Keine eigene Einfahrt, kein eigener Pförtner und ein Firmengelände, das sich in ein unscheinbares Industriegebiet duckt: Wer den Pharma-Hersteller Bipso am Ostrand Singens am Hohentwiel nicht sucht, wird die Firma wahrscheinlich glatt übersehen. Kein Wunder, denn bei Bipso handelt es sich um einen Hidden-Champion – ein Unternehmen also, das die Wenigsten kennen, dessen Bedeutung aber groß ist.
„Ein Produktionsausfall bei uns hier in Singen, hätte für die Gesundheitsbranche weltweit Folgen“, sagt Bipso-Chef Reinhard Adam. Er sitzt im neuen Laborgebäude auf dem Bipso-Campus und erklärt, was die Firma so wichtig macht. „Moderne Magnetresonanz- oder Computertomografen brauchen spezielle Kontrastmittel“, sagt er. „Und die stellen wir hier in Singen her. Und zwar sehr viele.“
Spezialarzneien für den Weltmarkt
Rund ein Drittel der Weltproduktion der besonderen pharmazeutischen Wirkstoffe wird von der Bipso-Mutter, dem italienischen Bracco-Konzern, gefertigt. Im Singener Bipso-Tochterwerk werden die Arzneien gemischt, kontrolliert und keimfrei verpackt. Der Standort ist die größte Produktions-Drehscheibe des italienischen Pharmaunternehmens. Rund 20 Millionen Fläschchen und Spritzen mit den sterilen Lösungen laufen hier jedes Jahr von den Bändern. Die Tendenz geht nach oben. „Wir wachsen stetig“, sagt Bipso-Geschäftsführer Adam.
Ohne die Kontrastmittel aus Singen würde die Behandlung von Patienten in den vom Volksmund gerne als „Röhren“ bezeichneten CT- oder MRT-Anlagen nicht funktionieren. Statt gestochen scharfer Aufnahmen von Nieren, Lebern oder Blutkreisläufen, würden die Mediziner in Arztpraxen oder Krankenhäusern wenig mehr als wabernden Farbenbrei auf ihren Diagnose-Bildschirmen zu sehen bekommen. Stoffwechselerkrankungen oder Krebs ließen sich so deutlich schlechter bekämpfen. „Wir wissen um unsere Bedeutung für Ärzte und Patienten“, sagt der langjährige Höchst-Manager Adam.
Bevor eine Fuhre Arzneimittel die Produktion verlässt, wird sie in einem mehrfach gestuften Prozess auf Herz und Nieren geprüft. Stimmt die Konzentration der Wirkstoffe? Sind sie rein genug? Ist alles steril? Steht das Richtige auf der Verpackung? Über 30 der insgesamt rund 400 Bipso-Mitarbeiter überwachen in den Reinräumen in Singen allein solche Parameter. Die Experten vom Hohentwiel fungieren als Exzellenz-Zentrum für den gesamten Bracco-Konzern mit seinen weltweit neun Werken, sagt Adam.
Lange Erfahrung am Standort
Die zentrale Stellung ist Singen nicht zugeflogen. Seit den 1980er-Jahren werden Spezialpharmaka vor Ort von wechselnden Herstellern produziert. Im Jahr 2010 kaufte Bracco den Kontrastmittelspezialisten Bipso dann einem Vorgängerbetrieb des heutigen Pharmariesen Takeda ab. Auf dessen Werksgelände befindet sich Bipso noch heute. Seither wurden rund 50 Millionen Euro am Standort investiert. 15 weitere Millionen fließen derzeit in ein modernes, mehrere Stockwerke hohes Logistikzentrum vor Ort. Der Bipso-Umsatz beläuft sich auf rund 70 Millionen Euro im Jahr.
Dass die schwerreiche Bracco-Firmeneignerin, die Italienerin Diana Bracco, auf Deutschland als Produktionsstandort setzt, hat seinen Grund. Das hohe Qualitätsbewusstsein und die Zuverlässigkeit zeichneten das Land im Vergleich zu anderen Standorten aus, sagt Pharma-Manager Adam, der einen Großteil seiner Karriere im Ausland verbracht hat, bevor er in Singen ansässig wurde. Die Patriarchin wüsste das. Speziell in die Fähigkeiten hiesiger Facharbeiter habe die Industrielle „größtes Vertrauen“, sagt er.
Singen will weiter wachsen
Als Folge soll der Standort Singen weiter wachsen. Wie viele andere Firmen in der Region auch sucht Bipso daher Fachkräfte. Ihnen winke eine Bezahlung nach Chemie-Tarif und eine betriebliche Altersvorsorge, sagt Personalchef Bernhard Rettler. Neben der Qualifikation ist für den Personalchef das entscheidende Kriterium bei der Bewerberauswahl, wie veränderungsbereit der Kandidat ist. Die auch im Pharmabereich immer schnelleren Innovationszyklen, erforderten Mitarbeiter, die auf Zack seien, sagt er. Das Alter spiele da keine Rolle. Auf einer Jobmesse habe er jüngst einem 60-Jährigen nach einem kurzen Gespräch seine Visitenkarte in die Hand gedrückt. Im Kopf sei er deutlich agiler gewesen als so mancher junge Bewerber.