Die Lockerungen scheinen greifbar nah – und doch so fern. Baden-Württemberg ist noch weit von dem Zwischenziel der Inzidenz von 35 entfernt. Derzeit liegt die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen im Südwesten bei 51,9 (Stand 1. März) – Tendenz leicht steigend.
Der bevorstehende Mittwoch wird zeigen, wie die mittelfristige Perspektive bis Ostern aussehen soll. Bleibt es bei den bisherigen Einschränkungen und den wenigen vorsichtigen Öffnungen oder gibt es Grund zur Hoffnung?
Wie kann eine funktionierende Öffnungsstrategie aussehen?
Zwar gibt es bei den Infektionszahlen gute Fortschritte, allerdings breitet sich die Mutation weiter aus. Jetzt zu schnell öffnen, könnte riskant sein. Zumindest, so lange die Impfungen noch nicht weiter vorangeschritten sind. Teststrategie und Öffnungsstrategie sollen deshalb miteinander verknüpft werden, wie im Vorfeld zu der Ministerpräsidentenkonferenz zu vernehmen ist.
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Rita Schwarzelühr-Sutter fordert deshalb unter anderem eine „massive Ausweitung der Schnell- und Selbsttests“. Zudem sollten die Inzidenzwerte von 35 und 50 „nicht in allen Fällen als absoluter Maßstab für Lockerungen gelten“, ergänzt sie. Dafür müsse es aber Regeln geben, „ab welcher Grenze und unter welchen Umständen Öffnungen wieder zurückgenommen werden müssen.“
Andreas Jung, CDU-Bundestagsabgeordneter, hält die schrittweise Öffnung, die in Baden-Württemberg begonnen hat, für den richtigen Weg. Man müsse bei den Öffnungen aber stärker differenzieren als bei den pauschalen Schließungen. Das sei mit den zusätzlichen Tests auch möglich. Jung wünscht sich eine Perspektive zu Ostern, bis wann es möglich sei, weitere Bereiche zu öffnen.
Wird der Einzelhandel ab dem 7. März wieder ganz normal öffnen dürfen?
Eher unwahrscheinlich. Die Vereinbarung der Ministerpräsidenten war klar: Ab einer Inzidenz unter 35 könnte der Einzelhandel wieder öffnen, vorher nicht. Sollte nun doch früher geöffnet werden, könnten sich die Landeschefs angreifbar machen.
Schwarzelühr-Sutter hat da eine andere Vorstellung: „Wir brauchen eine Öffnung des Einzelhandels im März.“ Das sei mit Maximalzahlen, wie viele Kunden Zutritt zum Laden haben, sowie Hygienekonzepten möglich. „Optimal wäre, wenn der Einzelhandel in Innenstädten eigene Testmöglichkeiten anbieten würde“, ergänzt sie.
CDU-Bundestagsabgeordneter Jung fordert zumindest eine zeitliche Perspektive. Beim Einzelhandel wäre es aber auch denkbar, über Testmöglichkeiten vor Ort und mit Terminen die Ladenflächen wieder zu öffnen, glaubt er.

Was ist mit Baumärkten?
Die schrittweise Öffnung für Pflanzen- und Gartenprodukte in Baden-Württemberg ist ein Hinweis, wohin die Reise geht. Wenn ein Markt mindestens 60 Prozent der jetzt schon erlaubten Waren verkauft, darf er ohnehin sein ganzes Sortiment uneingeschränkt anbieten.
Der Schritt zur kompletten Öffnung von Baumärkten könnte also zumindest in Aussicht gestellt werden. Das hält auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Schwarzelühr-Sutter für wahrscheinlich.
Jung fordert, dass die Bundesländer wieder auf eine Linie kommen. Dass in Bayern die Baumärkte offen haben und bei uns nur teilweise, sorgt für unliebsamen Einkaufstourismus.

