Die Zahl der Corona-Neuinfizierten in Deutschland sinkt. Politiker und Wissenschaftler betonen: Vorrangiges Ziel müsse es nun sein, eine größere Verbreitung der hochansteckenden Coronavirus-Mutationen zu unterbinden. Entdeckt wurden sie längst auch in Baden-Württemberg.
Entsprechend gelten für Gebiete, in denen eine der bekannten Virusvarianten aufkommt, besonders strenge Auflagen für Reisende. Dieser Kelch ging an der Schweiz und damit auch Zigtausenden Grenzgängern aus Deutschland vorerst vorüber. Eine Einstufung zum Virusvariantengebiet durch die Bundesregierung würde einen Großteil der Ausnahmen bei der Befreiung von der Test- oder Quarantänepflicht unterbinden.
Gleichwohl breiteten sich die Mutationen in der Schweiz laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) immer weiter aus – auch über die Grenze nach Deutschland?
Wie viele Fälle von Mutationen konnten in der Schweiz nachgewiesen werden?
Am 2. Februar meldete das BAG insgesamt 2550 erkannte Fälle mutierter Viren. Eine Woche zuvor waren es knapp 1000. Inzwischen wurden in 1056 Proben Viren der sogenannten Großbritannien-Variante (B.1.1.7) festgestellt, 53 weitere der Südafrika-Variante (B.1.351). Bei dem überwiegenden Anteil von 1441 Fällen ist laut BAG nicht endgültig klar, um welche Linie der Mutation es sich handelt.
Die Behörde weist darauf hin, dass dies lediglich eine Gesamtzahl der in der Schweiz entdeckten Varianten abbilde. Es sei derzeit nicht zu ermitteln, wie hoch ihr Verhältnis zum insgesamt getesteten Virenmaterial ist. Dass keine repräsentativen Werte vorliegen, liegt laut BAG daran, dass in einigen Kantonen „nur wenig oder kein Material sequenziert wurde“.
Wie sieht die Statistik für Baden-Württemberg aus?
Zuletzt war aus Baden-Württemberg meist von „vereinzelten Fällen“ der mutierten Coronaviren zu lesen. Dem SÜDKURIER liegen nun Zahlen aus dem Landesgesundheitsamt in Stuttgart vor. Demnach wurde laut einer Sprecherin bei 34 Personen eine Virusvariante entdeckt, 15 betreffen die sogenannte Großbritannien-Variante, 19 die Südafrika-Variante. „Alle Fälle stehen im Zusammenhang mit Einreisen aus UK oder Südafrika„, erklärt die Sprecherin.
Warum wurden in der Schweiz so viel mehr Mutationen nachgewiesen?
Dieser Vergleich ist zunächst alarmierend: Obwohl in der Schweiz 2,5 Millionen Menschen weniger als in Baden-Württemberg leben, liegt die Zahl der nachgewiesen Virusmutationen fast 30 Mal höher. Der deutliche Unterschied der Zahlen könnte aber auch mit der langwierigen Untersuchung der Viren auf Mutationen, die sogenannte Sequenzierung, in Deutschland zusammenhängen.

Beispielhaft lässt sich das an zwei aktuell laufenden Proben aus dem Kreis Waldshut festmachen. Susanna Heim, Pressesprecherin des Landratsamts, erklärt: Die Sequenzierung dauere bis zu zwei Wochen. „Die Tests werden vom Labor Clotten in Freiburg weiter an die Charité in Berlin zur Untersuchung geleitet“, so Heim gegenüber dem SÜDKURIER. Um die Nachverfolgung zu beschleunigen, will das Landessozialministerium die Sequenzierung künftig am Landesgesundheitsamt Stuttgart und später an den Universitätskliniken durchführen lassen.
Virusvariantengebiet oder Hochinzidenzgebiet?
Wie viele Fälle von Virusvarianten gibt es auf deutscher Grenzseite?
Das Landratsamt Konstanz meldet bis 25. Januar zwei bestätigte Fälle der Südafrika-Variante. Im Kreis Waldshut gab es bislang laut Susanna Heim keinen bestätigten Fall der Virusmutation. Sie ergänzt jedoch: „Derzeit werden bei uns zwei solcher Fälle untersucht, die Ergebnisse liegen noch nicht vor.“
Lassen die örtlichen Gesundheitsämter alle erkannten Coronaviren auf Mutationen untersuchen?
Nein, wie aus der Auskunft des Landratsamts in Waldshut hervorgeht. Susanna Heim erklärt, dass das Virus nur dann sequenziert werde, wenn es auch Anhaltspunkte dafür gebe, dass es sich um eine Mutation handle. So gebe das Gesundheitsamt beispielsweise bei Reiserückkehrern oder einer ungewöhnlichen schnellen Verbreitung eine Sequenzierung in Auftrag.
Kamen die bekannten Mutationsfälle aus der Schweiz über die Grenze?
Für die beiden erkannten Südafrika-Varianten im Kreis Konstanz erklärt Marlene Pellhammer, Sprecherin des Landratsamts: „Die Reiserückkehrer sind nicht über die Schweiz eingereist, sondern über Frankfurt.“ Derzeit gebe es auch „keine Hinweise, dass ein verstärkter Eintrag der Virusvarianten über die Schweiz in den Landkreis Konstanz erfolgt, der durch Grenzschließungen unterbunden werden könnte“, ergänzt sie. Das Landesgesundheitsministerium bestätigt darüber hinaus: Keine der 34 in Baden-Württemberg nachgewiesenen Virusmutationen stammt nachweislich aus der Schweiz, Frankreich oder Österreich.
Dass auch eine einseitige Grenzschließung bei entsprechend hohen Infektionszahlen im Nachbarland vernünftig sein können, erklärte dagegen kürzlich die Freiburger Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer in einer Videokonferenz. Die Bundestagsabgeordneten aus Konstanz Andreas Jung (CDU) und Waldshut, Felix Schreiner (CDU) und Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD), hatten sich zuvor gegen eine Grenzschließung wie im März 2020 ausgesprochen.
Werden Kontaktpersonen auch grenzüberschreitend nachverfolgt?
Die Gesundheitsämter erheben Daten darüber, ob und von wo Mutationen des Coronavirus eingebracht werden, etwa um mögliche Kontaktpersonen ermitteln zu können. Zwischen Schweizer und deutschen Behörden bestehe ein enger Austausch, um mögliche Kontaktpersonen nachverfolgen zu können, teilen die Landratsämter Waldshut und Konstanz mit.
Was das Eintragen des Virus allgemein angeht, bestätigt die Waldshuter Landratsamts-Sprecherin Susanna Heim ein „grenzüberschreitendes Infektionsgeschehen“. Es gebe allerdings keine Anhaltspunkte dafür, dass es stärker ist als das innerhalb Deutschlands. „Entscheidend ist eine effektive Kontaktpersonennachverfolgung und die Angleichung der Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung in den beiden Ländern begrüßen wir auch ausdrücklich“, erklärt Heim.