Walther Rosenberger und Isabelle Arndt

Die wahrscheinlicher werdende Zerschlagung des Pfullendorfer Traditions-Küchenbauers Alno wird erhebliche Auswirkungen auf das Kräftegleichgewicht im Milliarden Euro schweren Küchen- und Möbelgeschäft haben. Insbesondere im Handel herrsche „große Nervosität“, wie es mit Alno weitergehe, sagte eine mit der Lage vertraute Person unserer Zeitung. Der am Freitag von Alno-Insolvenzverwalter Martin Hörmann angekündigte Produktionsstopp für die Konzernmarken Alno, Wellmann und Pino habe die Lage verschärft.

Der Pfullendorfer Küchenbauer Alno ist ein Schwergewicht im Markt. Vor rund zwei Monaten wurde Alno zahlungsunfähig und versuchte, sich zunächst in Eigenregie zu sanieren. Vor rund zwei Wochen kündigte das Unternehmen an, in eine vorläufige Regelinsolvenz überzugehen. Das bislang federführende Alno-Management um den bosnischen Großaktionär Tahoe, das monatelang versucht hatte, Alno nach Jahren der roten Zahlen wieder auf Kurs zu bringen, wurde daraufhin entmachtet. Seitdem hat ein von einem Gericht eingesetzter vorläufiger Insolvenzverwalter, der Insolvenzrechtsexperte Martin Hörmann von der Kanzlei Anchor, die Regie.

Dieser hatte zuletzt versucht, insbesondere Großkunden und Lieferanten die Zusage für eine Zwischenfinanzierung des Konzerns abzuringen. Nach Informationen unserer Zeitung liefen Gespräche unter anderem mit dem Stuttgarter Küchengerätebauer Bauknecht sowie den Möbelhändlern Segmüller und Musterhausküchen. Eine Einigung scheiterte aber. Ein Sprecher des Insolvenzverwalters wollte sich nicht zu Details äußern.

Händler und Lieferanten, die Alno in der Vergangenheit dem Vernehmen nach schon mehrfach kurzzeitig beigesprungen waren, verweigerten nun neue Hilfen – obgleich die Häuser ein großes Interesse am Fortbestand der Traditionsmarke aus Pfullendorf haben. Der Grund: Ein dauerhaftes Ausscheiden Alnos und seiner Schwestermarken Wellmann und Pino könnte das Küchenangebot in Deutschland entscheidend verknappen und damit die Macht des Handels bei Preisverhandlungen massiv beschneiden. Selbst führende Küchenhersteller wie Nobilia, Nolte, Schmidt oder Häcker mussten in der Vergangenheit im Gegenzug für ihre Listung bei den Großhändlern teils erhebliche Preisabschläge hinnehmen. Durch das mögliche Aus von Alno würde sich das Kräftegleichgewicht wieder massiv zugunsten der Küchenbauer verschieben. Deren Werke laufen aufgrund der hohen Nachfrage schon jetzt unter Volllast, eine Ausweitung der Produktion ist kurzfristig nicht möglich. Die übrigen Küchenbauer rieben sich daher doppelt die Hände, heißt es aus der Branche. Erstens, weil ein wichtiger Konkurrent vor dem Aus stehe, und zweitens, weil Preisverhandlungen mit dem bislang übermächtigen Handel einfacher würden.

Allerdings ist das letzte Wort bezüglich Alno noch nicht gesprochen. Die Mitarbeiter sind weder entlassen noch freigestellt, sondern lediglich bis einschließlich kommenden Dienstag nicht verpflichtet, im Unternehmen zu erscheinen. Insolvenzverwalter Hörmann betont, die Produktion ruhe nur „vorübergehend“, bis ein Investor gefunden sei. Dafür bleibt dem Schwaben Hörmann allerdings nicht mehr viel Zeit. Die Gehälter der rund 1900 Alno-Beschäftigten sind nur bis Ende des Monats über Insolvenzgeld der Bundesagentur für Arbeit gedeckt. Gelingt es nicht bis dahin, einen Käufer für das Unternehmen zu finden, sei auch eine „Zerschlagung“ des Konzerns nicht ausgeschlossen, wie es vonseiten der Insolvenzverwaltung heißt. Die zwingende Folge wäre der Verlust Hunderter Arbeitsplätze. Man werde alles tun, „eine Fortführungslösung zu finden, Arbeitsplätze zu erhalten und die Interessen der Gläubiger bestmöglich zu wahren“, sagte Hörmann am Freitag. Erste Angebote von Interessenten lägen vor, mehrere Investoren seien dabei, eine vertiefte Buch- und Risikoprüfung, eine sogenannte Due Diligence, durchzuführen. Der Bieterprozess laufe weiter.

Die IG Metall ist weniger optimistisch. „Wenn die Produktion jetzt nicht läuft, wo sollen dann Aufträge ab 1. Oktober herkommen?“, fragt sich Michael Föst von der IG Metall Albstadt. Für Investoren sei es wesentlich einfacher, in eine laufende Produktion einzusteigen. Und wenn Lieferanten und Produzenten nicht mehr mit Alno zusammenarbeiten wollen, sei das schwierig. „Jetzt hängt alles am Investorenprozess“, sagte Föst. Zumindest darin besteht Einigkeit – auch mit dem Insolvenzverwalter.