Es tut sich wieder was: Der Rumpf der „Landshut“ wird am kommenden Dienstag, 22. Oktober, zwischen 10 Uhr und 11 Uhr vom Hangar 44 in Friedrichshafen in die künftige Ausstellungshalle Q umgesetzt.

Den Umzug können Interessierte von einer Freifläche außerhalb des Flughafengeländes beobachten und fotografieren. Die Adresse: Am Flughafen 27. Die Strecke, die der Rumpf zurückliegt, ist etwa 450 Meter lang, witterungsbedingte Verzögerungen sind möglich. Was genau nun mit der „Landshut“ geplant ist, erklärt der zuständige Experte.

Herr Krautzig, als die „Landshut“ 2017 aus Brasilien an den Bodensee kam, erwarteten viele Menschen, dass man sie in den alten Lufthansa-Zustand von 1977 zurückversetzt. Sie soll aber in ihrem jetzigen, stark gealterten Aussehen konserviert werden. Warum?

Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) will genau den Zustand erkennbar halten, in dem die „Landshut“ nach Deutschland überführt wurde. Damals begann das, was Fachleute als Musealisierung bezeichnen. Der Zustand, den das Flugzeug zum Zeitpunkt seiner Entführung und der Geiselbefreiung im Oktober 1977 hatte, ist dagegen unwiederbringlich verloren. Das wird den Besuchern der künftigen Präsentation auch erklärt.

Was wird man darüber erfahren?

An der Maschine wurde in den Folgejahren mehrmals der Außenlack komplett entfernt, alle beweglichen Teile wie das Fahrwerk wurden mehrfach ersetzt. Bei den umfangreichen D-Checks wurden alle Cockpit-Instrumente getauscht, ebenfalls der Boden im Passagierraum, die Toilettenkabinen, die Küche, die Innenverkleidung, die Bestuhlung. Erhalten blieben nur die Hülle des Rumpfs, die Tragflächen und Leitwerke.

Steffen Krautzig, 47, ist seit März 2023 Referent in der Projektgruppe „Interdisziplinäre Bildung und Vermittlung Landshut“ bei der ...
Steffen Krautzig, 47, ist seit März 2023 Referent in der Projektgruppe „Interdisziplinäre Bildung und Vermittlung Landshut“ bei der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) in Bonn. Hier ist Krautzig zuständig für die Konservierung und Bewahrung der „Landshut“. | Bild: Bundeszentrale für politische Bildung

Vom ursprünglichen Zustand von 1977 ist nichts mehr zu sehen, weil das Flugzeug ab 1985 in ganz unterschiedlichen Funktionen bei mehreren Fluglinien im Einsatz war. Eine Rekonstruktion würde nichts anderes als eine Simulation sein. Das würde eine Reihe von Themen mit Gegenwartsbezug, die sich an die Entführung anschließen, überdecken.

Welche Themen meinen Sie?

Es soll erzählt werden, was nach der Befreiung mit der Maschine durch die Grenzschutzgruppe GSG 9 mit der „Landshut“ und vor allem mit den Geiseln passiert ist. Diese wurden von der Politik vergessen und mussten um Anerkennung und um finanzielle Beteiligung an den Kosten der Trauma-Therapien kämpfen – teilweise bis heute.

Es ist klar: Ohne die Entführung wäre das Flugzeug kein museal wertvolles Objekt. Die Bedeutung entsteht nur aus den damaligen Ereignissen und ihren persönlichen, politischen und gesellschaftlichen Folgen. Wir bewegen uns also auf einer Gratwanderung. Das betrifft auch die schlimmen Erlebnisse und Emotionen etwa der Entführungsopfer, die wir museal nicht nacherlebbar machen können und wollen. Da haben wir als Bildungsinstitution den Besuchern gegenüber eine Verantwortung. Niemand soll überwältigt werden.

Die „Landshut“ im Oktober 1977 auf dem Rollfeld von Mogadischu in Somalia. Die Boeing 737 blieb bis 1985 im Dienst der Airline. Denach ...
Die „Landshut“ im Oktober 1977 auf dem Rollfeld von Mogadischu in Somalia. Die Boeing 737 blieb bis 1985 im Dienst der Airline. Denach diente sie einer Reihe von Eigentümern, zuletzt als Frachtmaschine der brasilianischen TAF. | Bild: dpa

Also steckt auch eine Portion jüngere Vergangenheit und Gegenwart in der Landshut?

Ja, genau. Wir wollen fragen, warum man sich erst so lange Zeit nach der Entführung – nach der Jahrtausendwende – mit dem Flugzeug beschäftigt hat. Die „Landshut“ als Objekt war ja völlig vergessen. Da stellen sich erinnerungspolitische Fragen, die wir in Friedrichshafen mit den Besuchern diskutieren wollen.

Was heißt das konkret?

Die Diskussion bleibt spannend. Es gibt etwa in der Frage „Rekonstruktion ja oder nein?“ keine einheitliche Meinung – auch unter den Zeitzeugen von damals nicht, die die Entführung erlebt haben oder die bei der Befreiung in Mogadischu dabei waren. Da existieren ganz unterschiedliche Meinungen. Das wollen wir in der Präsentation vermitteln und transparent machen.

Die Landshut ist mit einem grauen Schmutzfilm überzogen. Bleibt der erhalten?

