarbeiter ist. „Meiner Meinung nach ging es nie darum, den IS zu unterstützen, sondern die Kinder“, vermutet er. Doch ganz unwissend kann Ahmed S. nicht gewesen sein. Schließlich hat er einige der Waffenlieferungen an seine Frau bezahlt. „Wahrscheinlich“ habe er es gewusst, schätzt selbst Alkan.

In der Zeit, als der Waffenschmuggel begann, hätten die „Gräueltaten des IS“ noch nicht begonnen. Der Vater habe wohl gedacht, „er gibt das Geld ja nicht dem IS, sondern seinen Söhnen“. „Man kann sich auch viel schönreden“, ergänzt Alkan: „Ich glaube nicht, dass das Recht- und Unrechtsbewusstsein da gewesen ist.“

Er vermutet, dass Perihan S. die treibende Kraft bei der Unterstützung der Söhne gewesen ist. Ahmed S. sei einer, der versuche, seinen Verpflichtungen nachzukommen, der nicht zu spät zur Arbeit kommen will und nicht verstehe, dass das Gericht darauf keine Rücksicht nehmen könne. „Er ist ein einfacher Arbeiter“, erklärt Alkan. Die Bundesanwaltschaft sieht das anders.

Gerade gegen Perihan S. wiegen die Vorwürfe schwer. Anwältin und Verteidigerin Andrea Groß-Böltin wehrt wohl auch deshalb ab. Sie spreche grundsätzlich nicht mit der Presse: „Ich kann Ihnen gar nichts sagen.“

Perihan S. scheint dennoch guter Dinge zu sein. Wenn der Prozess vorbei sei, gebe sie gerne ein Interview, verspricht sie. Ihr Adoptivvater wird an diesem Tag als Zeuge aussagen. „Ich könnte Ihnen viel erzählen“, sagt er dem SÜDKURIER. Aber er darf nicht.