„Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen“, berichtet Angelina Milos noch immer ziemlich aufgeregt. Nach elf Wochen der verordneten Schließung öffnete sie am Montag den „Salon Rosy“ in der Konstanzer Innenstadt auf ein Neues. Der Terminkalender für diese Woche ist gut gefüllt, sie nahm in den letzten beiden Wochen bereits Kundenwünsche an.

„Alle Frauen haben geweint, dass sie nicht kommen dürfen.“

Den letzten Schnitt nahmen sie und ihre Mitarbeiterin Claudia Ziegler am 15. Dezember vor. Dann beendete der zweite Lockdown das Geschäft mit Lockenwickler, Tönung und Fassonschnitt. Für Milos war es – wie wohl für alle Kolleginnen – eine qualvolle Zeit.

„Der Kontakt zu den Kunden hat mir gefehlt“, bekennt die Frisörmeisterin. Sie bringt es auf den Punkt: „Alle Frauen haben geweint, dass sie nicht kommen dürfen.“ Auch Männer hätten es bedauert, dass sie nicht mehr regelmäßig zur Kopfverschönerung den Salon ihres Vertrauens aufsuchen durften.

„Ein Goldsegen“, sagt Kundin Melanie Sittel über die Öffnung ihres Haarsalons. Gleich am Montag hat sie einen Termin bekommen.
„Ein Goldsegen“, sagt Kundin Melanie Sittel über die Öffnung ihres Haarsalons. Gleich am Montag hat sie einen Termin bekommen. | Bild: Fricker, Ulrich

Zur seelischen Belastung (“Oft war ich nahe am Heulen“) kam in den vergangenen Monaten der wirtschaftliche Druck: Angelina Milos berichtet, dass die Coronahilfe im zweiten Lockdown nur schwer in die Gänge komme. Noch letzte Woche brütete sie über Formularen, deren Ausfüllen äußerst kompliziert gewesen sei.

Inzwischen nimmt sie einen zweiten KfW-Kredit auf. Dabei läuft die Miete für den Laden in der Nähe des Münsters weiter. Zudem hat sie den Salon erst vor drei Jahren übernommen und in ihn investiert. Ohne private Unterstützung könnte es für sie und ihre Familie knapp werden.

Der zweite Lockdown wird gerade für kleine, von Inhabern geführten Geschäften zur Überlebensfrage. „Irgendwann sind die Ersparnisse aufgebraucht“, sagt zum Beispiel Stefan Wallenstein, der in der Konstanzer Altstadt sein Geschäft hat. Er ist frisch gebackener Vater und stellt fest, dass seine Finanzen bald nicht mehr reichen, schreibt der Haarschneider dem SÜDKURIER.

Die Corona-Maßnahmen sind einseitig und schaden dem Frisörgewerbe, sagt Ladeninhaber Stefan Wallenstein.
Die Corona-Maßnahmen sind einseitig und schaden dem Frisörgewerbe, sagt Ladeninhaber Stefan Wallenstein. | Bild: Domjahn, Thomas

Wegen privater Pflichten konnte Wallenstein am Montag noch keine Kunden annehmen. Sein Platz im exotisch dekorierten Salon blieb deshalb leer, während seine Kolleginnen bereits arbeiteten. Den 53-Jährigen treibt noch etwas anderes um: Er sieht seine Branche ungerecht behandelt, er sagt: „Ich möchte als Friseur den Grund erfahren, warum manche Existenzen in unserem Handwerk ruiniert werden, während beispielsweise Angestellte weiterhin in Büros zusammenarbeiten dürfen.“

Wer steckt sich beim Frisör an?

Ist das nur persönlicher Verbitterung? Eine Studie der Technischen Universität (TU) Berlin scheint Wallensteins Eindruck zu bestätigen. Demnach liegt das Ansteckungsrisiko in einem zur Hälfte besetzten Mehrpersonenbüro acht Mal höher als in einem Frisörsalon. Dennoch waren die Frisöre elf Wochen lang zur Untätigkeit verdammt, während große Büros zu keinem Zeitpunkt geschlossen waren. „Es ist frustrierend, wenn mit zweierlei Maß gemessen wird“, sagt Wallenstein.

Stefan Wallensteins Salon, leer bis zum 28. Februar.
Stefan Wallensteins Salon, leer bis zum 28. Februar. | Bild: Fricker, Ulrich

Bester Dinge ist am Montag die befragte Kundschaft. Frühzeitig hatte die Konstanzerin Melanie Sittel einen Termin vormerken lassen. Im „Salon Rosy“ erhält sie hellblonde Strähnchen. „Das ist ein Goldsegen“, sagt sie strahlend, und meint damit die Frisur sowie die Wiederöffnung zum 1. März, immerhin Frühjahrsbeginn.

Eine andere Kundin reißt beide Arme hoch, als sie über ihren ersten Frisörbesuch seit Monaten befragt wird. Sie triumphiert unter der Haube.

Claudia Haslacher-Steck ist heilfroh, dass sie wieder zum Frisör darf.
Claudia Haslacher-Steck ist heilfroh, dass sie wieder zum Frisör darf. | Bild: Fricker, Ulrich

Die Branche wird nicht mehr sein wie zuvor

Für die 11.500 haarbearbeitenden Betriebe im Land setzt das Ende des Lockdowns ein wichtiges Signal. Die Betriebe seien „bis zu drei oder vier Wochen im Voraus ausgebucht“, berichtet der Geschäftsführer des Fachverbands Friseur und Kosmetik Baden-Württemberg, Matthias Moser, dem SWR. Es werde immer schwerer, noch vor Ostern einen Haarschnitt oder Tönung zu ergattern, sagt er.

„Ein Goldsegen“, sagt Kundin Melanie Sittel über die Öffnung ihres Haarsalons. Gleich am Montag hat sie einen Termin bekommen.
„Ein Goldsegen“, sagt Kundin Melanie Sittel über die Öffnung ihres Haarsalons. Gleich am Montag hat sie einen Termin bekommen. | Bild: Fricker, Ulrich

Diesen Optimismus teilen nicht alle. Die Friseure in Ulm etwa beobachten vielmehr, dass ihr Handwerk immer stärker Richtung Schwarzmarkt abgleitet. Die Coronakrise werde diesen Trend massiv beschleunigen.

Nicht alle Menschen waren bis zum 1. März schlecht frisiert. Viele kennen jemanden, der im privaten Rahmen die Haarpracht kürzt. Das ist Schwarzarbeit. Die Ulmer Haarschneider bezweifeln, dass alle Kunden unter professionelle Trockenhauben zurückkehren. Sie würden beim billigeren Hausschnitt bleiben, der zwischen Badezimmer und Küche stattfindet.

So voll ist der Kalender gar nicht

Diese Befürchtung treibt auch den „Salon Rosy“ um. Für die nächsten Tage ist der Kalender gut gefüllt mit Terminen, doch dann wird es bereits dünner, jede Menge Termine sind noch frei.

Angelina Milos hat dafür eine schlichte Erklärung: Mancher Interessent werde vom obligaten Haarewaschen abgeschreckt. Sie und ihre Kollegen schneiden nicht mehr trocken, so will es die Coronaverordnung. Für den Kunden bedeutet das zum Beispiel den doppelten Preis für Waschen, Schneiden, Föhnen. Also bleibt mancher weg.