Jürgen Resch ist ziemlich geladen. „Die Förderung von Dienstwagen in Deutschland ist absurd“, sagt der Bundesgeschäftsführer der in Radolfzell am Bodensee ansässigen Deutschen Umwelthilfe (DUH).
Je größer die Klimaschädlichkeit des Fahrzeugs, desto mehr Geld gebe es aus der Staatskasse. Und: Je höher das Einkommen des Dienstwagenbesitzers, desto stärker werde subventioniert. Als „weltweit einmalig“, bezeichnet der Umwelt-Lobbyist die heimischen Dienstwagen-Regelungen.

Insbesondere, seit sich abzeichnet, dass das für klimafreundliche Massenmobilität gedachte Neun-Euro-Ticket für Busse und Bahnen nicht über den Monat August hinaus verlängert wird, hebt die Debatte über den steuerlich hoch subventionierten Individualverkehr per Dienstwagen erneut an. Übrigens nicht zum ersten Mal.
Luxus-Fahrzeuge zu Kosten von Mittelklassewagen
Seit Jahren stehen die Nutzung der Manager-Sänften, oft auch zu privaten Zwecken, in der Kritik. Regelmäßig geißelt etwa das Dessauer Umweltbundesamt, eine Expertenorganisation des Bundesumweltministeriums, das Dienstwagenprivileg als eine der umweltschädlichsten Verkehrssubventionen der Republik.
Weil Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), selbst bekennender Porsche-Fahrer, in der Debatte um die Verlängerung des Neun-Euro-Tickets, den Befürwortern vor wenigen Tagen eine „Gratismentalität“ vorgeworfen hat, kommt nun zum Dienstwagen-Streit eine weitere Dimension hinzu: Die der Gerechtigkeit. Und die DUH, schlägt voll in diese Kerbe.

Ausgehend von Daten des Kraftfahrtbundesamts haben die Radolfzeller Berufsquerulanten in Umweltfragen sich Luxus-Dienstwagen ausgeguckt, und deren Umwelt- und Steuerbilanz ausgewertet.
Dass es sich dabei um Fahrzeuge handelt, die selbst Top-Manager in Großunternehmen und Mittelstand meist nicht ordern dürften und die daher eigentlich nur für Selbstständige in Frage kommen, ficht Resch nicht an. „Wir haben bewusst Extrembeispiele gewählt“, sagt er. Aber die zeigten, wie das System funktioniere.
Staatszuschüsse von bis zu 57 Prozent des Kaufpreises bei Dienst-Karossen
Beispiel Audi R8 Spyder Performance: Das allradgetriebene Zehn-Zylinder-Ungetüm hat einen Marktpreis von knapp 270.000 Euro. Unter üblichen Steuer- und Abschreibebedingungen und ein Gehalt des Nutzers von mehr als 277.000 Euro vorausgesetzt, bezahlt der Staat dem Dienstwagenbesitzer vom Listenpreis gut 154.000 Euro oder rund 57 Prozent.
Bei einem Porsche 911 Turbo S Cabrio, dem traditionell prestigeträchtigsten Fahrzeug der Zuffenhausener Autoschmiede (Listenpreis rund 240.000 Euro), sind es laut DUH-Berechnung immerhin noch gut 138.000 Euro Staatszuschuss. Dieser wird über Steuervergünstigungen und Gewinnabschreibungen realisiert.
Verschärfend kommt hinzu: Exklusive Supersportwagen, etwa von Porsche, sind sehr wertstabil. Nutzten selbstständige Dienstwagenbesitzer die gängige Abschreibedauer von fünf Jahren aus, sei „der Restwert der Fahrzeuge regelmäßig höher als der günstigstenfalls verbleibende Eigenanteil an der Finanzierung.“
Sprich: Verkaufen die Fahrzeughalter ihren Boliden, nachdem sie voll abgeschrieben sind als Gebrauchtfahrzeug, machen sie damit sogar noch Gewinn. Resch sagt: „Besserverdienende können sich über Jahrzehnte zum Gratistarif Luxus-Limousinen, SUV-Stadtpanzer und Supersportwagen anschaffen.“
Agora-Verkehrswende: Je höher der Verdienst, desto größer der Nutzen
Auch Benjamin Fischer, Projektleiter Verkehrsökonomie beim Beratungsunternehmen Agora-Verkehrswende, sagt, „Spitzenverdiener profitieren finanziell überdurchschnittlich vom Dienstwagenprivileg“. Je höher der persönliche Steuer- und Abgabensatz der nutzenden Person, desto höher sei der finanzielle Vorteil einer Dienstwagennutzung im Vergleich zur privaten Anschaffung.
Generell werde im Steuerrecht der geldwerte Vorteil, der durch eine Dienstwagennutzung für private Zwecke entstehe, „viel zu niedrig angesetzt“, so der Agora-Fachmann.

