Gemeinsam mit dem Mehrgenerationenhaus hat der SÜDKURIER im vergangenen Jahr im Rahmen der Aktion „Familien in Not“ auf Menschen aufmerksam gemacht, mit denen es das Leben nicht gut meinte und die einige Schicksalsschläge verkraften mussten.
Das Ziel war, durch Spenden zu helfen und den Betroffenen zu ermöglichen, in stabilere Lebenslagen zurückzukehren. Insgesamt rund 14 000 Euro haben die SÜDKURIER-Leser gespendet – für diese Unterstützung kann sich Renate Hold vom Leitungsteam des Mehrgenerationenhauses (MGH) immer wieder nur bedanken.
„Das war der Hammer, damit hätten wir nie gerechnet“, sagt Hold und hofft, dass die Aktion auch 2019 wieder ein voller Erfolg wird. Rund 8000 Euro an Spendengeldern habe man ausgegeben, Renate Hold rechnet damit, dass der Topf bis Anfang kommenden Jahres leer sein wird. „Wir haben auch einige Darlehen für Miete und Strom bewilligt, die wir wieder zurückbezahlt bekommen“, so Hold.
Vier-Augen-Prinzip: Wer bekommt welchen Geldbetrag?
Kleinere Beträge werden gespendet, um Betroffenen schnelle und vor allem unbürokratische Hilfe zu ermöglichen, wenn sie in eine Notsituation gelangen. „Das kann auch mehr als einmal passieren und auch dann sind wir zu Stelle“, sagt Hold, die gemeinsam mit Waltraud Zeller-Fleck nach dem Vier-Augen-Prinzip entscheidet, wem welcher Geldbetrag zugutekommt. Derzeit achten die MGH-Leiterinnen darauf, dass sie bedürftige Familien unterstützen, die keine sozialen Transferleistungen bekommen.
So berichtet Renate Hold von einer Familie, die sich sehr bemühe durch Arbeit ihre Finanzen zu stemmen und keinerlei Ansprüche an den Staat richte. „Die liegen nur ganz knapp über der Grenze“, spricht Renate Hold von einem Unterschied von 40 Euro im Monat, wenn die Familie Hartz IV bekommen würde. Hier wurde über den Spendentopf ein Zuschuss für Nachhilfestunden der Kinder gegeben, dazu Hold: „Das Geld ist gut investiert, da sich die Familie dies nie hätte leisten können.“
Was Sie über Hartz IV-Regelsatz und Kindergeld wissen müssen
Was tun, wenn kein Geld übrig ist?
Waschmaschine, warme Kleidung, Winterreifen, Weihnachtsgeschenke – was tun, wenn kein Geld für diese wichtigen Sachen übrig ist? Anna Müller (Name von der Redaktion geändert), alleinerziehende Mutter von mittlerweile zwei erwachsenen Söhnen, ist nach einer Trennung in ein tiefes Loch gefallen. Depressionen, Selbstmordgedanken. Dank einer Therapie kann sich die 51-Jährige aus dem negativen Gedanken-Karussell befreien. Trotz der psychischen Erkrankung war es ihr immer wichtig zu arbeiten und finanziell unabhängig zu sein.
Allerdings hat sie viele Berufe, wie in der Gastronomie oder im Dienstleitungssektor, nur in Teilzeit oder über einen kurzen Zeitraum ausgeübt und somit laut Renate Hold „viele Brüche in ihrer Erwerbsbiographie“. Rund 20 Jobs habe sie in den vergangenen 20 Jahren gemacht – für nichts sei sie sich zu schade gewesen, sagt Müller, die vor zehn Jahren hergezogen ist, im Gespräch mit dem SÜDKURIER.

Aus dem Spendentopf hat sie bereits ein, zwei Mal Unterstützung erhalten und sich im Gegenzug im Mehrgenerationenhaus eingebracht. Sie steht anderen Alleinerziehenden mit Rat und Tat zur Seite. Derzeit hat Anna Müller drei verschiedene Jobs in der Bodenseeregion, mit denen sie mehr „schlecht als recht“ über die Runde kommt. Außerdem muss sie Schulden abbezahlen, die entstanden sind, als die Kinder noch kleiner waren.
300 Euro für neue Winterreifen
Um zu den unterschiedlichsten Zeiten zu ihren Arbeitsstellen zu gelangen, benötigt sie ein Auto – und für dieses braucht sie dringend neue Winterreifen. Die alten Reifen sind abgefahren und stellen ein Risiko dar. Hier greift nun der Spendentopf in einer Höhe von 300 Euro. „Es ist schön zu wissen, dass ich Hilfe bekomme“, sagt Anna Müller. Auch wenn es sie Überwindung koste, nach Hilfe zu fragen. „Man hadert mit sich, dass man es nicht alleine schafft“, erzählt Müller.
Daher ist es für Renate Hold umso wichtiger, dass alles würdevoll und nicht beschämend abläuft. „Es soll keine Hürde sein, zu uns zu kommen“, sagt Hold. Anna Müller ist dankbar, dass es diese Anlaufstelle gibt, bei der „nicht gewertet“ wird. Beruflich hat die 51-Jährige noch große Pläne, würde gerne im Coaching-Bereich arbeiten, um Menschen mit ihrer eigenen Lebenserfahrung zu helfen. Das ist ihr Ziel: Ein Job statt drei. „Dafür werde ich kämpfen“, so Müller.
Aktion „Familien in Not“
Das Mehrgenerationenhaus und der SÜDKURIER rufen im zweiten Jahr in der Adventszeit gemeinsam zur Aktion „Familien in Not“ auf. Die Verantwortlichen freuen sich über kleine und große Geldspenden und versichern, dass die Spende ohne einen Cent Abzug bei den Betroffenen ankommt. Bis Weihnachten wird der SÜDKURIER regelmäßig über die Aktion berichten.
Wer spenden möchte:
Familienforum Markdorf e.V.
Stichwort: Familien in Not
IBAN: DE83 6905 0001 0001 8709 30
Sparkasse Bodensee