„Ich komme mir vor wie im Krankenhaus“, sagt Sabine Striebel. Die Chefin der Jugendherberge Konstanz trägt Mundschutz, auf dem Boden in der hellen Lobby markieren Pfeile die Laufrichtung, an jeder Ecke stehen Desinfektionsmittel. „Jeden Kugelschreiber muss ich nach Gebrauch desinfizieren“, klagt sie. Sabine und Arthur Striebel leiten eine von 48 Jugendherbergen (JH) im Land. Mit bescheidenen Mitteln sollen sie Komfort und Urlaubsgefühl zaubern für Menschen, die sich sonst keinen Urlaub leisten könnten. Darin liegt die Leistung dieser Einrichtungen. „Wir erhalten keine Unterstützung vom Staat“, berichtet der Herbergsleiter. Während der privaten Hotellerie Hilfen ausgezahlt wurden, gingen die JH leer aus. „Die Politik hat uns nicht auf dem Schirm“, sagt er.

Später als andere Nächtigungsbetriebe konnten die Jugendherbergen nach der Krise wieder öffnen. Der Andrang hält sich in überschaubaren Grenzen. Konstanz hat noch Glück, die JH am Bodensee durfte mit sieben weiteren zum 1. Juni öffnen. Die anderen sperren erst im Juli auf. Die Burg Wildenstein im Donautal darf erst zu Beginn der Sommerferien erste Gäste aufnehmen.
Die Auflagen sind hart
Die Pandemie nagt an der Substanz der 48 Standorte in Baden-Württemberg. „Viele unserer Herbergen kommen mit den Auflagen nicht hinterher“, berichtet Lena Brändle von der Stuttgarter Geschäftsstelle. Das Finanzpolster sei dünn. Das Herbergswerk, unter dessen Dach jedes lokale Haus läuft, ist gemeinnützig. Ziel des Wirtschaftens ist eine Schwarze Null. Nur so sind die günstigen Preise möglich. In diesem Jahr dürfte sie ein dickes Minus einfahren, weil die Liegenschaften permanent der Pflege bedürfen – ob leer oder gefüllt.

Wie sich das vor Ort auswirkt, schildern die Striebels im Gespräch. Das Frühstücksbuffet dürfen sie nicht mehr aufbauen. Stattdessen wird jede Scheibe Brot bestellt und an den Tisch gebracht. Das bindet Arbeitskräfte, über die ein auf niedrige Kosten getrimmter Betrieb nicht verfügt.
Massenlager geht nicht mehr
Die Herberge im Konstanzer Stadtteil Allmannsdorf hat noch Glück im Unglück. Traumhaft in einem alten Wasserturm gelegen, wurde bereits vor Jahren jedes Zimmer mit eigener Dusche/WC ausgerüstet. Das erweist sich jetzt als Plus. Denn Massenlager mit gemeinschaftlichen Waschräumen sind nach Corona tabu. Nur abgeteilte Räume dürfen betrieben werden.

Die Kapazitäten sind halbiert. Und nicht einmal die sind ausgelastet. Ein paar Leute verirren sich im Treppenhaus des Turmes und im Speisesaal. Der Juni war sonst immer der Monat der Schulen, die klassenweise die JH belegten und von dort Ausflüge am See unternahmen. Diese Buchungen seien alle storniert, berichten die Striebels im Gespräch mit dem SÜDKURIER.

Keine Sprachcamps, keine Klassen
Das gelte auch für das kommende Schuljahr. Die Reservationen für Frühjahr 2021 seien von den Schulen storniert worden, sagt Arthur Striebel und verweist auf die Stille in dem breiten Gang. „Normalerweise würden jetzt Kinder und Jugendliche das Haus beleben.“ Auch die Sprachcamps, die sonst im Sommer zu Gast waren, sind flächendeckend abgesagt.

Das stellt den Grundgedanken dieser einzigartige Einrichtung auf den Kopf. „Gemeinschaft erleben“ steht auf dem Logo der JH. Damit ist es vorerst nichts. Die Abstandsregeln verhindern das, sie machen Gemeinschaft unmöglich. Das bedrückt Sabine Striebel am meisten.
Die Burg ist nicht Corona-gerecht
Konstanz ist ein vergleichsweise moderner Standort, der deshalb öffnen durfte – ebenso wie auch die Häuser in Überlingen, Feldberg Hebelhof oder am Schluchsee. Herausfordernd wird es für die Herbergen, die in altem Gemäuer untergebracht sind. Zum Beispiel Burg Wildenstein mit ihrer spektakulären Lage und meterdicken Wehrmauern. Sie wird erst spät öffnen.

„Es ist auf der Burg besonders aufwändig, die Corona-Verordnungen umzusetzen“, sagt Beatrice Lier, die die Burg im Donautal zusammen mit Thomas Heinrich verwaltet. Der Wildenstein kann sonst 152 Betten anbieten. Ab Juli wird es nur noch ein Bruchteil sein, da zu wenige Zimmer über ein eigenes Badezimmer verfügen. Auch hier haben die Schulen längst abgesagt auf Anordnung des Kultusministeriums in Stuttgart.