Samstagmorgen in Fischbach
Viertel nach zehn am Samstag in Fischbach. Es windet leicht, zwischen Wolken schaut etwas blauer Himmel hervor. Von irgendwo ertönt Musik. Wer ihr gefolgt ist, kommt zur Fischbacher Turn- und Festhalle. Dort steht eine kleine Gruppe Narren beisammen: die Bächlesfischer. Ihre Schalmeien spielen in Sichtweite des Narrenbaums. Vereinzelt kommen Passanten vorbei und schauen verwundert, darunter vor allem Menschen, die gerade mit ihrem Hund spazieren gehen. Zuschauer, die gezielt herkommen, gibt es keine – die soll es auch nicht geben.
Beisammensein ja – Veranstaltung nein
Gruppenführer Bernd Wolferseder erklärt: „Wir dürfen keine öffentliche Veranstaltung abhalten, sondern nur hier für uns zusammen sein. Daher haben wir vom Vorstand die Mitglieder auch erst am Mittwoch darüber informiert, dass wir am Wochenende etwas veranstalten wollen.“ Dabei hätten sie ein striktes Verbot ausgesprochen, irgendetwas anzukündigen, auch in den privaten Profilen der sozialen Medien sei das Tabu gewesen.

„Wir vom Vorstand selbst hatten natürlich schon lange die Idee im Kopf, heute etwas zu machen, und auch die konkreten Pläne waren bereits länger geschmiedet. Wir mussten ja auch die Genehmigung, allein fürs Narrenbaumstellen, einholen“, sagt Wolferseder. Der Narrenbaum steht am Samstag bereits. Um nicht doch noch Zuschauer anzuziehen bei ihrem kleinen Beisammensein, hätten sich die Verantwortlichen entschieden, den kleinen Umtrunk am Samstag und das Narrenbaumstellen am Freitag zeitlich getrennt stattfinden zu lassen.
„Wir versuchen uns hier an einen kleinem bisschen Normalität.“Bernd Wolferseder, Gruppenführer der Bächlesfischer
„Wir halten uns an die Maßnahmen“, betont Wolferseder, den hier alle nur „Eder“ nennen. Selbst in der kleinen Runde, die hier zusammensteht, halten sie sich an die G-Regeln. Und dennoch: „Wir versuchen uns hier an einem kleinen bisschen Normalität“, sagt er. Als kleine Stärkung gibt‘s Saiten, als Süßes Berliner: „Das ist das, was wir sonst im Bus essen, wenn wir unterwegs zum Umzug sind.“ Und dann sei es in diesem Jahr auch wieder erlaubt, das Häs aus dem Schrank zu holen. Das nun seit fast zwei Jahren wieder zu tragen und außerdem die Vereinskollegen zu sehen, für das Gefühl fehlen ihm beinahe die Worte: „Da spürt man schon ein bisschen eine Träne im Auge.“
Dorffasnet in den Immenstaader Gärten und Höfen
Ähnlich hielten es auch die Narren in Immenstaad. Nach einem einfachen Rezept wurde an den vergangenen beiden Wochenenden in Dorffasnet gefeiert: Wenn die Leute nicht auf die Fasnet gehen dürfen, dann bringt man die Fasnet eben zu den Leuten. Den Drahtseilakt zwischen närrischer Ausgelassenheit und Einhalten der Corona-Regeln hat die Narrengesellschaft Hennenschlitter kreativ gemeistert.
Die närrische Bevölkerung war aufgerufen, in kleinen Gemeinschaften privat im heimischen Innenhof oder Garten zu feiern. Dann haben sich die verschiedenen Gruppen der Hennenschlitter, zehn an der Zahl, auf bunten Wagen einzeln und nach einem minutiös ausgearbeiteten Plan auf den Weg gemacht, um jedes Garten- und Hoffest zu besuchen.

Jede Narren-Gruppe hat ein Gastgeschenk mitgebracht. Es gab Leberkäswecken, Eierlikör, Büttenreden, Konfetti, Gedichte, Glüh-Caipi, Hexenfürzle, Stroh, Musik, Bonbons, Hennenfedern, Torwandschießen, Tequila und Pinata oder Blasmusik – alles war kostenlos und hochwillkommen. Es war ein bisschen wie eine Hennensuppe auf Rädern. Glückselige Narren, die applaudierten, jubelten, das „Mäschkerle mei Mäschkerle“ angestimmt, gelacht, gegessen, getrunken, gewunken und immer wieder auf die Uhr geschaut haben, denn jede Hennenschlitter-Gruppe durfte nur 15 Minuten an einem Ort verweilen. „Das hat alles wunderbar geklappt“, freute sich Narrenvater Wolfgang Haas.

