Die Zahlen der Neuinfektionen haben neue Rekorde erreicht, die Inzidenz steigt in Baden-Württemberg auf 296,9 (Zahlen Stand 9. November). Bundesweit liegt sie bei 213,7, dem höchsten Wert seit Beginn der Pandemie. Baden-Württemberg hat zwar nicht die höchsten Zahlen im Ländervergleich, liegt aber deutlich über dem Durchschnitt der bundesweiten Neuinfektionen – neben Bayern, Thüringen und Sachsen.

Gleichzeitig fällt auf, dass der Südwesten mit derzeit 65,2 Prozent doppelt geimpften Bürgern im bundesweiten Vergleich eher im Mittelfeld liegt. In Sachsen, bundesweit Schlusslicht, sind nur 57,1 Prozent der Bürger vollständig geimpft. Dafür hält das Bundesland den Rekord mit der höchsten Inzidenz bundesweit mit 483,7. Am besten steht Bremen da mit einer Impfquote von 78,8 Prozent. Die Inzidenz beläuft sich hier nur auf 87,8.

Auf einem Schild wird vor einem Café in Pirna im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge auf die 2G-Regel hingewiesen. Der Landkreis ...
Auf einem Schild wird vor einem Café in Pirna im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge auf die 2G-Regel hingewiesen. Der Landkreis verzeichnete am 8. November eine Inzidenz von 924,3 – der bundesweit höchste Wert. | Bild: ROBERT MICHAEL

Wie also lässt sich die verhältnismäßig hohe Inzidenz in Baden-Württemberg bei eher durchschnittlichen Impfquoten erklären? Beim Blick auf die Landkreise im Südwesten fallen deutliche Unterschiede bei den Inzidenzen auf.

Das Landesgesundheitsamt gibt auf Anfrage des SÜDKURIER nur eine allgemeine Einschätzung: „Grundsätzlich gilt, dass sich die Inzidenzen in den Kreisen (landes- und auch bundesweit) stark unterscheiden. Derzeit näherten sich die Kreise aber eher aneinander an“, heißt es dort lediglich. Eine Übersicht der Infektionszahlen in der Region auf Gemeindeebene finden Sie hier.

Deutlich höhere Inzidenz bei Ungeimpften

Noch vor einer Woche lagen vier Kreise mit Werten über 300 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner an der Spitze. Inzwischen sind es 19. Beim Blick auf die Inzidenzen bei der ungeimpften beziehungsweise geimpften Bevölkerung zeigt sich ein eindeutiger Trend: So betrug die Inzidenz am 9. November bei Geimpften 52,6 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen, bei den Ungeimpften dagegen 755,7.

Die Neuinfektionen gehen also maßgeblich auf die ungeimpfte Bevölkerung zurück – und steigen dort rasant. Noch vor einer Woche belief sich die Inzidenz unter Ungeimpften auf 381,3 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner. Die Rate der Ansteckungen unter Geimpften liegt dagegen vergleichsweise stabil, eine Woche zuvor wurden pro 100.000 Einwohner 49,4 Geimpfte mit dem Virus infiziert.

Faktoren, die die Inzidenz beeinflussen, seien aber nicht nur die Impfquoten selbst, heißt es seitens des Landesgesundheitsamts, sondern auch Unterschiede in der Bevölkerungsdichte und Bevölkerungsstruktur. Selbst die Grenznähe und entsprechende Pendlerquoten spielten eine Rolle, aber auch lokale Ausbrüche könnten die Zahlen in einzelnen Kreisen schnell nach oben treiben. Dieser Effekt sei in einwohnerschwachen Stadt- und Landkreisen besonders stark, bei Kreisen mit höheren Einwohnerzahlen relativiert sich der Einfluss einzelner Ausbrüche auf die Gesamtzahl der Neuinfektionen dagegen.

Inzidenzen steigen massiv

Einer der besonders betroffenen Kreise ist der Stadtkreis Pforzheim. Die Inzidenz beläuft sich inzwischen auf 425,3 (Stand 9. November). Auch im benachbarten Enzkreis liegt die Inzidenz mit 385,5 sehr hoch. Sabine Burkard, Sprecherin des Landratsamts, sagt dem SÜDKURIER: „ Die Lage ist derzeit sehr angespannt. Die Zahl der Infektionen steigt exponentiell an und zwar fast ungebremst, weil kaum Kontakteinschränkungen gelten“, erklärt sie.

