Drahtig sieht er aus. Und austrainiert. Die Bein-, Bauch- und Brustmuskeln drücken sich durch die enge Trainingskleidung, an den großflächig tätowierten Oberarmen spannt sich ein beeindruckender Bizeps. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, steht da rechts in blauer Tinte auf der Haut, darunter sein Name und gewundener Stacheldraht.
„Körperfettanteil unter zehn Prozent“, sagt Uwe Hück, grauer Vollbart, kurz geschorene Haarbürste, Goldkette um den Hals. Mit dem früheren Porsche-Betriebsratschef, der mit poliertem Schädel und randloser Brille im Dreiteiler auf Augenhöhe mit den Konzernbossen verhandelte, hat der 62-Jährige im Sommer 2024 nicht nur optisch nichts mehr zu tun.
Erst Waisenhaus, dann steile Karriere
Hück war eine bundesweit schillernde Figur, einst als SPD-Vorzeige-Aufsteiger an der Seite des SPD-Kanzlers Gerhard Schröders im Wahlkampf. Anfang 2019 trat er als Betriebsratsvorsitzender, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Porsche AG und als VW-Aufsichtsratsmitglied überraschend zurück. Später wurde berichtet, es habe intern Untersuchungen gegeben wegen Unregelmäßigkeiten bei Zahlungen an Betriebsräte.
Dennoch: Viel steiler hätte die Karriere des in einem Waisenhaus bei Pforzheim aufgewachsenen gelernten Autolackierers und Thaiboxers, der sich mit Disziplin und eisernem Lernwillen nach oben arbeitete, kaum nach oben gehen können.
„Das Kapitel ist abgeschlossen. Den Porsche-Hück habe ich hinter mir gelassen. Das war nicht mehr ich“, sagt er. Den auffallenden grünen Porsche Taycan, mit er anfangs noch unübersehbar in Pforzheim unterwegs war, hat er längst abgegeben. Hück fährt mit dem Smart vor.

Sein Fitnesszentrum in Birkenfeld ist keine Muckibude mit testosterondampfenden Eisenbiegern, sondern ein moderner Bau in Schwarz und Gold – den Hück-Farben, wie er sagt. 1700 Quadratmeter Fläche, lange Reihen glänzender Trainingsgeräte, sanfte Beleuchtung, Cross-Parcours, Yoga-Kursangebote, Sofa- und Kinderecke und, natürlich, ein Extra-Kickbox- und Box-Trainingsbereich mit Boxring und Zuschauertribüne.
An den Wänden überall Hück-Kampfplakate und Fotos, man sieht, wer der Herr im Ring ist. Er will die „Marke Hück“ promoten. Mittendrin steht ein Skelett, an dem Kunden lernen, wie Knochen, Sehnen und Muskeln zusammenhängen. Hück hat es Uwe getauft. Alles ist auffallend sauber. Wenn die Thekenmitarbeiterin gerade nichts zu tun hat, geht sie mit dem Staubsauger oder Feger herum. „Anders gibt‘s das nicht bei mir“, sagt Hück.
Vorzeige-Sozialprojekte für Jugendliche
Durch eine Wand abgetrennt sind im gleichen Gebäude die Räume der „Lernstiftung Hück“ untergekommen. Sie ist eines seiner Vorzeige-Sozialprojekte für Jugendliche, in das auch Einnahmen aus dem Fitnesszentrum fließen. Alles ist topseriös, die Sparkasse hat die Hand drauf. Hück ist auch noch immer Vorsitzender des FSV Buckenberg, eines Sportvereins in einem Brennpunkt-Stadtteil Pforzheims. Er installierte hier vor Jahren schon gratis Lernunterstützung und Trainingsangebote. Für sein gesellschaftliches Engagement hat Hück 2017 das Bundesverdienstkreuz bekommen.
Die zwei hauptamtlichen Sozialarbeiter der Lernstiftung haben gerade Neuntklässler einer Verbundschule aus der Region während der Schulprojekttage zu Gast. Die Jugendlichen hängen ermattet in den Sitzen, gerade haben sie eine Cross-Fit-Battle hinter sich und dabei erfahren, dass man im Team erfolgreicher ist als allein. Manche haben hier zum ersten Mal Sport außerhalb des Schulunterrichts gemacht, sagen die Betreuer, und darüber geredet, wie sie mit Aggressionen umgehen können.
Hück sagt kurz Hallo. Die Augen richten sich anerkennend auf ihn, einen echten Champion, zweimal war er Europameister im Thaiboxen. „Die haben großen Respekt vor ihm“, sagen die Sozialarbeiter. Und loben, wie wertschätzend Uwe Hück mit allen umgehe. „Er will die Welt ein bisschen besser machen“, sagen sie, „jedem, der ein Problem hat und kommt, wird geholfen.“
Die Porsche-Welt der Bosse und des großen Geldes hinter sich zu lassen, von ganz oben wieder auf den Boden zu kommen, habe weh getan, sagt der 62-Jährige heute. Zweieinhalb Jahre habe es gedauert. „Das bei Porsche war richtig für eine Zeit. Aber ich war irgendwann nicht mehr ich. Du veränderst dich, verlierst die Bodenhaftung.“
Kurz versuchte sich Hück danach an einem Ausflug in die Kommunalpolitik. Doch seine Wahl in den Gemeinderat führte zum völligen Zerwürfnis innerhalb der örtlichen SPD und endete 2020 mit seinem Parteiaustritt. Mit der SPD von heute fremdelt er. „Das ist nicht die SPD, in die ich eingetreten bin. Willy Brandt, die Idee Bildung für alle, das fand ich gut. Die finde ich immer noch gut. Aber nicht die Durchführung. Mir sagen Jugendliche: Warum soll ich bei dir arbeiten, wenn ich fürs Nichtstun fast genauso viel bekomme?“ Das Bürgergeld sei ein Teufelskreis, sagt er.
Aber die Politik, das sei nichts für ihn gewesen. Obwohl er damals mit großen Ankündigungen und Vorhaben ins Pforzheimer Rathaus gezogen war. „Ich wollte was machen, Dinge voranbringen. Aber in stundenlangen Sitzungen werde ich rappelig. Mir fehlt die Geduld“, sagt Hück. „Manches von mir war nicht in Ordnung, wie ich vorgegangen bin“, räumt er ein, „das würde ich heute anders machen. Aber ich wollte halt den Finger in die Wunde legen. Und nicht gegen Leute nur deshalb sein, weil sie in einer anderen Partei sind.“
Was ihn in der Politik frustriert habe: „Mein ganzes Leben habe ich nach dem Motto gelebt: Wenn du wirklich etwas erreichen willst, alles dafür tust, dann kannst du es auch schaffen.“ In der Politik sei das aber nicht möglich gewesen. „Da habe ich alles getan und hatte am Ende doch keine Mehrheit. Das ist nichts für mich. Ich bin ein Macher.“

Der Unternehmer Hück ist sein eigener Manager, hängt pausenlos am Handy, jagt Terminen und Verabredungen hinterher. Sein Tag müsste 40 Stunden haben. Und trainieren muss er ja auch noch. Im November steht der nächste Boxkampf für soziale Zwecke an, nächstes Jahr will er gemeinsam mit Red Bull den Ex-Box-Schwergewichtsweltmeister Mike Tyson nach Deutschland holen und gegen ihn in den Ring steigen. Natürlich für den guten Zweck.