Als Sina Ojo von der Presseabteilung des SC Freiburg mailt, dass ich zu den zehn Zeitungsreportern gehöre, die für das Spiel gegen Bremen ins Schwarzwaldstadion dürfen, bin ich noch gut gelaunt und zuversichtlich.
Schließlich hatte ich das Geisterspiel der Mannschaft von Trainer Christian Streich die Woche zuvor in Leipzig im Fernsehen gesehen – und das Erlebnis eigentlich für ganz gut befunden. Und jetzt also die Vor-Ort-Erfahrung.
Das Geisterspiel beginnt schon auf der B 31
Das Geisterspiel beginnt im Grunde schon bei der Anfahrt über die B 31. Für einen Spieltagssamstag ganz wenig Verkehr, im Höllental nicht ein einziges Auto vor mir, auch nicht in der Hansjakob-Straße, von der aus ich durch die August-Ganther-Straße Richtung Stadion quere.

Normalerweise ist das kurze, enge Sträßchen gesperrt, diesmal nicht. Und schon bin ich auf dem Parkplatz P 1 hinter der Haupttribüne des Schwarzwaldstadions, wo normalerweise nur TV-Trucks und Karossen von VIPs parken dürfen.
Es ist Corona-Zeit, auf dem Weg zur Arena muss ich durch ein kleines rotes Zelt gehen und mich anmelden.
„Mittmann, Südkurier“. Den vorab ausgefüllten Fragebogen, auf dem ich bestätige, dass ich weder Corona hatte noch habe und auch keine Anzeichen des Virus in mir spüre, reiche ich den mir entgegengestreckten helfenden Händen.
Dann wir die Temperatur gemessen, 36,1 Grad, passt, kein Fieber. Hoffentlich ist das nach dem Spiel nicht anders, denn es ist, mit Verlaub, saukalt. Gerade mal sechs, sieben Grad. Hat irgendwer einen Himbeergeist?
Gespenstische Stille
Um kurz vor drei kommen die Spieler beider Mannschaften, um sich aufzuwärmen. Normalerweise dröhnt Musik aus den Lautsprechern, normalerweise starten die Fans erste Probegesänge. Nichts davon, es ist gespenstische Stille.
Um halb vier formieren sich die Kicker und das Schiedsrichtergespann rund um den Mittelkreis, um den Toten der Corona-Pandemie zu gedenken. Die Akteure tragen einen Trauerflor.
Dann gibt Schiri Robert Hartmann aus Wangen im Allgäu das Spiel frei, der Ball rollt, die Stille verwandelt sich schnell in einen eher unangenehmen Klangteppich aus männlichem Gebrüll.
Die Freiburger machen es gar nicht so schlecht, aber die Bremer schießen das Tor. Leonardo Bittencourt trifft mit einem Fernschuss zum 1:0 für die Hanseaten. So bleibt‘s erst mal bis zur Halbzeit.
In normalen Zeiten könnte man sich jetzt im Presseraum des Schwarzwaldstadions stärken. Einen Kaffee trinken, eine Frikadelle verzehren.
Proviant von daheim
Doch dieser Raum ist wie alle anderen geschlossen. Sina Ojo hatte mitgeteilt, ein jeder möge sich von zu Hause aus Proviant mitbringen. Gesagt, getan. Mineralwasser geht ja immer – und ein Fleischküchle samt einer Scheibe Bauernbrot auch.
Halbzeit zwei. Freiburg rennt an, nicht immer plan-, aber druckvoll. Die Bremer kommen kaum mehr aus der eigenen Hälfte, und wenn sie mit Jiri Pavlenka nicht einen Teufelskerl zwischen den Pfosten hätten, gingen sie wohl noch baden im Freiburger Nieselregen.
Sieben Glanzparaden legt der Werder-Schlussmann hin, die letzte davon in der sechsten und letzten Nachspielminute gegen SC-Torjäger Nils Petersen – das war‘s, es bleibt beim 1:0 für den Tabellenvorletzten, der damit neue Hoffnung schöpft im Kampf um den Klassenerhalt.
Infernalisches Gebrüll. Dann: Stille
Das feiern Trainer Florian Kohfeldt, kaum dass Schiri Hartmann den Spuk beendet hatte, mit infernalischem Gebrüll. Wenig später ist es, wie es am Anfang war: still, gespenstisch still.
Mein Fazit: Ein Geisterspiel im Fernsehen geht irgendwie noch. Das Erlebnis im Stadion dagegen gar nicht. Die sportliche Qualität ist damit nicht gemeint, aber ohne richtige Atmosphäre wird sie fast beliebig. Dieser Fußball geht einem auf den Geist!