Wie sieht es bei Restaurants aus?
Das ist immer noch unwahrscheinlich. Wegen der nicht einhaltbaren Maskenpflicht beim Essen und Trinken wird das Infektionsrisiko in Restaurants höher eingestuft. Mit der Zunahme der Virusmutationen ist das Ansteckungsrisiko zusätzlich erhöht.
Bei der Wiedereröffnung spielt auch die Kontaktverfolgung eine große Rolle. Dabei können Apps helfen, die im Fall einer Infektion die Kontaktdaten der Tischnachbarn ans Gesundheitsamt übermitteln kann. Ein Konstanzer Unternehmer hatte vor Monaten ein Konzept vorgeschlagen, doch erst der prominente Vorstoß des Sängers Smudo lenkte die politische Aufmerksamkeit auf diese Lösung.
Denkbar wäre eine Öffnung der Terrassen, mit entsprechenden Abständen und eingeschränkten Sitzplätzen. Das hält auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Schwarzelühr-Sutter für wahrscheinlich: „Mit Beginn des Frühlings und an der frischen Luft sollten wir es den Gastronomen ermöglichen, unter Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln wieder Umsatz zu machen.“
Auch Jung sagt hier: „Außenrestaurants sind etwas anderes als Gastronomie im Inneren.“ Dennoch drückt er sich vorsichtig aus – im März könne Außengastronomie an guten Tagen möglich sein, aber wohl nicht durchgängig. Wichtiger sei eine Perspektive zu Ostern, glaubt er. Bis dahin sei die Abholung aus betriebswirtschaftlicher Sicht das bessere Prinzip, glaubt er.
Können Zoos und Freizeitparks wieder aufmachen?
Die Schweizer machen es vor. Schwarzelühr-Sutter hält das auch hierzulande für vertretbar: Mit Hygienemaßnahmen und Einlassbegrenzungen sollt das gerade mit Blick auf den Osterurlaub möglich gemacht werden, fordert sie, zumal nach wie vor von Auslandsreisen abgeraten werde.
Jung will ebenfalls eine Perspektive bis Ostern. „Draußen ist es sicher einfacher als drinnen“, ergänzt er. Bei Museen und Kultureinrichtungen sei es zwar schwieriger, aber auch dort brauche es eine Perspektive.

Wie sieht es bei Schwimmbädern und Fitnessstudios aus?
Das Konzept mit Terminvergaben hat bei den Hallenbädern im vergangenen Jahr funktioniert – eine Maximalzahl von Besuchern pro Zeitabschnitt verhinderte, dass sich zu viele Menschen gleichzeitig auf engem Raum aufhalten.
Schwarzelühr-Sutter differenziert hier zwischen Innen- und Außenbereich: „In den Freibädern haben wir im vergangenen Jahr mit Terminvergaben gute Erfahrungen gemacht.“ Beim Indoorsport hofft sie in „absehbarer Zeit“ auf Lösungen.
Hallenbäder sollten Jung zufolge auch wieder öffnen können – mit Hygienekonzept und Zeitabschnitten sowie Tests sollten Öffnungen möglich sein. Zeitlich festlegen wollte er sich dabei aber nicht.

Was ist mit körpernahen Dienstleistungen?
Auch hier könnte man mit Tests und Terminen arbeiten. Nagelstudios dürfen in manchen Bundesländern schon wieder öffnen, im Südwesten aber nicht. Eine Synchronisierung tut not, findet Jung.
Wenn der Frisör körpernahe Dienstleistungen verrichten darf, sollte auch die Kosmetikerin wieder ihre Arbeit aufnehmen dürfen. Gesichtsbehandlungen ohne Maske könnte man davon ja ausnehmen. Ältere Menschen brauchen aber bisweilen auch Hilfe bei der Fußpflege.
Wie sieht es bei den Schulen aus?
Die schrittweise Öffnung von Grundschulen und Kitas am 22. Februar war ein Anfang. Jetzt könnten die übrigen Schulstufen folgen. Dafür spricht, dass Lehrer und Erzieher sich nun auch impfen lassen können. Mit Wechselunterricht könnten die Klassen aufgeteilt werden, schrittweise wieder Präsenzunterricht stattfinden. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hatte am Wochenende schon die schrittweise Öffnung der weiterführenden Schulen ab 8. März gefordert.

Wie wahrscheinlich sind Lockerungen bei den Kontaktbeschränkungen?
Lockerungen könnten schrittweise erfolgen, beispielsweise mit der Rückkehr zur Fünf-Personen-Regel. Gerade mit der Verbreitung der Mutationen könnten Treffen von größeren Gruppen aber besonders zu Hause in geschlossenen Räumen die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sich das Virus schneller ausbreiten kann.
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Schwarzelühr-Sutter findet: „Private Kontaktbeschränkungen können dann gelockert werden, wenn die Schnell- und Selbsttests in ausreichender Menge zur Verfügung stehen und auch genutzt werden.“ Hierbei sei auch die Verknüpfung der deutschen und der Schweizer Corona-Warn-App wichtig. Diese funktioniert derzeit noch nicht.
Jung hält die Aufhebung der Kontaktbeschränkungen noch für verfrüht. „Mit Blick auf Ostern sollte man die Frage aber stellen, ob die Kontaktbeschränkungen gelockert werden können“, ergänzt er. Solange die Schulen aber nicht vollständig wieder geöffnet seien, sei das nicht der richtige Schritt. Wenn Testmöglichkeiten auch privat genutzt würden, seien Lockerungen aber vorstellbar, ergänzt er.
Also darf man sich keine allzu großen Hoffnungen machen?
Eher nicht. Größere Lockerungen könnten auf nach den Ostern verlegt werden. Bis dahin dürften mehr Aktivitäten im Freien möglich sein, wo das Infektionsrisiko als geringer eingestuft wird.