Aber warum wird der dicke Firmenwagen für manche zum Schnäppchen? Wer in Deutschland ein Dienstfahrzeug auch für private Fahrten nutzt, egal ob als Selbstständiger oder Angestellter, muss dies als sogenannten geldwerten Vorteil zu seinem jeweiligen Einkommenssteuertarif versteuern.
Möglich ist, die privat gefahrenen Kilometer in einem Fahrtenbuch zu erfassen und einzureichen. Meist wird jedoch auf die sogenannte Ein-Prozent-Regel zurückgegriffen. Dabei wird pro Monat pauschal ein Prozent des Listenpreises des Autos auf den Bruttolohn aufgeschlagen – egal wie viel man das Auto für private Zwecke nutzt. Dazu kommt ein kleiner Betrag für die Fahrt zur Arbeitsstätte.
Viele Dienstwagennutzer erhalten Gratis-Tankkarten
Zusammen mit Gratis-Tankkarten, die die meisten Arbeitgeber ihren Dienstwagenhaltern anbieten, entsteht so die Möglichkeit zum „Autofahren zum Flatrate-Tarif“, wie Fischer schreibt. Das setze falsche ökologische Anreize, sagt er. Außerdem sei die Ein-Prozent-Regel so niedrig angesetzt, dass selbst teure, hochmotorisierte Dienstwagen relativ preiswert zu haben seien.
Nicht selten führen Dienstwagenbesitzer daher Fahrzeuge, die sie sich privat niemals leisten würden. „Um Steuergerechtigkeit gegenüber Arbeitnehmern herzustellen, die keinen Dienstwagen haben, wäre für Verbrenner-Pkw eine Besteuerung des geldwerten Vorteils von mindestens zwei Prozent nötig“, sagt Fischer. Im Klartext: Die Besteuerung müsste sich glatt verdoppeln.
System kostet bis zu drei Milliarden Euro
DUH-Chef Resch indes hält nicht nur die Regeln zur Privatnutzung der Fahrzeuge für zu lax, sondern auch die Art und Weise, wie Firmen ihre Anschaffung verrechnen dürfen.
Denn die gesamten Anschaffungskosten sowie der komplette Unterhalt kann von der Steuer abgesetzt werden. Auch die Vorsteuer darf zum Abzug gebracht werden. Dadurch sinkt der Gewinn des Unternehmens und damit die Steuereinnahmen des Staates, die sich daran orientieren.
Manche Firmen machen ein Geschäft
Werden Flottenrabatte und bestimmte Leasing-Optionen, die die Automobilkonzerne oder Händler ihren Großabnehmern für ihre Dienstwagen gewähren, mit eingerechnet, kann daraus sogar ein Geschäft werden. Auch für das Unternehmen wird die Anschaffung eines Dienstwagens sozusagen zur Gratisveranstaltung.
Ein System, dass nach Meinung der Klimaallianz-Deutschland in normalen Zeiten zu einem „Überangebot an großen, klimaschädlichen Spritfressern“ auf dem deutschen Gebrauchtwagenmarkt beiträgt.

Und was ist der Preis dafür? Einerseits wird nach Meinung von Fachleuten der Umbau des Verkehrssystems hin zu sparsamen Autos wird ausgebremst. Andererseits kosten die derzeitigen Dienstwagen-Regeln den Staat viel Geld: Schätzungen zufolge zwei bis drei Milliarden Euro jährlich. „Tendenz steigend“, wie es von Agora-Verkehrswende heißt.
DUH will Absetzbarkeit von Dienstwagen stark begrenzen
Nicht in die Rechnung geht indes ein, dass sie der deutschen Automobilindustrie einen wichtigen Absatzkanal eröffnen und damit indirekt auch helfen, hohe Löhne und Hunderttausende Arbeitsplätze im Land zu sichern.
Für viele Umwelt- und Verkehrsexperten steht dennoch fest, dass das System reformbedürftig ist. Reschs DUH fordert beispielsweise eine Begrenzung der steuerlichen Absetzbarkeit von Dienstwagen auf 30.000 Euro. Steuerliche Vorteile sollten zudem nur Halter genießen, deren Autos modernen Umweltvorgaben entsprechen, also beispielsweise die EU-weit geltenden CO2-Grenzwerte im realen Fahrbetrieb einhielten.
Ein Audi R8 Spyder oder ein Porsche Turbo wäre dann übrigens als Selbstständigen-Sänfte nicht mehr drin. Sie überschreiten die EU-CO2-Schwelle von 95 Gramm pro Kilometer um rund das Dreifache.