Die Corona-Regeln sind bis auf die Maskenpflicht in Krankenhäusern, Pflegeheimen und in öffentlichen Verkehrsmitteln bereits gefallen, ein Ende der Quarantänepflicht wird diskutiert. Dennoch wird der Bundestag an diesem Donnerstag über die allgemeine Impfpflicht abstimmen. Eine Mehrheit für einen der Vorschläge zu finden, dürfte aber schwierig werden.
Schon in der Ampelkoalition kursierten unterschiedliche Modelle. Einig sind sich SPD, FDP und Grüne einzig über eine Beratungspflicht für alle Bürger ab 18 Jahren. Die Forderung, eine Impfpflicht ab 18 Jahren einzuführen, ist bereits vom Tisch. Als wahrscheinlich gilt dagegen, dass eine Impfpflicht ab 60 Jahren zur Abstimmung gebracht wird. Zudem soll ein Impfregister geschaffen werden. Die FDP lehnt eine Impfpflicht allerdings gänzlich ab, fordert lediglich eine stärkere Impfkampagne.
Die Opposition ist sich ebenso uneinig: Die Union will eine gestufte Impfpflicht für bestimmte Alters- und Berufsgruppen vorbereiten. Ausgelöst werden soll sie aber nur, wenn dies epidemiologisch notwendig ist. Zunächst sollen demnach die Voraussetzungen für ein Impfregister geschaffen werden. Die AfD lehnt eine Impfpflicht grundsätzlich ab.
Wie die Abgeordneten in der Region am Donnerstag abstimmen wollen, haben wir vorab gefragt. Das sind ihre Antworten.
Lina Seitzl, SPD, Wahlkreis Konstanz
Die SPD-Bundestagsabgeordnete hält „eine allgemeine Impfnachweispflicht nach wie vor für notwendig, um vulnerable Gruppen zu schützen und zukünftige Infektionswellen zu vermeiden“. Den Kompromissvorschlag unterstütze sie dennoch, „weil er die Option einer Überprüfung der Impfsituation im Spätsommer“ vorsehe. Sie warnt: „Wenn dieser Vorschlag im Bundestag keine Mehrheit findet, ist die Impfpflicht gescheitert.“ Dies sei „angesichts der nach wie vor angespannten Infektionslage die schlechteste Lösung“.
Ann-Veruschka Jurisch, FDP, Wahlkreis Konstanz
„Eine Impfpflicht muss Teil einer Corona-Gesamtstrategie sein, die klare Ziele benennt, darauf abgestimmte Kennzahlen definiert und zur Erreichung des Ziels alle verfügbaren Maßnahmen ausschöpft“, sagt die Liberale aus Konstanz. Dies werde bei den Vorschlägen zu einer Impfpflicht nicht ausreichend berücksichtigt. Impfen solle freiwillig bleiben. Sie will den Antrag der Liberalen unterstützen für eine stärkere Impfkampagne.
Andreas Jung, CDU, Wahlkreis Konstanz
Der stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU will den Antrag der Union für ein sogenanntes Impfvorsorgegesetz unterstützen: “Damit soll die Voraussetzung geschaffen werden, dass eine Impfpflicht in zugespitzter Lage schnell greifen und gegen eine neue Virusvariante helfen könnte“, erklärt der Konstanzer CDU-Bundestagsabgeordnete. Der Vorschlag sieht vor, ein Impfregister aufzubauen, die Impfpflicht müsste dann in einem gesonderten Beschluss des Bundestags angeordnet werden, erklärt Jung.
Rita Schwarzelühr-Sutter, SPD, Wahlkreis Waldshut
Die parlamentarische Staatssekretärin im Innenministerium hält die Impfung gerade jetzt, ohne die bisherigen Schutzmaßnahmen, für unerlässlich, „um sich selbst und vor allem die vulnerablen Gruppen zu schützen.“ Weil eine „Impfnachweispflicht für alle Erwachsenen derzeit im Bundestag nicht mehrheitsfähig ist“, müsse zumindest die Beratung verpflichtend werden, fordert sie. „Das Mindestalter für eine Impfnachweispflicht auf 60 Jahre festzulegen, ist für mich ein schwieriger Kompromiss, den ich für den Moment aber mitgehen würde“, erklärt sie.
Felix Schreiner, CDU, Wahlkreis Waldshut
Der CDU-Bundestagsabgeordnete aus Waldshut ist gegen eine Impfpflicht. „Es gibt aus meiner Sicht viele Argumente für eine Impfung, aber gegenwärtig nur noch wenige für eine Impfpflicht.“ Von der Ampelkoalition hätte er sich einen Vorschlag gewünscht, der breite Unterstützung im Parlament findet. Schreiner will den Unionsvorschlag mittragen, an dem er selbst mitwirkte. Damit könne eine Impfpflicht eingerichtet werden, „wenn wir diese wirklich bräuchten“. Derzeit seien die Krankenhäuser nicht überlastet, deshalb keine Impfpflicht nötig.
Thomas Bareiß, CDU, Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen
„Die Impfpflicht für alle wurde so oft verschoben, dass sie uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr weiter hilft“, sagt der CDU-Oppositionspolitiker Bareiß. Auch eine Impfpflicht ab 60 Jahren und eine verpflichtende Beratung für Jüngere lehnt er ab. Die Beratung bringe einen hohen bürokratischen Aufwand mit sich, der Effekt sei zweifelhaft. Der CDU-Politiker will deshalb den Unionsvorschlag unterstützen. Damit werde „eine systematische Datengrundlage“ aufgebaut, um angemessen reagieren zu können.
