Herr Jung, wie lange wird es dauern, bis sich das Land wieder von der Coronakrise erholt hat?
Das kann man heute nicht sagen, wir sind noch mitten in der Krise. Jetzt geht es darum, dass wir gut rauskommen. Ziel ist nicht, den vorherigen Zustand zu erreichen, sondern voranzugehen, also besser aufgestellt zu sein. Beispielsweise mit dem digitalen Ausbau, mit dem Klimaschutz, der Stärkung des öffentlichen Verkehrs.
Welche Maßnahmen sollen insbesondere der Region helfen?
Wir haben ein Konjunkturpaket für alle Bürger und Kommunen in Deutschland geschnürt. Da sind Steuererleichterungen genauso enthalten wie die Deckelung der Sozialabgaben und eine Bremse für Energiekosten. Das sind die Fragen, die die Menschen überall umtreiben.
Wo soll es Steuererleichterungen geben und wie wirkt sich das im Alltag aus?
Ganz konkret: Von Anfang Juli bis Ende Dezember wird die Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent gesenkt – und der ermäßigte Satz von sieben auf fünf Prozent. Dadurch wird alles etwas billiger, der tägliche Einkauf genauso wie größere Anschaffungen.
Welche Unterstützung gibt es für Alleinerziehende oder Familien mit Kindern?
Zunächst sollen Familien einen einmaligen Zuschlag von 300 Euro auf das Kindergeld bekommen. Bei Familien mit größeren Einkommen wird dieser Zuschlag wieder mit der Steuer verrechnet, so dass die Familien gefördert werden, die jetzt Hilfe gut brauchen können. Zudem wollen wir die Ganztagsbetreuung und den Kitaausbau fördern, um Familien zu unterstützen.
Die Menschen fürchten sich vor steigenden Strompreisen. Wie soll das verhindert werden?
Indem wir das Klimapaket fortsetzen. Darin wurde beschlossen, dass wir mit Einnahmen aus dem Verkauf von CO2-Emissionszertifikaten den Ausbau der Erneuerbaren mitfinanzieren. Die Mittel kommen zur Entlastung der Stromkunden in den Topf der EEG-Umlage. Das wird jetzt aber nicht reichen, deshalb bremsen wir den Preis mit zusätzlichen Mitteln in diesem Topf. So garantieren wir, dass die Umlage bis 2022 bei sechs Cent pro Kilowattstunde gedeckelt wird.
Wie sieht das mit den Sozialabgaben aus? Werden sie steigen?
Ohne ein Eingreifen würden sie steigen. Die Sozialkassen haben durch die Krise mehr Ausgaben, das würde sich in höheren Beiträgen niederschlagen. Deshalb fließt auch hier in den nächsten zwei Jahren ein zweistelliger Milliardenbetrag aus der Staatskasse – die genaue Summe steht noch nicht fest. Mit den zusätzlichen Mitteln wird garantiert, dass die Sozialabgaben 40 Prozent des Bruttolohns – je zur Hälfte vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer zu tragen – nicht übersteigen.
Welche zusätzlichen Hilfen gibt es für kleine und mittelständische Betriebe?
Aufbauend auf Soforthilfen und günstigen Krediten für mittelständische Betriebe gibt es jetzt einen Überbrückungsfonds mit insgesamt 25 Milliarden Euro, gerade für Betriebe, die von Gästen und vom Tourismus leben – und deren Umsätze auch noch in den nächsten Monaten einbrechen. Etwa Bars und Restaurants, Jugendherbergen, Hotels und Reisebüros können hier Unterstützung beantragen.
Ist das Kurzarbeitergeld gesichert?
Das Instrument des Kurzarbeitergelds wird fortgesetzt auch im kommenden Jahr fortgesetzt. Es hat sich in der letzten Krise 2009 bis 2010 sehr bewährt: Deshalb wurde es im europäischen System übernommen, unter anderem in Italien und Spanien. Denn so können Unternehmen ihre qualifizierten Mitarbeiter behalten.
Welche Hilfen gibt es für die Kommunen, die mit wachsender Arbeitslosigkeit und sinkenden Steuereinnahmen steigende Sozialleistungen und öffentliche Ausgaben stemmen müssen?
Der Bundesanteil bei den Sozialkosten wird massiv erhöht: Für Unterkünfte für Arbeitslose und Erwerbsunfähige wird der Anteil von 50 auf 75 Prozent steigen. Das sind vier Milliarden Euro, mit denen die Kommunen entlastet werden. Zudem wird der Bund Einnahmeausfälle durch wegfallende Gewerbesteuer kompensieren und kommunale Investitionen wie den Ausbau des öffentlichen Nahverkehr noch stärker fördern.
Wie sollen junge Menschen an einen Ausbildungsplatz kommen, wenn die Unternehmen keine Stellen mehr ausschreiben?
Für die Unternehmen gibt es eine Azubiprämie, wenn sie trotz Krise genauso viele Azubis einstellen wie im Jahr zuvor. So sollen Anreize geschaffen werden, damit junge Menschen eine gute Perspektive haben.
Woher soll das Geld für all diese Maßnahmen kommen?
Das Geld dafür kommt aus dem Bundeshaushalt. Wir haben mit der Ausnahmeregelung zur Schuldenbremse im März bereits Schulden in Höhe von 156 Milliarden Euro aufgenommen. Für die jetzigen Maßnahmen müssen noch einmal etwa 30 Milliarden Euro aufgenommen werden.
Was wird es uns kosten, aus der Krise zu kommen?
Das jetzige Paket umfasst 130 Milliarden Euro, 120 Milliarden davon entfallen auf den Bund, 10 Milliarden auf die Länder. Es sind noch Mittel von der Schuldenaufnahme im März verfügbar. Die zusätzlichen 30 Milliarden Euro müssen in einem Nachtragshaushalt mit einem verbindlichen Tilgungsplan verknüpft werden.
Verschulden wir damit nicht die nachkommenden Generationen?
Das müssen wir vermeiden. Die Abzahlung muss diese Generation leisten. Deshalb wird die Rückzahlung über 20 Jahre gesetzlich geregelt. Demnach müssten insgesamt etwa 6,5 Milliarden Euro pro Jahr zurückgezahlt werden. Das ist natürlich eine Herausforderung, aber eine, die wir schultern können, ohne Steuererhöhungen oder Sparprogramme. Beides wäre in der Krise kontraproduktiv.