Ab jetzt gehört er zum Publikum: Franz Hoben, stellvertretender Leiter des Kulturbüros nimmt nach 36 Jahren seinen Abschied. „Diese Zeit war außerordentlich bereichernd für mich“, sagt er. „Ich habe viele Kunst- und Kulturerlebnisse mitgestaltet und erlebt und wunderbare Menschen kennengelernt, unter den Künstlern wie im Publikum.“ Rund 3000 Abende hat er bei Kulturveranstaltungen verbracht, über 600 Autorenlesungen veranstaltet, das Literaturschiff erfunden und 25 Fahrten mit der Hohentwiel kuratiert. 17 Tage gehörten im Sommer von morgens bis Mitternacht dem Kulturufer.
Zur Eröffnung des Graf-Zeppelin-Hauses: „Die Leute haben uns überrannt“
Wenn Hoben erzählt, passieren die Jahre Revue, in denen Friedrichshafens Kulturangebot zur heutigen Form aufgelaufen ist. Er trat sein Amt 1985 an, im Jahr der Eröffnung des Graf-Zeppelin-Hauses und des ersten Kulturufers. Vorher gab es die alte Festhalle, jetzt stand ein Haus zur Verfügung, das mit großstädtischen Bühnen mithielt. „Unsere Aufgabe war es zunächst, eine gute Akzeptanz für das Haus zu schaffen. Es war umstritten, es gab sogar ein Bürgerbegehren dagegen“, erinnert er sich. Andererseits war der kulturelle Nachholbedarf groß. „Die Leute haben uns überrannt, sie waren begierig darauf, in einem festlichen Rahmen Kultur zu erleben.“
Das Geld der Zeppelin-Stiftung ermöglichte ein hochkarätiges Programm. „Wir hatten große Schauspielhäuser, internationale Ballettensembles und bedeutende Orchester aus Europa und Übersee hier“, sagt er. Mit dem Bahnhof Fischbach, Kiesel und Caserne kamen weitere Spielstätten dazu, mit eigenen Möglichkeiten und eigenem Flair. „Das Programm hat sich verdreifacht, seit ich angefangen habe. Heute organisiert das Kulturbüro zirka 300 Veranstaltungen im Jahr“, sagt er.

Franz Hoben bekochte einen späteren Literatur-Nobelpreisträger
Einige Erlebnisse sind ihm in besonderer Erinnerung geblieben. Heute noch wirkt die Aufführung von Schostakowitschs Leningrader Sinfonie unter Dirigent Gennadi Roschdestwenski nach. „Das war erschütternd und musikalisch großartig. Er war ein hervorragender Dirigent, ein Ausnahmemusiker.“
Begegnungen prägten sich ein wie die mit Barbara Brecht-Schall, die ihm spätnachts nach einem Theaterstück im Bahnhof Fischbach aus dem Haushalt ihrer Eltern Bertold Brecht und Helene Weigel erzählte. Den ungarischen Autor Imre Kertész holte Hoben vor einer Lesung vom Bahnhof ab und kochte für ihn. „Ich war sehr beeindruckt und bewegt von dem ‚Roman eines Schicksallosen‘, in dem er seine Auschwitz-Erfahrungen verarbeitet“, sagt er. Drei Jahre später erhielt Kertész den Nobelpreis für Literatur.
„Das Kulturufer ist ein Ausdruck dessen, was der Kultur möglich ist.“Franz Hoben
Auch das Kulturufer musste sich bewähren. „Ein Kulturspektakel im Freien, im Zirkuszelt, in nicht-bürgerlicher Form – da gab es eine Diskussion im Gemeinderat, ob das wiederholt werden sollte“, erzählt Hoben. Was seither dort entstand, hat ihn jedes Jahr aufs Neue begeistert.
„Das Kulturufer ist ein Ausdruck dessen, was der Kultur möglich ist, die Gleichzeitigkeit von alter und zeitgenössischer Kunst, von Hochkultur und Subkultur in gegenseitiger Anerkennung auf einem Gelände mitten in der Stadt“, sagt er. Abwechslungsreich und niederschwellig ziehe es die unterschiedlichsten Menschen an, mache die Stadt bunter und lebendiger und stifte Gemeinschaft und Toleranz.

Publikation des literarischen Gesamtwerks von Maria Beig
Mit eigenen Arbeiten setzte er Impulse zu städtischen Kulturthemen. Zum Stadtjubiläum 2011 leitete er ein Stationentheater zur Stadtgeschichte, zum Zeppelinjubiläum schrieb er ein Theaterstück über Ferdinand von Zeppelins Jugendjahre, das der Theaterjugendclub beim Festakt im GZH aufführte. Literarische Zeppelintexte vereint die Anthologie „Spazierfahrt in der Luft“, die er in zwei Auflagen herausgab. „Ein Höhepunkt meiner Arbeit war sicher auch die Publikation des literarischen Gesamtwerks von Maria Beig. Sie ist die bedeutendste oberschwäbische Autorin im 20. Jahrhundert und hat 50 Jahre lang in Friedrichshafen gelebt und gearbeitet.“
Als stellvertretender Leiter war Franz Hoben ein Generalist im Team, verantwortlich für Schauspiel, Literatur, Musikdramaturgie, Digitalisierung, Ausbildung und vieles mehr. Die Kollegen im Kulturbüro hätten stets mit viel Leidenschaft kreativ, zuverlässig und in bedingungsloser Wertschätzung zusammengearbeitet, sagt er. Sein Fazit: „Wenn wir dazu beitragen konnten, dass wir in der Stadt eine vielfältige, lebendige, offene Kultur haben und die Leute bei uns schöne und tiefe Erfahrungen gemacht haben, dann haben wir unser Ziel erreicht.“
Auch wenn er mit einem weinenden Auge geht, freut er sich auf die Zeit, die vor ihm liegt. „Ich werde meine kulturellen Hobbies wiederaufnehmen, wie Gitarre spielen und malen“, sagt er. Er hat sich vorgenommen, häufiger andere Spielorte wie Bregenz, München oder Stuttgart zu besuchen. In St. Gallen ist er demnächst Juror bei einem Literaturwettbewerb, in Ailingen wartet ein Buchprojekt, ehrenamtlicher Geschäftsführer der Literaturstiftung Oberschwaben bleibt er auch. Als fleißigem Leser wird ihm ohnehin nie langweilig.