Die Corona-Pandemie wirkt sich auf die wirtschaftliche Situation vieler Menschen aus. Die Veranstaltungsbranche wurde ins Mark getroffen. Das hat auch für Petra Bartram aus Waldshut-Tiengen Folgen.

Mit ihrer Agentur Ivent organisierte die 50-Jährige die unterschiedlichsten Anlässe, beispielsweise Hochzeiten oder Firmenevents. „Anfang des Jahres war der Terminkalender für 2020 voll. Es wäre eines der besten Jahre geworden“, erinnert sie sich. Dann kam der Lockdown.

Unterstützung vom Staat

Für Bartram, die 15 Jahre lang selbstständig war, brachen rund 90 Prozent der Aufträge weg. Hinzu kam, dass ihr Mann von Kurzarbeit und finanziellen Einbußen betroffen war. „Die Situation war wirklich existenzbedrohend“, so Bartram. Unterstützung vom Staat gab es zwar, doch die reichte bei Weitem nicht aus. „Ich bin psychisch in ein richtiges Loch gefallen – so wie man sich das vorstellt. Wäre ich nicht so ein positiver Mensch, ich wäre wahrscheinlich depressiv geworden.“

„Anfang des Jahres war der Terminkalender für 2020 voll. Es wäre eines der besten Jahre geworden.“ Petra Bartram, Inhaberin ...
„Anfang des Jahres war der Terminkalender für 2020 voll. Es wäre eines der besten Jahre geworden.“ Petra Bartram, Inhaberin der Agentur „Ivent“ in Waldshut-Tiengen | Bild: Duygu-D'Souza, Susann

Antriebslosigkeit, Bauchschmerzen, Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit nennt Bartram unter anderem und erinnert sich an Tage, „da saß ich morgens heulend auf der Bettkante, weil ich nicht mehr wusste, wie es weitergehen soll“.

Schmerzen und Müdigkeit bei Stress

Die Erfahrungen, die Petra Bartram schildert, kennt Daniela Wetzel-Richter genau. Sie ist Leitende Oberärztin an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Kliniken des Landkreises Lörrach und hebt das enge Zusammenspiel von Körper, Seele und Gefühlswelt hervor: „Bei psychisch bedingten Körperbeschwerden kann man auch sagen: Der Körper entlastet die Seele.“

Dr. Daniela Wetzel-Richter, Leitende Oberärztin, an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Kreiskrankenhaus Lörrach
Dr. Daniela Wetzel-Richter, Leitende Oberärztin, an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Kreiskrankenhaus Lörrach | Bild: Julia Jacob

Sind Stress, Sorgen und psychische Belastung zu groß, kommt es häufig zu körperlichen Symptomen. Typisch sind Schmerzen, Müdigkeit, Atemnot und Übelkeit. „Während auf der Seite der Psyche oft Ängste, depressives Erleben, Antriebslosigkeit oder auch Zwangserkrankungen zu beobachten sind, ist die Sprache des Körpers eine andere.“ Oft behandelt Wetzel-Richter Patienten, bei denen die Ursache ihrer körperlichen Beschwerden zunächst unklar ist.

„Symptome sollten nie als entweder nur körperlich oder nur psychisch angesehen werden. Körper und Geist sind eine Einheit.“
Daniela Wetzel-Richter

Wie sich psychische Belastung körperlich auswirkt, sei gut erforscht. „Man weiß in der Psychosomatik, dass besondere Belastungen und negativer Stress beispielsweise Schübe bei Multipler Sklerose auslösen können, Asthma verschlimmern können und auch das Immunsystem negativ beeinflussen.“

„Menschen im Stress sind infektanfälliger“

Angst und Sorgen schwächen auch die körpereigene Abwehr, wie Forschungsergebnisse des Bereichs Psychoneuroimmunologie anhand chemischer Prozesse in den Körperzellen zweifelsfrei belegen: „Menschen im Stress sind infektanfälliger, deshalb ist es ungemein wichtig, hier gegenzusteuern, indem Ängste und Stress reduziert werden.“

Das Gegenteil sei in der Pandemiesituation aber der Fall: Angst-, Sucht- und Zwangserkrankungen haben nach Beobachtungen in der Psychosomatik eher zugenommen.