Es gab keine Staus, keine Menschenansammlungen, keine Beschwerden von Nachbarn und auch Bürgermeister Johannes Henne winkte den Narren freundlich aus sicherer Entfernung zu. Am vergangenen Sonntag und an diesem Samstag haben die Hennenschlitter insgesamt 17 Festle besucht und Freude im ganzen Dorf verbreitet. Für die Akteure der Narrengesellschaft war es anstrengend, besonders für die Tanzgarde, die nicht nur stundenlang auf Asphalt und Pflastersteinen tanzte und auch noch Zugabewünsche erfüllte.

Zurück in Fischbach: Schalmeien spielen
Monika Fassott von der Schalmeienkapelle Fischbach ist glücklich, endlich wieder musizieren zu dürfen – auch wenn sie nur kurz spielen, um nicht doch Publikum anzuziehen. Das heißt: Die richtige Premiere nach beinahe zwei Jahren Auftrittspause habe sie vor Kurzem schon gehabt: „Wir spielen auch zu den runden Geburtstagen von passiven Mitgliedern und beim letzten durften wir dann tatsächlich im Freien wieder auftreten.“ Das sei wirklich besonders gewesen: „Das war Gänsehautfeeling pur, also für alle; auch für uns.“ Man habe richtig gemerkt, wie sehr die Leute sich nach so etwas gesehnt hätten. Die Geburtstagsgäste hätten alle begeistert mitgemacht und mitgesungen.
„Wir wollten auf Knopfdruck starten können, sobald es wieder geht.“Monika Fassott, Schalmeienkapelle Fischbach
Fassott selbst sei seit ihrem Umzug an den Bodensee bei den Schalmeien dabei, 15 Jahre sind das inzwischen, vier Jahre davon ist sie die erste Vorsitzende des Vereins. „Ich habe alles mitgemacht; Höhen und Tiefen, Mitgliederzuwachs und Mitgliederschwund und jetzt auch noch Corona“, schildert sie. Dabei hätten sie in der Coronazeit sogar drei neue Mitglieder begrüßen dürfen und nicht zuletzt für diese immer dann Musikproben abgehalten, wenn diese gerade erlaubt gewesen seien. „Wir wollten auf Knopfdruck starten können, sobald es wieder geht“, ergänzt sie. Dennoch sei es etwas anderes, bei einer solchen Probe zu spielen als nun hier öffentlich zusammen zu sein mit den Bächlesfischern im Häs.

Die kleine Narrengruppe bricht zu einem kleinen Samstagsspaziergang durch den Ort auf. Dabei, das betonen sie alle, möchten sie nichts mit den Montagsspaziergängern gemein haben und entscheiden sich kurzfristig, den Vorgang eventuell wandern zu nennen oder doch „bummelen“? In jedem Fall wird auf Abstände zu anderen geachtet, auch als sich spontan drei Brunnisach-Hexen dem kleinen Zug anschließen. Inzwischen ist auch die Sonne hinter den Wolken hervorgekommen.

Da die Information über die kleine Vereinsaktion tatsächlich nicht die Runde gemacht hat, ist die Straße weitgehend leer. Schnell kommen Menschen allerdings an ihre Fenster, manche gehen spontan auf die Straße, andere legen einen kleinen Umweg auf ihrem Einkaufsweg ein, um zuzuschauen. Ein paar von ihnen sind auch ansatzweise verkleidet. Selbst die Fahrer der wenigen Autos, die passieren, lächeln und winken den Hästrägern zu.
Mit nassen Haaren, in Hausschuhen und mit ihrer kleinen Tochter auf dem Arm steht Katja Kremsler am Gartenzaun und schaut vergnügt den Narren hinterher. Sie sagt: „Normalerweise war hier samstags in der Fasnet ja immer was los. Ich habe dieses Jahr einfach gewartet und als ich eben die Musik gehört habe, bin ich schnell nach draußen.“ Auch von den Nachbarsbalkonen schauen zufriedene Gesichter nach unten. Nur zwei Kinder, die extra zur Straße gerannt sind, kommen zu spät. Die kleine Gruppe Schalmeien und Bächlesfischer ist bereits vorbeigezogen. Mit einem leicht enttäuschten: „Oh nein, ist schon vorbei“, machen sie wieder kehrt.