Wahrscheinlich nicht. Das Flugzeug wird auf jeden Fall gereinigt, ob sich dieser Schmutzfilm komplett entfernen lässt, ohne die Farbe mit abzulösen, werden wir noch prüfen. Denn es gehört auch zur Geschichte, dass die jetzt sichtbare letzte weiße Farbschicht, die stellenweise braungrau verschmutzt ist, keine Lackierung ist, sondern eine Schicht Dispersionsfarbe, die man in Fortaleza mit Rollen aufgebracht hat.

Es sollte das Rot-Blau der brasilianischen Gesellschaft TAF abgedeckt werden, damit die Maschine mit ihr optisch nicht mehr in Verbindung steht. Diese weiße Schicht bleibt erhalten. Nach dem Umzug steht aber als erstes die Reinigung von Schmutz und Staub an.

Freigelegt: Unter der weißen Farbe sieht man das Rot und Blau der brasilianischen Fluggesellschaft TAF.
Freigelegt: Unter der weißen Farbe sieht man das Rot und Blau der brasilianischen Fluggesellschaft TAF. | Bild: Bundeszentrale für politische Bildung

Es heißt, die „Landshut“ solle wieder wie ein Flugzeug aussehen. Was heißt das?

Die Maschine kam in hunderten Einzelteilen zurück, und die genauen Aufbau-Optionen sind noch offen. Es muss erst klar sein, wie viel Platz die begleitende Ausstellung benötigt. Wir wollen, dass die „Landshut“ wieder wie ein Flugzeug aussieht und werden mindestens eine der Tragflächen ansetzen – aber nicht mehr verschrauben oder mit Nieten arbeiten. Ob und wie Fahrwerke, Höhen- und Seitenruder angesetzt werden, entscheiden wir in den nächsten Wochen und Monaten.

Wird man als Besucher das Rumpfinnere betreten können?

Ja, das ist unser Ziel. Es sollen möglichst auch Besuchergruppen reingehen können – Detailfragen wie Barrierefreiheit müssen wir noch klären.

Was passiert mit den Teilen, die nicht wieder angesetzt werden?

Eine wichtige Frage, denn die bpb hat sich zur dauerhaften Bewahrung des gesamten Objekts „Landshut“ verpflichtet. Daher werden wir alles aufheben, was 2017 zur Maschine gehörte. Wir haben in Halle Q dafür ein Lager. Für mitgelieferte Teile ohne unmittelbaren „Landshut“-Bezug wie die Bestuhlung aus den 80er- und 90er-Jahren überlegen wir uns nachhaltige Lösungen, vielleicht lassen sie sich wiederverwenden.

Wichtig ist: Es wird keine unumkehrbaren Eingriffe geben, wie etwa das Zersägen eines Bauteils, was einmal angedacht wurde. Das machen wir auf keinen Fall. Offen ist, wie die Ausstellung im Einzelnen umgesetzt wird, das wird vor Ort mit uns beratenden Fachleuten und Technikern geklärt. Daher sind wir auch in Kontakt mit anderen deutschen Flugzeugmuseen.

In dieser Halle am Flughafen Friedrichshafen, genannt Halle Q, wird das Flugzeug von Ende des Monats an stehen. Sie wurde von der ...
In dieser Halle am Flughafen Friedrichshafen, genannt Halle Q, wird das Flugzeug von Ende des Monats an stehen. Sie wurde von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) für 15 Jahre für die Ausstellung gemietet. | Bild: Benjamin Schmidt

Welche museumspädagogische Wirkung kann von der „Landshut“ ausgehen, wenn sie unrestauriert und nackt gezeigt wird?

Das Flugzeug ist vor allem durch die geglückte Geiselbefreiung am 18. Oktober 1977 mit Bedeutung aufgeladen. Es wurde zu einer Projektionsfläche für unterschiedliche Ideen und Erzählungen – über die Haltung der Politik mit Kanzler Helmut Schmidt an der Spitze oder über den Terror der Roten Armee Fraktion (RAF) hin zur Idee einer sogenannten „wehrhaften“ Demokratie. Wir müssen daran denken, dass viele jüngere Besucher der Präsentation darüber nichts wissen. Denen müssen wir gerecht werden, aber auch denen, die sich erinnern oder die damals zu den Passagieren der „Landshut“ gehörten.

Es gibt „Landshut“-Pioniere, durch deren Recherchen das Wrack auf dem Flugzeug-Friedhof in Fortaleza erst entdeckt wurde und die sich dann immer wieder kritisch geäußert haben. Wird von diesen Leuten die Rede sein?

Ja. Wir kennen sie alle und sind im Austausch mit ihnen. Zudem wird die bpb im kommenden Jahr eine Publikation zur Landshut-Geschichte herausgeben, in der die gesamte Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven festgehalten wird. Das liegt in der Hand der Historikerin Annette Vowinckel, die sich mit dem Thema Flugzeugentführungen befasst und an der Berliner Humboldt-Universität lehrt.

Die Ausstellung indessen will keinen Frontalunterricht erteilen, sondern Austausch und Diskussion anregen. Wir bleiben nicht bei 1977 stehen. Themen wie Gewalt, Konflikte, Emotionen, Protest und Medien führen in die Gegenwart und schlussendlich zum Thema Demokratie. So wird die Präsentation in Friedrichshafen hoffentlich auch für junge Menschen interessant. Unser Motto wird sein: Erinnerung heute aushandeln. Die Demokratie von morgen gestalten.