Petra Bartram profitierte in der Krise sehr von ihrem sozialen Netz, wie sie erzählt: „Einerseits war da die Familie. Wir haben offen mit unseren beiden erwachsenen Töchtern, die nun studieren, darüber gesprochen und nach Lösungen gesucht.“

Wie kann man die Krise überwinden?

Das bewusste Auseinandersetzen mit der Situation entspricht dem Vorgehen, das Psychologen grundsätzlich als ersten Schritt zur Problemlösung ansehen.

Ob der Austausch innerhalb der Familie, mit vertrauten Menschen außerhalb oder auch im therapeutischen Umfeld erfolge, sei individuell. „Ich habe mich sehr gefreut, dass sich andere Leute erkundigt haben, wie es mir geht“, erzählt Petra Bartram.

„Mir haben die Gespräche mit Menschen in vergleichbaren Situationen sehr gut getan Wir haben uns gegenseitig Mut gemacht.“
Petra Bartram

Den Effekt, den die Waldshut-Tiengenerin beschreibt, nennt Psychosomatikerin Wetzel-Richter „die Kraft der Gruppe“, die vor allem in der Akutphase einer persönlichen Krise extrem wichtig ist: „Kontakte suchen und in Kontakt bleiben, das sind wichtige Resilienzfaktoren.“ Als Resilienz bezeichnet wird die psychische Widerstandskraft und die Fähigkeit, Krisen zu überwinden.

Einsamkeit durch soziale Distanz

Doch gerade die Kontaktmöglichkeiten hat Corona beeinflusst: „Das Gleichgewicht zwischen Zusammenstehen und Abstand finden, wurde in den vergangenen Monaten grundlegend durcheinander gebracht“, so Wetzel-Richter.

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Soziale Distanz ließe Menschen vereinsamen. Anderserseits sei in diesem Zusammenhang auch das Home-Office kritisch zu sehen: „Wenn in einer Familie alle nur zuhause sind, ist es schwierig, auch mal Dampf abzulassen und Abstand zu bekommen.“

Sie blickt mit großer Sorge vor allem auf die Kinder, die in diesem Zusammenhang in schwierige Situationen kommen können, wenn das familiäre Umfeld Probleme habe, oder gar Gewalt an der Tagesordnung sei.

„Corona ist wie ein unsichtbarer böser Geist. Kinder brauchen stabile Eltern, um ihre Ängste zu verarbeiten und Zuwendung in belastenden Situationen. Bekommen sie diese nicht, besteht die Gefahr, dass sie wichtige Fähigkeiten der Resilienz nicht entwickeln können und in ihrem späteren Leben selbst erkranken.“
Daniela Wetzel Richter

Neue Ziele und Aufgaben finden

Für Petra Bartram verbesserte sich ihre Situation, als sie selbst aktiv wurde.

„Ende April habe ich dann die Flucht nach vorne angetreten. Ich konnte nicht länger untätig bleiben.“
Petra Bartram

Sie qualifizierte sich eigenständig während einer dreimonatigen Fortbildung zur Expertin für digitales Marketing. „Dann habe ich Bewerbungen geschrieben und eine Stelle in Festanstellung gefunden.“

Nach einer weiteren Fortbildung im Bereich digitales Lernen startete die Waldshut-Tiengenerin am 15. August in ihr neues Berufsleben und sagt: „Wenn Corona etwas Gutes hatte, dann das. Die Arbeit mit all den neuen Aufgaben macht mir riesig viel Spaß. Ohne die Corona-Krise hätte ich diesen Schritt nicht so schnell gewagt.“

Ob und wie sie ihre Agentur weiterführen wird, ist derzeit noch offen, der Verleih von Dekoartikeln läuft weiter. „Hier liefen die Kosten ja weiter und es ist einiges zusammengekommen.“ Doch Petra Bartram kann beruhigter in die Zukunft blicken: „Vielen meiner Kollegen geht es nach wie vor schlecht. Mir ist ganz klar: Ich habe großes Glück gehabt.“