Es hätte eine spektakuläre Bergungsaktion werden können. 105 Jahre nachdem mehr als 100 überwiegend aus Baden stammende Soldaten des Konstanzer Reserve-Infanterieregiments (RIR) 111 bei einem französischen Artillerie-Angriff auf die Frontstellung am Winterbergtunnel am Chemin des Dames Anfang Mai 1917 verschüttet und getötet wurden, dringen Spezialisten des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge und seiner französischen Partnerorganisationen gemeinsam in den Stollen vor, identifizieren die Gefallenen und holen die Gebeine aus ihrem dunklen Grab.
Nicht weit vom früheren Tunneleingang entfernt hätte man für die Gefallenen einen neuen Kriegsgräberfriedhof angelegt und jedem – soweit man seinen Namen feststellen konnte – ein eigenes Grab gegeben.
Aufwand wäre zu zu hoch
Aus diesem Projekt wird indes nichts werden. Die Toten bleiben weiter im Stollen eingeschlossen. Das hat Susanne Baumann, Staatssekretärin im Auswärtigen Amt, nun in einem Schreiben an den CDU-Bundestagsabgeordneten Andreas Jung bestätigt, das dem SÜDKURIER vorliegt. Darin heißt es, der Volksbund habe gemeinsam mit seinen französischen Partnern nach mehreren Probebohrungen im Mai 2022 festgestellt, „dass eine Bergung der im Winterbergtunnel ruhenden Kriegstoten nur mit sehr hohem Aufwand
möglich wäre“.
Nun soll die Grabstätte mit einem Gedenkstein kenntlich gemacht werden. Ein Vordringen von Grabräubern in das Tunnelsystem wird vom Volksbund ausgeschlossen. „Die Toten liegen sicher“, heißt es dazu in Kassel.

Im Wald bei Craonne wird künftig die „Kriegsgräberstätte Winterbergtunnel“ entstehen, womit das Auswärtige Amt finanziell eingebunden wird. Der Beginn der Arbeiten soll zum Jahreswechsel 2023/24 erfolgen, die Eröffnung sei, so schreibt das Ministerium, bis August 2024 vorgesehen. Ein Erinnerungsmonat. Der Beginn des Ersten Weltkriegs jährt sich dann zum 110. Mal.

Andreas Jung, der im vergangenen Jahr in der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung (DFPV) maßgeblich dazu beigetragen hatte, dass das Winterberg-Gedenken auf die Agenda des deutsch-französischen Ministerrats kommt, bekräftig zudem die Absicht, dass nicht nur ein Gedenkstein gesetzt wird, sondern am Winterbergtunnel auch eine Gedenkstätte errichtet wird.
Dort sollen Besucher eine zugängliche Dokumentations- und Informationsstätte vorfinden. Hierzu sei, so Jung, „die weitere historische Aufarbeitung der Geschehnisse im und um den Winterbergtunnel notwendig“, mitsamt der Einbettung in die damaligen Kämpfe am Chemin des Dames. Dazu hatte Jung 2021 vorgeschlagen, eine deutsch-französische Historiker-Kommission einzusetzen.
Die Dokumentationsstätte könnte ihr Vorbild im neuen deutsch-französischen Historial am Hartmannswillerkopf in der Nähe von Colmar in den Vogesen haben. Es wurde im November 2017 eingeweiht und ebenfalls von französischen und deutschen Historikern mit entwickelt.

Wie aus dem Umkreis der Verantwortlichen beim Volksbund in Kassel verlautet, ist man mit der Verwaltung der nahegelegenen Stadt Craonne bereits im Gespräch. So ist zu hören, dass Bürgermeisterin Geneviève Hermet große Kooperationsbereitschaft zeigt und auch ein Grundstück der Gemeinde für ein Dokumentationszentrum zur Verfügung stellen will. Das ursprüngliche Städtchen Craonne wurde im Krieg völlig zerstört und später in der Nähe neu aufgebaut.