Es klingt paradox: Einerseits wird Friedrichshafen immer sicherer, andererseits scheint die Bevölkerung der Stadt zunehmend ängstlicher zu sein. Um auf die Sorgen der Häfler zu reagieren, plant die Stadtverwaltung nun die Einführung eines sogenannten Kommunalen Ordnungsdienstes: Zusätzliche Kontrolleure, die Präsenz zeigen – und somit zur gefühlten Lebensqualität der Bürger beitragen sollen. Über das Vorhaben berät am Montag der Finanz- und Verwaltungsausschuss.

Angst trotz hoher Lebensqualität
Hintergrund des Vorhabens ist ein Gutachten des Instituts für Kriminologie der Universität Heidelberg im Auftrag der Stadt. Am Sicherheitsaudit Friedrichshafens nahmen gut 4000 Personen im Rahmen einer Online-Erhebung teil. Im Kern ging es um die Frage: Wie sicher fühlen sich die Bürger? Es zeigte sich, dass die sogenannte Kriminalitätsfurcht im Vergleich zu anderen Städten wie Mannheim, Pforzheim oder Karlsruhe gering ist. Zudem wurde die Lebensqualität als hoch eingeschätzt.
Trotzdem gibt es in der Zeppelinstadt Furcht vor Kriminalität. Diese unterscheidet sich allerdings stark von Gegend zu Gegend. Während sich die Menschen in Fischbach und den Ortschaften sicher fühlen, sieht es andernorts übler aus: Mehr als die Hälfte der Befragten nannten die Stadtmitte als Bezirk, in dem sie sich ängstigen. Besonders der Stadtbahnhof, das Seeufer, der Riedlepark sowie Unterführungen wurden dabei genannt.

Furcht vor Betrunkenen
Gefürchtet werden dabei vor allem Leute, die potenziell bereit sind, andere anzupöbeln oder zu belästigen. Weiter heißt es in dem Gutachten, dass besonders Frauen die Stadtmitte und die Nordstadt als Furchtraum bewerten. „Ursächlich hierfür sind den Antworten zufolge Belästigungen durch Betrunkene und sexualisierte Herabwürdigungen, aber auch Defizite bei der Beleuchtung“, heißt es im Bericht. Besonders große Angst hätten Frauen mit Migrationshintergrund.
Doch auch andere Leute als Pöbler scheinen den Häflern Sorge zu bereiten. Die Gutachter schreiben, dass auch herumliegender Müll und Lärm das „Sicherheitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger beeinträchtigen und damit auch die Lebensqualität schmälern.“
Werden die Menschen sensibler?
Bemerkenswert an den Ergebnissen ist vor allem, dass sie nicht die Realität widerzuspiegeln scheinen. Auch die Stadtverwaltung schreibt in der Sitzungsvorlage für den Ausschuss über diesen Widerspruch. Während sich die Anzahl der begangenen Straftaten auf einem sehr niedrigem Niveau bewege – und sich die Lage zudem kontinuierlich verbessert habe – steige die Zahl der Personen, die sich unsicher fühlen. Im Juni sagte auch Petra Schömer, stellvertretende Leiterin des Amtes für Bürgerservice, Sicherheit und Ordnung, dem SÜDKURIER: „Wir haben Lärmbeschwerden, wo wir früher keine hatten.“
Auch Wildcamper im Fokus
Geht es nach der Stadtverwaltung, soll nun also bald ein kommunaler Ordnungsdienst für gefühlte Sicherheit sorgen. Konkret sollen Patrouillen an Brennpunkten stattfinden. Im Fokus wären dann neben Pöblern und Betrunkenen auch Graffiti-Sprayer und Wildcamper, wie in der Vorlage für den Ausschuss zu lesen ist. Zudem geht es um die Kontrolle von Nachtruhe, Waffen und Wettbüros sowie die Einhaltung des Jugendschutzes. Angegliedert werden soll der Dienst an die Abteilung Öffentliche Sicherheit der Stadt. Somit könnte er sich direkt mit der Polizeibehörde austauschen und Kontrollaufgaben abstimmen.
Auch andere Städte haben in der Vergangenheit solche Ordnungsdienste eingeführt, darunter Singen, Konstanz oder Villingen-Schwenningen. Die Stadtverwaltung Friedrichshafens will zum ersten Quartal konkrete Vorschläge zur Organisationsstrukturen und Anzahl der Kontrolleure vorlegen. Auch Erfahrungen anderer Kommunen mit solchen Ordnungsdiensten sowie der weitere Zeitplan sollen dann präsentiert werden.