Bernd Richard Hinderer, 72, Rechtsanwalt und seit 27 Jahren „Bürgermeister-Macher“ mit seinem WahlBüro Südwest in Gomadingen auf der Schwäbischen Alb. Hinderer sagt von sich, dass er diese Tätigkeit erfunden hat. Was er über den Bewerbermangel für den Bürgermeister-Posten denkt:
Herr Hinderer, ist die Kandidatensuche vor Bürgermeisterwahlen in den letzten Jahren schwerer geworden?
Es war noch nie leicht, gute Kandidaten zu finden. Das geht auch den Parteien so. Es gibt da aber keine Systematik: Kleinere Gemeinden haben es nicht grundsätzlich schwerer. Was sich aber verändert hat, ist die gesamtgesellschaftliche Entwicklung: Karriere machen ist nicht mehr so sexy, das Berufliche in den Vordergrund zu stellen, liegt nicht mehr im Trend. Heute gilt häufig: Erst kommt die Familie, dann die Aufgabe. Aber ein Bürgermeister hat nun mal keine 40-Stunden-Woche, aber viele Abend- und Wochenendtermine.
Wie viel Verwaltungserfahrung braucht ein Bürgermeister denn Ihrer Meinung nach?
Mit die besten Bürgermeister, die ich kenne, sind Quereinsteiger. Generell aber ist es schon von Vorteil, wenn jemand etwas von der Materie versteht. Leider gibt es viele Fachleute, die nichts auf die Reihe kriegen. Die Frage, Verwaltungsprofi oder nicht, ist aber gar nicht so wesentlich. Wer mit Power, Engagement und einem ordentlichen Maß Intelligenz ausgestattet ist, kann Bürgermeister. Wenn ein Nichtprofi im Rathaus auf ein eingespieltes Team bauen kann, wird er – learning by doing – eben von seinen MitarbeiterInnen eingearbeitet.
Sie sagen, Bürgermeister in Baden-Württemberg werden gut bezahlt. Kann das Gehalt mit einem in der Wirtschaft konkurrieren?
Die Bezahlung macht das Bürgermeisteramt aus meiner Sicht total attraktiv. Es heißt ja immer, wer Geld verdienen will, muss in die Wirtschaft. Das ist Quatsch. Selbst in kleinen Kommunen zwischen 2000 und 5000 Einwohnern verdient ein Bürgermeister um die 6000 Euro netto. Das ist doch gutes Geld. Und die zahlreichen Vergünstigungen für Beamte kommen dazu, bis hin zu einer anständigen Pension.
Warum bewerben sich dann nicht mehr Beamte?
Ich denke, das Problem ist, dass ein Beamter auf Lebenszeit mit seiner Wahl zum Bürgermeister diesen Status verliert. Sollte er nach acht Jahren abgewählt werden, steht er im Regen, muss ohne Netz und doppelten Boden auf Arbeitssuche gehen. Ich plädiere schon lange dafür, ehemaligen Beamten auf Lebenszeit für den Fall, dass sie nicht wiedergewählt werden, eine Wieder-Verbeamtung entsprechend ihrer letzten Tätigkeit zu garantieren; zumindest bis zum Ende ihrer ersten Amtsperiode.
Frauen als Rathaus-Chefs sind eher selten. Wie ist es um weibliche Kandidaten bestellt?
Es kandidieren viel zu wenig Frauen, was ich bedaure und nicht verstehe. Frauen stellen auf Rathäusern den weitaus größten Anteil der Beschäftigten. Viele sind entweder studierte Verwaltungswirte oder Verwaltungsfachangestellte – verstehen also etwas vom Geschäft. Als Kandidatin bei einer Bürgermeisterwahl können sie also mit ihrer Kompetenz argumentieren – eine gute Ausgangsbasis.
Dazu kommt, dass eine Kandidatin gegenüber einem gleichwertigen Kandidaten tendenziell im Vorteil ist. Da das Einkommen ihrer bisherigen Tätigkeit auf einem Rathaus meist bescheiden ist, führt der Sprung auf den Bürgermeistersessel in eine neue Gehaltsdimension. Das reicht auch für die ganze Familie, der Mann kann sich guten Gewissens um Kinder und Haushalt kümmern.