Im beschaulichen Pfullendorf, dem Stammsitz des Traditionsunternehmens Alno, ist die Verunsicherung mit Händen zu greifen. „Was bedeutet das?“, fragt ein Alno-Mitarbeiter. "Wird der Betrieb jetzt aufgekauft? Werden Standorte geschlossen?" Ein anderer, der seinen Namen ebenfalls lieber nicht in der Zeitung lesen möchte, sagt, die positive Grundstimmung der letzten Zeit sei in Teilen der Belegschaft in Beunruhigung umgeschlagen. So mancher würde sich Sorgen um seine Zukunft machen. Gäbe es ein Wort, das die Gefühlslage der Alnoianer gerade umschreiben könnte – wahrscheinlich wäre es die Vokabel "Ungewissheit".
Die Unruhe, die die Belegschaft des nach eigenen Angaben "führenden Küchenmöbelhersteller Deutschlands" erfasst hat, kommt nicht von ungefähr. Am späten Donnerstagabend hat das Unternehmen Tahoe Investors angekündigt, den Pfullendorfer Betrieb aufkaufen zu wollen. Bis zu 50 Prozent der Alno-Anteile könnten so am Ende in den Händen des Investors landen. Dazu sollen in den kommenden Wochen in großem Stil Aktien des Küchenbauers bei den Eignern eingesammelt werden. Hinter Tahoe steht die bosnische Unternehmerfamilie Hastor, die wiederum Eigner des Milliardenunternehmens Prevent ist.
Das Angebot, das erst noch ausgearbeitet und dann der Finanzaufsicht Bafin vorgelegt werden muss, sieht einen Preis von 50 Cent je Aktie vor. Die Börse reagierte positiv. Am Freitag notierte das Alno-Papier zwischenzeitlich über 48 Cent und damit knapp sieben Prozent höher als am Vortag.
Dass der Hastor-Familienclan Interesse an Alno hat, ist seit einigen Monaten bekannt. Im Hochsommer 2016 machten sich mehrere Mitglieder der Familie dem Vernehmen nach persönlich ein Bild von Alno und besichtigten unter anderem das Stammwerk in Pfullendorf. Ende Juli vergab die Hastor-Firma Tahoe Investors dann einen 20-Millionen-Euro-schweren Kredit an Alno. Das war der Auftakt eines viel weitreichenderen Engagements. Eine weitere Geldspritze von 15 Millionen Euro ist mittlerweile fest zugesagt und könnte bis Ende Dezember fließen. Anfang August sicherte sich Tahoe zudem vom Alno-Ankeraktionär Whirlpool den Zugriff auf ein 14-Prozent-schweres Aktienpaket.
Am Donnerstag folgte dann der vorerst letzte Schritt. Mit mehreren Alno-Aktionären, darunter Alno-Chef Max Müller, wurde eine Stimmrechtsvereinbarung geschlossen. Diese legt die Kontrolle über rund 16,5 Prozent der an die Alno-Aktien gekoppelten Stimmrechte in die Hand von Tahoe. In Summe hat der bosnische Familienclan damit Zugriff auf gut ein Drittel der Alno-Anteile oder auf deren Stimmrechte. Aktien des Küchenbauers im eigentlichen Sinne hat das Unternehmen allerdings noch nicht erworben, zumindest ist dies nicht öffentlich geworden.
Nach Ansicht von Branchenkennern ist dennoch klar, dass die Hastors bei Alno die Macht anstreben. Unklar ist indes, was genau man mit Alno vorhat. Um den Einstieg zu bewerten, müsse man abwarten, welche Ziele der neue Investor genau verfolge, sagte Michael Foest, 2. Bevollmächtigter der IG-Metall im Bezirk Albsadt. Grundsätzlich sei das Engagement aber zu begrüßen. Alno-Chef Müller sagte, man gewinne einen strategischen Großinvestor, der dem Unternehmen Stabilität sowie eine klare Perspektive gebe. Wie genau die aussiehen könnte, blieb indes offen. Nur "langfristig" soll das Engagement sein.
Die Tahoe-Eigner indes haben in der jüngsten Vergangenheit einige Berühmtheit erlangt. Im August waren zwei Firmen des Familienimperiums – die Zulieferer Car Trim und ES Automobilguss – in einen handfesten Streit mit Volkswagen verwickelt. Weil man sich über Preise nicht einig wurde, stellten die Hastor-Firmen Teilelieferungen an Volkswagen ein. Die Produktion von VW Golf und Passat musste daraufhin an mehreren Standorten zuerst gedrosselt und dann über Tage eingestellt werden. Am Ende setzten sich die aufmüpfigen Zulieferer durch und konnten umstrittene Lieferverträge mit dem Auromobilgiganten um Jahre fortschreiben.
Der Hastor-Clan, an dessen Spitze sich gerade ein Generationswechsel vollzieht, ist aber nicht nur im Zuliefergeschäft aktiv, sondern macht sein Geld auch mit Bekleidung, Yachten und im Designbereich. Außerdem ist man in der Holzindustrie aktiv.
Die Mischung aus Automobil-Know-How und Holzexpertise könnte für die Hastors auch der Grund gewesen sein, bei der anstehenden Diversifizierung der Geschäfte einen Blick auf das Pfullendorfer Unternehmen zu werfen. Alno gilt als Premiumhersteller in seinem Bereich. Allerdings drücken Verluste und eine relativ hohe Schuldenlast auf die Innovationskraft des Unternehmens. Der neue Investor soll hier Abhilfe schaffen. Alno werde von dem "industriellen Know-How in Produktion und Logisktik profitieren", das Tahoe mitbringe, sagte Alno-Chef Müller. Das sichere Qualität und Innovation im Unternehmen.
Wer steckt hinter der Prevent-Gruppe?
- Die Hastor-Familie: Gründer der Prevent-Gruppe, ist der 1951 bei Goražde geborene bosnische Geschäftsmann Nijaz Hastor. Er war Manager im noch kommunistischen Jugoslawien im TAS-Automobilwerk in Sarajevo, das 20 Jahre lang VW-Modelle herstellte. Mittlerweile hat der Firmensenior Nijaz Hastor die Leitung an die beiden Söhne Kenan Hastor und Damir Hastor übertragen.
- Das Imperium: Das Hastor-Firmenimperium, das mit rund 12 000 Beschäftigten einen Jahresumsatz von rund einer Milliarde Euro erwirtschaftet erstreckt sich nicht nur auf den Automobilzulieferbereich. Die in Dutzenden Unterfirmen organsisierte Gruppe macht ihre Geschäfte auch mit Arbeitsbekleidung im Designbereich und mit Holzbearbeitung.
- Das Firmenimage: Die Prevent-Gruppe ist umstritten. Die einen sehen in ihr einen mutigen David, der sich im Interesser aller Zulieferer gegen den Goliath Volkswagen aufgelehnt hat. Die anderen sehen sie als Finanz-Heuschrecke, die vor keiner Eskalation zurückschreckt. Mit dem derzeit anstehenden Generationswechsel bei Prevent sei ein rauerer Wind eingezogen, sagen Branchenkenner. (wro/td)