Die Gründe dafür sieht sie in der „in der Region vergleichsweise niedrigen Impfquote“. In Pforzheim kommen demnach zudem strukturelle Voraussetzungen hinzu, „zum Beispiel viele große Familien mit zahlreichen Kindern, beengter Wohnraum, ein hoher Anteil junger Menschen, die tendenziell weniger gut geimpft sind, die Erkrankung nicht so ernst nehmen und sich häufig treffen“, ergänzt die Sprecherin.

Tatsächlich liegt die Impfquote in Pforzheim Ende Oktober mit 54 Prozent deutlich unter dem Landesdurchschnitt von etwa 62 Prozent. Stadt und Landkreis versuchten nun über zusätzliche Impfangebote mehr Menschen zu erreichen. Die Resonanz sei positiv.

Spitzenreiter Biberach

Im Landkreis Biberach kommen inzwischen 551,3 (Stand 9. November) Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner – die landesweit höchste Inzidenz. Damit ist der Kreis mit Abstand am stärksten betroffen. Sprecher Philipp Friedel sagt dem SÜDKURIER auf Anfrage: „Wir befinden uns in der Zwischenzeit in einem schweren und diffusen Infektionsgeschehen.“ Friedel geht aber davon aus, „dass in den anderen Landkreisen ein ähnlicher Verlauf bevorstehen wird.“

Dafür spricht, dass die Impfquote in Biberach Ende Oktober mit 60 Prozent nur wenig niedriger liegt als der Landesdurchschnitt von 62 Prozent liegt. Wegen der sehr hohen Inzidenzen hat der Kreis inzwischen wieder ein Impfzentrum eingerichtet.

Eine Menschenschlange steht vor dem Impfzentrum in der Stadthalle in Biberach an der Riss. Nachdem der Landkreis die landesweit höchsten ...
Eine Menschenschlange steht vor dem Impfzentrum in der Stadthalle in Biberach an der Riss. Nachdem der Landkreis die landesweit höchsten Inzidenzen hat, wurde in der Stadthalle ein Impfzentrum eingerichtet. | Bild: Stefan Puchner

Konstanz hat landesweit zweitniedrigste Inzidenz

Positiv in der Bilanz fällt dagegen der Kreis Konstanz auf, war die Inzidenz noch am 5. November trotz eines größeren Ausbruchs in Allensbach mit 121,7 vergleichsweise niedrig. Am 9. November liegt die Inzidenz bei 190,3 pro 100.000 Einwohner – nur Heidelberg liegt mit 150,6 noch niedriger. Die Impfquote beläuft sich Ende Oktober auf 61,9 Prozent und damit fast im damaligen Landesdurchschnitt. Kann die Impfquote hier also ausschlaggebend für die vergleichsweise niedrige Inzidenz sein?

Sprecherin Marlene Pellhammer drückt sich vorsichtig aus. „Die Inzidenzen stellen immer eine Momentaufnahme dar“, erklärt sie. Dennoch vermutet sie, dass die Lage im Landkreis „die intensive Personalausstattung bei der Kontaktpersonennachverfolgung“ positiv beeinflusst habe.

Angebote wie dieser mobile Impfbus wie hier in Notzingen sollen helfen, mehr Menschen für eine Impfung zu gewinnen, um die aktuell stark ...
Angebote wie dieser mobile Impfbus wie hier in Notzingen sollen helfen, mehr Menschen für eine Impfung zu gewinnen, um die aktuell stark steigenden Inzidenzen im Land zu bremsen. | Bild: Marijan Murat

Auch im Landkreis Waldshut, wo die Inzidenz noch am 5. November 127,3 betrug, ist die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner inzwischen auf 212,6 gestiegen (Stand 9. November): „Es ist ein fragiler Zustand“, betont Sprecherin Susanna Heim. Einziger Pluspunkt: Im Landkreis hatte es bis zur vergangenen Woche keine größeren Ausbrüche gegeben. Zudem habe der Kreis frühzeitig auf niederschwellige Impfangebote wie Impfbusse gesetzt. Diese „werden nach wie vor gut angenommen“, ergänzt Heim. Insgesamt liegt die Impfquote im Kreis Ende Oktober mit 61,3 knapp unter dem Landesdurchschnitt.

Die kritische Phase im Land rückt indes näher. Am 9. November mussten 356 Covid-Patienten auf den Intensivstationen behandelt werden. Liegt die Zahl an zwei aufeinanderfolgenden Werktagen über 390, wird die sogenannte Alarmstufe ausgerufen, die massive Einschränkungen mit sich bringt – vor allem für Ungeimpfte.