In Friedrichshafen haben schon viele Menschen den klaren Sopran von Greta Hartleb gehört: Sie hat auf Konzerten des Karl-Maybach-Gymnasiums und der Musikschule gesungen, bei Demonstrationen von Fridays for Future, im Pop-Oratorium „Luther“ und in Gottesdiensten in Manzell oder der Schlosskirche. Rock und Pop singt sie ebenso wie Musical und Klassik, vor Corona hat sie in Chören genauso gern mitgemacht wie in einer Band. Ihren ersten Preis bekam sie mit ihrer Grundschulklasse für die Aufführung des „Dschungelbuchs“, ihren bislang letzten im Mai 2021 beim Bundeswettbewerb von „Jugend musiziert“ in der Kategorie „Klassisches Kunstlied“.

Wann ihre Leidenschaft fürs Singen angefangen hat, weiß sie gar nicht mehr. „Es gibt schon Videos von mir als ganz kleines Kind, auf denen ich singe. Ich hatte einfach schon immer große Lust dazu“, sagt sie. Seit sie zehn war, nimmt sie Gesangsunterricht an der Musikschule. Auf ihrem Weg fand sie viel Unterstützung: ihre Familie fördert ihr Hobby, die Lehrer an der Musikschule erkannten ihr Talent und bereiteten sie mehrfach für „Jugend musiziert“ vor. Bei Schlosskirchenkantor Sönke Wittnebel ist sie im Jugendchor, er lässt sie immer wieder mit Liedern und Arien in der Schlosskirche auftreten.
„Singen ist so befreiend. Wenn es mir nicht so gut geht, kann ich mir das vom Leib singen. Es ist auch etwas sehr Persönliches, man gibt mit seiner Stimme etwas von sich selbst preis“, beschreibt Greta Hartleb ihre Passion. Wenn sie eintaucht in die Welt der Musik, öffnen sich neue Horizonte und Ausdrucksmöglichkeiten. „Musik ist wie eine andere Sprache“, sagt sie. Wenn ein Text von Frühling und von Vogelgesang handelt, dann muss es anders klingen als einer über Schnee und klirrende Kälte. Jede Strophe ist anders, damit die Spannung hält.
„Ich muss vorher wissen, wie ich welche Strophe singen will: freudig, traurig, geheimnisvoll“, sagt sie. Sie möchte mit ihrem Gesang die Herzen der Zuhörer erreichen. „Bei einer Trauerfeier zum Beispiel ist Musik eine andere Form der Seelsorge“, sagt sie. Bis es so weit ist, setzt sich die 17-Jährige gründlich mit der Musik auseinander. „Man muss so ein Lied analysieren,“ sagt sie. Neben Noten und Text müssen Sinn und Stimmung erfasst und an Ton, Dynamik, Aussprache und künstlerischer Gestaltung gefeilt werden. „In der Musik ist man nie fertig“, sagt sie.
Zur Person und zur Serie
Sie liebt an der Musik ihre Vielfalt. „Jeder Mensch hat seine eigene Geschichte und seinen eigenen Gemütszustand, jedem tut etwas anderes gut. Entsprechend sollte sich auch die Musik frei entfalten.“ Daher lässt sie sich gern auf verschiedene Stile ein. Beim letzten KMG-Schülerkulturabend zog sie ihre Zuhörer mit „My heart will go on“ aus dem Film „Titanic“ in ihren Bann. Sie wurden still und schwenkten Handylampen. „Da weiß ich, dass jeder verstanden hat, worum es ging.“

Ein Lied von Debussy hat Greta Hartleb gereizt, weil Klavier- und Singstimme sich aneinander reiben und trotzdem gemeinsam entwickeln. Im Barock fasziniert sie die kunstvolle Gestaltung: „Bei Bach zum Beispiel sind die Verzierungen oft eigentlich unmöglich für die menschliche Stimme, aber gerade das ist sehr reizvoll.“ An der Romantik mag sie die tiefe Emotion. „Ein Lieblingslied von mir ist aus der Oper Hänsel und Gretel, ‚Abends will ich schlafen gehen‘. Das ist ganz zart und lieblich, ergreifend und einfach wunderbar.“
In den vergangenen eineinhalb Jahren war gemeinsames Singen aufgrund der Corona-Pandemie lange unmöglich, es gab kaum Auftrittsmöglichkeiten. „Ich habe schon immer jede Möglichkeit zum Singen genutzt und in dieser Zeit erst recht“, sagt Greta Hartleb. Ein Ziel hat sie trotz allem erreicht: Sie hat auf Bundesebene bei „Jugend musiziert“ mitgemacht und einen dritten Preis errungen. „Wir konnten nicht live auftreten, sondern mussten ein Video drehen. Wir konnten auch nicht zum Bundeswettbewerb nach Bremen fahren. Aber es war trotzdem eine tolle Erfahrung und eine Bereicherung.“
„Singen ist auch etwas sehr Persönliches, man gibt mit seiner Stimme etwas von sich selbst preis.“Greta Hartleb, 17 Jahre
Ihre Begeisterung für Musik prägt auch weitere Lebensbereiche. Vor zwei Jahren wurde Greta Hartleb zur Schülersprecherin am Karl-Maybach-Gymnasium gewählt. „Ich wollte mich für meine Mitschüler einsetzen. Ungerechtigkeit kann ich nicht leiden, da wollte ich gegen angehen. Ich wollte Konzerte organisieren, mit der Bigband, den Chören und Orchestern.“ Sie wollte mehr Raum für Kultur an der Schule schaffen, mehr Auftrittsmöglichkeiten und ein Benefizkonzert. Die Konzertplanung fiel wegen der Pandemie aus, ebenso wie die bereits gegründete Nachhaltigkeits-AG. Stattdessen saß sie mit ihren Co-Sprechern und den Elternbeiräten regelmäßig beim Schulleiter, diskutierte Hygienekonzepte und Digitalisierung und forderte Angebote für lernschwache Schüler.
Welcher Beruf es auch wird: Sie möchte damit Menschen helfen
Ihr Lateinlehrer schlug vor, dass sie sich mit einem musikalischen Thema an Landeswettbewerb Latein beteiligen sollte. Sie schrieb einen Vergleich von einem Gedicht von Horaz und einem Lied aus Schuberts „Winterreise“. Den ersten Preis trug ihr die musikalische Analyse des von Schubert vertonten Gedichts von Wilhelm Müller ein. „Der Traum vom Frühling ist ganz lieblich, wunderschön fließend und mit aufblühender Stimme gestaltet. Das kalte Erwachen kommt mit Dissonanzen und hartem Staccato“, sagt sie. Bei Horaz arbeitete sie heraus, dass der Mensch seine Zeit nicht mit Grämen vertun solle, sondern seine jungen Jahre nutzen.
Ob sie aus ihrem Hobby einen Beruf machen möchte, weiß sie noch nicht. Wichtig ist ihr, Menschen in ihren Beruf zu helfen. Sie könnte sich daher auch ein Medizinstudium vorstellen, da sie die Studieninhalte interessieren und sie als Ärztin sehr praktisch Hilfe leisten könnte. Sie will dazu beitragen, den Zusammenhalt der Menschen zu stärken und ihr Bewusstsein dafür, gemeinsam auf einem einzigen Planeten zu leben. Eines steht für Greta Hartleb fest: „Ich werde die Musik auf keinen Fall loslassen.“