Robin Mesarosch, SPD, Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen
Der SPD-Bundestagsabgeordnete fordert: „Alle sollten sich impfen lassen. Das ist unsere beste Chance, gut durch den nächsten Winter zu kommen.“ Die Impfpflicht ist für ihn eine klare Sache: „Der Staat sollte das zur Pflicht machen, denn so wären alle am besten geschützt. Und so könnten alle mit weniger oder sogar gar keinen Corona-Einschränkungen mehr die meiste Freiheit genießen. Ich bin für eine Impfpflicht ab 18.“ Der 31-Jährige will aber auch „dem Kompromiss zustimmen, wenn es nur dafür eine Mehrheit gibt“, erklärte er.
Volker Mayer-Lay, CDU, Wahlkreis Bodensee
Für den CDU-Bundestagsabgeordneten ist klar: „Ich lehne auch die Impfpflicht ab 60 Jahren ab. Diese Variante ist für mich noch deutlich weniger nachvollziehbar als eine generelle Impfpflicht, die ich auch strikt ablehne.“ Diese sei nicht verhältnismäßig. Er will den Unionsvorschlag unterstützen. „Damit würde immer abgewogen werden, wie gefährlich eine Virusvariante tatsächlich für die Bevölkerung ist und zusätzlich wird und die Wirksamkeit des jeweiligen Impfstoffs mit betrachtet“, ergänzt er.
Alice Weidel, AfD, Wahlkreis Bodensee
Die AfD-Bundestagsfraktionsvorsitzende hält eine Impfpflicht für „inakzeptabel, egal für welche Alters- oder Bevölkerungsgruppe“. Menschen zu einer Impfung zu „nötigen, die lediglich einen gewissen Eigenschutz bieten kann“, sei „medizinisch sinnlos und verfassungswidrig“. Die AfD-Politikerin verweist dabei auf das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Sie plädiere deshalb für eine Ablehnung der Impfpflicht. Österreich habe sie bereits ausgesetzt, auch Deutschland müsse sich davon abwenden.
Thorsten Frei, CDU, Wahlkreis Schwarzwald-Baar
Der 48-jährige CDU-Oppositionspolitiker hält eine „wie auch immer geartete Impfplicht“ für „eine ultima ratio“, die dem „Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechen muss“. Unter den aktuellen Bedingungen sei dies nicht gegeben. Auch mit Blick auf die „Unkenntnis möglicher Varianten im Herbst“ sei es schwierig, eine solche Pflicht festzuschreiben. Frei will deshalb das Impfvorsorgegesetz der Union unterstützen, an dem er selbst mitgewirkt habe.
Derya Türk-Nachbaur, SPD, Wahlkreis Schwarzwald-Baar
Die SPD-Bundestagsabgeordnete hätte eine Impfpflicht für alle ab 18 Jahren unterstützt: „Es ist sehr bedauerlich, dass für eine allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren keine Mehrheiten gefunden werden konnte“, sagt sie. Sie will nun den Kompromissvorschlag unterstützen mit einer Impfpflicht ab 60 Jahren und einer verpflichtenden Impfberatung für Jüngere. „Wir müssen nämlich jetzt handeln, um gut durch den Herbst und den Winter zu kommen.“
Benjamin Strasser, FDP, Wahlkreis Ravensburg
Der parlamentarische Staatssekretär im Justizministerium hat „grundsätzliche Bedenken gegen eine Impfpflicht“. Ein „solch gravierender Grundrechtseingriff muss geeignet und verhältnismäßig sein“, betont der Liberale. Wegen der Ungewissheit, wie sich das Virus im Herbst entwickelt, und fehlenden Informationen über die konkrete Umsetzung einer Impfpflicht wird er gegen die Vorschläge der Ampel stimmen.
Agnieszka Brugger, Grüne, Wahlkreis Ravensburg
Die stellvertretende Grünen-Bundestagsfraktionsvorsitzende unterstützt eine allgemeine Impfpflicht, „damit wir auch sicher durch den nächsten Herbst und Winter kommen und auf mögliche gefährliche Mutationen besser vorbereitet sind“. Den Kompromissvorschlag bezeichnete Brugger als „Schritt in diese Richtung und trägt mit der verpflichtenden Beratung hoffentlich dazu bei, dass sich noch mehr Menschen impfen lassen.“ Sie wird ihn mittragen.
Axel Müller, CDU, Wahlkreis Ravensburg
Der CDU-Bundestagsabgeordnete will den Unionsvorschlag mittragen. „Es ist der einzige Antrag, der in der aktuellen Situation einer rechtlichen Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht mit hoher Wahrscheinlichkeit standhalten wird“, glaubt der Jurist, da der Vorschlag nur bei medizinischer Notwendigkeit eine abgestufte Impfpflicht ermögliche.
Heike Engelhardt, SPD, Wahlkreis Ravensburg
Die SPD-Bundestagsabgeordnete hält es nach wie vor für gegeben, „die Impfpflicht für alle ab 18 Jahren einzuführen“. Der nun vorliegende Kompromiss erlaube es, Menschen, „deren Immunsystem nicht mehr so gut ist wie bei Jüngeren, vor schwerer Erkrankung schützen“. Weil die Anzahl schwerer Erkrankungen mit Todesfolge bei Älteren höher sei, hält sie den Kompromiss für vertretbar.
Maria-Lena Weiss, CDU, Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen
Die CDU-Politikerin will den Unionsantrag unterstützen. Einer sofortigen Impfpflicht werde sie nicht zustimmen. Der Antrag der Union fuße auf einem Impfmechanismus, „der künftige wissenschaftliche Erkenntnisse zur Wirksamkeit eines Impfstoffes oder zur Einbeziehung schützenswerter Gruppen berücksichtigt und so lageangepasst aktiviert werden kann“.