Ihre Helden sind heftiger – auch stilistisch. Justine Otto, deren Mädchen- und Frauenbilder dem Markdorfer Publikum noch von der „Ausgeträumt“-Ausstellung im Jahr 2011 in Erinnerung geblieben sein dürften, ist zurückgekehrt in die Stadtgalerie. Dieses Mal sind ihre Werke in einer Einzelausstellung zu sehen, überwiegend großformatige Gemälde, außerdem einige Skulpturen. Vor acht Jahren musste sie sich die Ausstellungsfläche noch mit sechs weiteren Künstlern teilen.

So hat sie genügend Raum, an die Motive vom Beginn des Jahrzehnts anzuknüpfen. Erneut sind Mädchengesichter und Frauen zu sehen. Versonnen blickend, manche als wären sie in Wartestellung, andere in jener lässig eleganten Pose, die dem Kameraobjektiv entgegen getragen wird, dritte in großer Nähe, sodass Momente auf die Leinwand gebannt sind, in denen etwas zu kippen scheint. Augenblicke des Umbruchs, des Dazwischens.
Ihre Reiter, ihre Cowboys und Greifvogeljäger malt Otto anders. Sie rückt ihnen nicht näher, arbeitet nicht an deren Poren und Falten, so wie sie das bei den Frauen und Mädchen zum Teil getan hat. Ihre malerisches „Objektiv“ hat die Künstlerin umgekehrt. Statt großer Nähe sucht sie Distanz. Auch ihren sezierenden Pinselstrich hat sie aufgegeben. Details verfließen. Figuren werden zu Konturen, erscheinen schemenhaft.
Vor sechs Jahren etwa habe sie sich von ihren Frauen- und Mädchenfiguren abgewandt, erzählt die in Berlin und Hamburg arbeitende Künstlerin. Und das sogar recht brüsk, während einer intensiven Arbeitsnacht im Atelier. Seither arbeitet sie mit Männern. „Männekens“ nennt sie sie – mit durchaus berlinerischem Tonfall und dem leicht despektierlichen Unterton.
„Was sind eigentlich Helden?“ Das ist die Frage, an der sich Justine Otto mit ihren Gemälden abarbeitet. Und wer sind Ottos Helden? Sind sie Reminiszenzen an Zeiten, da sich die in Unordnung in der Welt noch von starker Hand wieder ordnen ließ? Was die Malerin uns, den Betrachtern, bei ihren Frauenbildern noch gestattete, gemaltem Zwiespalt, dargestelltem Zweifel nachzuspüren, das verwehrt uns die Künstlerin jetzt.
Ihre Helden sind nur noch an ihren Attributen zu erkennen, den Jagdhunden, den Uniformen. Keine Physiognomien, aber Haltung, keine Details, aber ein Rest von Atmosphäre. Die jedoch wird aufgebrochen – durch heftigen Pinselstrich, Farbauftrag und Töne, die eher an geplatzte Luftballons oder ans wilde Spiel von Graffiti erinnert, denn an die gegenstandsnahe Palette der heldenträchtigen Genres.
„Ich bin ja so gar keine politische Künstlerin“ beteuert Otto. Das ist schon ein wenig kokettiert. Ihre „Dreamers“ zum Beispiel, jene Szene ermüdeter Cowboys, Landarbeiter, Viehtreiber, Flüchtlinge, zeigen die Kehrseite von Heldenbildern. Weil Otto die Figuren verflüssigt, verschwimmen lässt, dekomponiert. Weil diese Malerei die Gemachtheit von Heldenbildern entlarvt.